»Wie Patricia Hempel über den Verlust der Unschuld und über die Nachwendezeit schreibt, ist ein Ereignis.« Florian Valerius
Sommer 1992 im ehemaligen Elbe-Grenzgebiet. Pilly ist dreizehn und sehnt sich nach Zugehörigkeit. Aber auch zwei Jahre nach der Wiedervereinigung hängt ihre Familie noch immer an den Idealen von Gestern. Der Vater flüchtet in die Gaststätte, die Tanten träumen vom Goldenen Westen und von Pillys Mutter fehlt nach wie vor jede Spur. Halt findet Pilly nur in der älteren Mitschülerin Katja. Ein Trugschluss. Sie ahnt nicht, dass am Ende dieses Sommers ihre Welt abermals eine andere sein wird.
Die Mischanlagen und Fließbänder des Betonwerks stehen still. Ebenso wie das Leben der Menschen in dem fiktiven Planort an der Elbe. Während Pilly um jeden Preis versucht, die Aufmerksamkeit der älteren Schulkameradin Katja zu gewinnen, trinkt ihr Vater gegen die Erinnerungen an. Die Mutter ist schon lange weg, angeblich im Westen, auch wenn darüber eisernes Schweigen herrscht. Die Tanten wollen sich den Traum vom Goldenen Westen verwirklichen und setzen dabei ihre Lebensgrundlage aufs Spiel. Der Sommer nimmt eine drastische Wende, als eines Tages die Gärten der vietnamesischen Vertragsarbeiter abbrennen und Pilly plötzlich einer Frau gegenübersteht, die behauptet, ihre Mutter zu sein.
»Patricia Hempel ist eine Meisterin des Untergründigen. Lebenslust und Lebenslügen verwachsen in diesem Roman zu einem beängstigenden Gestrüpp.« Katja Kullmann
Im Sommer 1992 lebt die dreizehnjährige Philly in einem Wohnkomplex im ehemaligen Elb-Grenzgebiet. In dieser trostlosen Gegend, zwischen stillgelegtem Betonwerk und Kaserne, sucht Philly nach nach Halt ...
Im Sommer 1992 lebt die dreizehnjährige Philly in einem Wohnkomplex im ehemaligen Elb-Grenzgebiet. In dieser trostlosen Gegend, zwischen stillgelegtem Betonwerk und Kaserne, sucht Philly nach nach Halt und Zugehörigkeit.
Ihr Tanten Eli und Katharina fangen, räuchern und verkaufen Fisch aus der nahegelegen Elbe, deren Wasser eigentlich viel zu schmutzig ist. Der Vater flieht in die Gaststätte, um den verlorenen Job und der verschwunden Ehefrau nachzutrauen. Die Mutter ist schon länger weg, abgehauen in den Westen. Die Wessi kommen, kaufen Land und wollen alles verändern. Die Schrebergärten sind enteignet. Nur Frau Klinge hat gibt dem Mädchen etwas halt, kümmert sich um sie und ihre Schulbildung.
Philly sucht den Kontakt zu Katja und Bine, zwei Mädchen, die den Spielplatz beherrschen. Sie muß Demütigungen ertragen und findet einen Platz bei ihnen. Hier lernt sie Freundschaft, Eifersucht, Neid Sexualität und Verrat kennen.
Patricia Hempel zeigt die Trostlosigkeit der Menschen im Osten auf, die nicht nur ihre Jobs, sondern auch ihre Werte verloren haben. Dem Lesenden wird aufgezeigt, wie hoffnungslos und traurig die Existenzen von der Wende überrollt wurden. Gewohnheiten, Denken und Werte der Menschen konnte mit dem rasanten Wechsel nicht mithalten.
Die Charaktere des Romans sind sehr gelungen und authentisch. Ich konnte mir die Protagonisten im Plattenbau sehr gut vorstellen, alles wirkt stimmig und lebensnah.
"Verlassene Nester" ist keine leichte Lektüre. Dieses Buch fordert den Leser und weckt Gefühle. Mich, der in der Wendezeit nur wenig älter war als Philly im Roman, hat das Buch absolut abgeholt. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung.
Der Roman „Verlassene Nester“ von Patricia Hempel spielt in der Nachwendezeit, 1992, in einer ländlichen Gegend. Die 13jährige Pilly wurde von ihrer Mutter verlassen und lebt seitdem mit ihrem (inzwischen) ...
Der Roman „Verlassene Nester“ von Patricia Hempel spielt in der Nachwendezeit, 1992, in einer ländlichen Gegend. Die 13jährige Pilly wurde von ihrer Mutter verlassen und lebt seitdem mit ihrem (inzwischen) alkoholkranken Vater, der sich mehr schlecht als recht um sie kümmert.
Spannend fand ich vor allem die Dreiecksbeziehung/-freundschaft von Pilly, Katja und Bine; diese Romanteile sind meiner Meinung nach am besten geschrieben.
Den Perspektivwechsel der Autorin fand ich grundsätzlich gelungen. Dennoch hat mir persönlich ihr Schreibstil insgesamt nicht so zugesagt. Das ist ja immer Geschmackssache. Sie hat zwar die dörfliche Atmosphäre und die Charaktere gut beschrieben, aber mich konnte sie mit ihrem Erzählstil einfach nicht berühren. Das mögen andere Leser*innen gerne ganz anders empfinden.
Somit kann ich sagen, dass ich ganz gut unterhalten wurde, mich das Buch aber nicht komplett überzeugen konnte. Nicht schlecht, aber auch nicht herausragend (für mich).
"Es war alles andere als verwunderlich, dass der Einzug in ein Hospiz auf einen großen Tag fiel und dass das Wort mit einem "z" abschloss, dachte Hedwig. Ein Ort, an den man zum Sterben verfrachtet wurde, konnte ja nur mit dem letzten Buchstaben des Alphabets Enden. Viele unbequeme Dinge endeten auch "z". Schmerz. Sturz. Distanz. Rollstuhlsitz. Grabkranz. Auch ein Herz konnte zu etwas Unbequemen werden."
Patricia Hempels Roman Verlassene Nester entführt uns in den Sommer 1992, kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands, in eine fiktive Ortschaft an der Elbe. Im Zentrum steht die 13-jährige Pilly, die ...
Patricia Hempels Roman Verlassene Nester entführt uns in den Sommer 1992, kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands, in eine fiktive Ortschaft an der Elbe. Im Zentrum steht die 13-jährige Pilly, die versucht, in einer zerrissenen Familie und einer ebenso fragmentierten Gesellschaft ihren Platz zu finden. Patricia Hempel, geboren 1983 in Berlin, studierte zunächst Archäologie, bevor sie sich dem Literarischen Schreiben widmete. Sie ist bekannt für ihre Arbeit in der queeren Literaturszene und engagiert sich in der Förderung von Diversität im Literaturbetrieb. Verlassene Nester ist ihr zweiter Roman und wurde für den Alfred-Döblin-Preis 2023 nominiert.
Worum geht's?
Pilly lebt mit ihrem trinkenden Vater in einem trostlosen Ort an der Elbe. Ihre Mutter, eine ehemalige Olympiateilnehmerin, hat die Familie verlassen, und auch sonst scheint die Familie von den Nachwirkungen der DDR-Zeit und der Wende geprägt zu sein. Während Pillys Vater sich in Alkohol flüchtet und die Tanten von einem besseren Leben im Westen träumen, sucht Pilly verzweifelt nach Halt. Diesen glaubt sie in der älteren Mitschülerin Katja zu finden, doch diese Beziehung verläuft nicht so, wie Pilly es erhofft. Als die Gärten der vietnamesischen Vertragsarbeiter abbrennen, erreicht der Sommer einen Wendepunkt, und Pilly steht plötzlich ihrer vermeintlichen Mutter gegenüber.
Meine Meinung
Das Cover hat meine Neugier geweckt, und nach dem Lesen kann ich sagen, dass es sehr gut zur düsteren und beklemmenden Atmosphäre des Buches passt. Leider muss ich gestehen, dass der Roman insgesamt überhaupt nicht meinen Erwartungen entsprach. Vielleicht liegt es daran, dass ich – als Österreicherin – mit der deutschen Geschichte nicht so vertraut bin und in der Schule kaum etwas über die DDR und die Wende gelernt habe. Viele der Wörter und Ausdrücke im Buch waren mir fremd, und ich hatte Schwierigkeiten, den verschiedenen historischen und gesellschaftlichen Bezügen zu folgen. Es wird vorausgesetzt, dass die Lesenden über umfassendes Wissen zur DDR-Zeit verfügen, was das Verständnis deutlich erschwert.
Ein weiteres großes Problem für mich war die Vielzahl der Figuren, die in der Geschichte auftauchen. Ich konnte kaum nachvollziehen, in welcher Beziehung die Charaktere zueinander stehen, was es zusätzlich kompliziert machte, den roten Faden zu behalten. Oft wechselte die Perspektive mitten im Kapitel oder sogar im Absatz, was das Verstehen der Handlung noch schwieriger machte. Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Kapitel klarer strukturiert gewesen wären, zum Beispiel mit Hinweisen darauf, wessen Perspektive gerade erzählt wird.
Inhaltlich finde ich das Thema des Buches durchaus spannend. Die Darstellung von Vater-Tochter-Beziehungen, der Auswirkungen der Wende und Pillys innerer Kampf, erwachsen zu werden, sind interessante Aspekte. Doch die Art, wie dies umgesetzt wurde, hat mich nicht überzeugt. Die ständigen Rückblenden und Zeitsprünge waren oft verwirrend, und ich verlor schnell den Überblick. Besonders schwierig fand ich es, dass mitten im Absatz von der Gegenwart in die Vergangenheit gesprungen wurde, ohne klare Trennung. Das führte dazu, dass ich mich ständig orientieren musste, was mir das Lesevergnügen nahm.
Im Laufe des Romans hatte ich den Eindruck, dass viele Handlungsstränge entweder offenblieben oder einfach fallengelassen wurden. Es schien, als hätte sich die Autorin bei der Vielzahl der behandelten Themen ein wenig verzettelt. Dabei sind diese Themen doch so wichtig, wie beispielsweise die Darstellung des zunehmenden Rassismus in der Gesellschaft oder die ersten queeren Beziehungen während der Jugend. Zudem setzte das Buch einiges an Vorwissen voraus, um die feinen Zwischentöne zu verstehen, was das Lesen zusätzlich erschwerte. Auch die im Klappentext angekündigte Geschichte über das Verschwinden von Pillys Mutter vermittelte den Eindruck eines zentralen Handlungsschwerpunkts, der jedoch nicht im erwarteten Maße ausgearbeitet wurde.
Es gab jedoch einige Passagen, die mir sehr gut gefallen haben, insbesondere die bildhaften Beschreibungen der Trostlosigkeit und Pillys Beziehung zu ihrem Vater. Diese Abschnitte waren eindrucksvoll und emotional, doch insgesamt war die Lektüre für mich eher eine Herausforderung als ein Genuss. Ich musste mich regelrecht zwingen, das Buch zu beenden, was leider kein gutes Zeichen ist. Auch der Mangel an Erklärung für bestimmte historische und gesellschaftliche Hintergründe hat dazu beigetragen, dass ich viele Situationen und Begriffe nicht deuten konnte.
Fazit
"Verlassene Nester" ist ein Roman mit einem starken Thema und durchaus poetischen Momenten, doch die unklare Erzählweise und die Vielzahl an unzureichend beschriebenen Figuren machten es für mich zu einer anstrengenden Lektüre. Obwohl es einige schöne Passagen gab, konnte mich die Geschichte als Ganzes nicht überzeugen. Daher vergebe ich 2 von 5 Sternen.