Cover-Bild Ein deutscher Sommer
12,99
inkl. MwSt
  • Verlag: btb
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 608
  • Ersterscheinung: 09.05.2016
  • ISBN: 9783442749812
Peter Henning

Ein deutscher Sommer

Roman
Ein kühnes Stück Literatur über die deutsche Wirklichkeit.

Am 16. August 1988 überfallen zwei Kriminelle die Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck - es folgt die wohl spektakulärste Geiselnahme der deutschen Nachkriegsgeschichte. Gejagt von einer Journalistenhorde, fliehen sie durchs Land, töten vor laufenden Kameras und werden interviewt, während die Geiseln in Lebensgefahr schweben - ein Sündenfall des Journalismus, ein Offenbarungseid der Polizei. Peter Henning erzählt von Männern und Frauen, die binnen 54 Studen an den Rand ihrer Existenz gebracht werden und sich entscheiden müssen: für ein richtiges oder ein falsches Leben.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Gladbecker Geiseldrama als Roman?

0

Am 16. August 1988 nehmen zwei Geiselnehmer nach einem Banküberfall in Gladbeck zwei Menschen in ihre Gewalt. Diese beiden kommen frei, bevor die Geiselnehmer einen Bus gekapert, einen jungen Italiener ...

Am 16. August 1988 nehmen zwei Geiselnehmer nach einem Banküberfall in Gladbeck zwei Menschen in ihre Gewalt. Diese beiden kommen frei, bevor die Geiselnehmer einen Bus gekapert, einen jungen Italiener erschossen und mit dem Bus in die Niederlande geflüchtet sind. Von den Holländern bekommen sie ein neues Fluchtfahrzeug und zwingen zwei junge Frauen aus dem Bus zur weiteren Mitfahrt. Bis zum blutigen Ende des Geiseldramas vergehen 54 Stunden. In dieser Zeit bleibt die Uhr für andere Menschen nicht stehen - und deren Geschichten werden hier erzählt...


Da sind z.B. Amina und Bertram, die um das Überleben ihres Frühchens Paul bangen, die Schriftstellerin Brigitte, die ihren Mann bei einem Reporter-Auslandseinsatz verloren hat, die Taxifahrerin Chris und der Busfahrer Adam, die beiden unmittelbar am Geschehen beteiligt sind.

Peter Henning bringt mir diese Personen in seinem Roman so nahe, dass ich glaube sie zu kennen, egal ob sympathisch oder unsympathisch. Jeder einzelne hat einen Lebenslauf, der an sich schon spannend ist und der sich in diesen 54 Stunden verändert. Mein Kopfkino hatte jede Menge zutun. Anfangs hat mir der in ellenlangen Sätzen mündende Schreibstil etwas zu schaffen gemacht. Ich musste manche Sätze zweimal lesen, um sie zu verstehen. Aber mit der Zeit habe ich mich an diese ausgefeilte Sprache gewöhnt. Hier und da gab es Abschnitte, die mir zu langatmig waren oder Situationen, wo ich gedachte habe "das ist mir jetzt zuviel". Aber alles in allem habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Ich finde auch die Spannung kommt in diesem Roman nicht zu kurz. Die Erlebnisse der handelnden Personen enden immer wieder mal kurz vor ihrem Höhepunkt - und das erzeugt Spannung. Und natürlich immer wieder die Eindrücke zur Geiselnahme...


FAZIT:
Ich habe einen gesellschaftskritischen Roman gelesen, der mich gut unterhalten hat, auf den ich mich aber auch erst einlassen musste.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Der dreitägige deutsche Sommer von 1988

0

Es gab einen, DEN, deutschen Herbst - das war der im Jahre 1977, in dem die RAF Deutschland mit ihrem Tun konfrontierte, es in Angst und Schrecken versetzte, aber auch dazu brachte, kritisch zu denken, ...

Es gab einen, DEN, deutschen Herbst - das war der im Jahre 1977, in dem die RAF Deutschland mit ihrem Tun konfrontierte, es in Angst und Schrecken versetzte, aber auch dazu brachte, kritisch zu denken, die Politik, ihr Drumherum und ihre Wirkungen mehr als bisher zu reflektieren. Lehnt sich der Autor Peter Henning mit seinem Roman über das als "Gladbecker Geiseldrama" in die Geschichte eingegangene dreitägige Drama von August 1988 an diese Bezeichnung an?

Offensichtlich ist es so - das Handeln des Staates und der Polizei wurde schließlich auch hier in Frage gestellt, zeigte die Ohnmacht und Überforderung der Staatsorgane bei Einzelaktionen, mit denen nicht zu rechnen war.

Peter Henning lässt seinen Roman an genau den drei Tagen spielen, an dem das traurige Ereignis, der Gladbecker Bankeinbruch und die darauf folgende Verbrecherjagd also, stattfand. Das Verbrechen selbst, die Ereignisse darum, stehen nur gelegentlich im Mittelpunkt: Der Roman thematisiert vor allem die Schicksale einer ganzen Reihe von Charakteren, die meisten davon fiktiv, an diesen drei Tagen. Der Busfahrer Adam (fiktiv), der den von den Gangstern gekidnappten Bus in Bremen fuhr, die Taxifahrerin Chris, auf deren Taxi geschossen wurde (fiktiv) stehen wie der Reporter Peter Ahrends (real) und der Polizeibeamte Kirchner dem Geschehen durchaus noch nahe und sind darin eingebunden, bei Thomas Bertram, einem weiteren fiktiven Reporter und Brigitte, der Autorin von Kitschromanen, sind die Zusammenhänge schon sehr weit hergeholt.

Das Buch ist flüssig zu lesen, zwar mit Längen, doch Langeweile kommt selten auf - dafür wechseln sich die Episoden um die verschiedenen Protagonisten zu häufig ab, allerdings leider weit von der Qualität solcher Episodenromane wie "Kapital" von John Lanchester oder "Strahlend schöner Morgen" von James Frey entfernt. Im Klartext: aus meiner Sicht war der "Nervfaktor" ziemlich hoch und ich war des öfteren geneigt, das Buch aus der Hand zu legen. Nicht nur, dass der Autor wie seine Protagonistin Brigitte teilweise selber in das Niveau von Kitschromanen abdriftet, nein, auch mit Fakten wird teilweise überaus nachlässig umgegangen. Das Jahr 1988 ist nicht immer authentisch präsentiert, wenn bspw. eine Projektassistentin den ganzen Tag Computerspiele am PC im Büro spielt und ein 90jähriger seinen Erinnerungen an den Rußlandfeldzug nachhängt. Waren einerseits PC' s damals noch viel zu kostbar, um für sowas "verbraten" zu werden, wurden andererseits nicht mitten im Krieg schon ältere Männer an die entlegensten Schauplätze geschickt - meines Wissens wurden sie eher zum Ende des Kriegs eingezogen, als die Front schon wesentlich näher gerückt war.

Klarer Fall: das Lesen dieses mitunter gar makaber wirkendenden Romans wirft viele Fragen auf, lässt Bauchschmerzen entstehen und macht definitiv wenig bis gar keinen Spaß. Ich selbst war neugierig, wie der Autor mit dieser Tragödie umgeht, wie er sich damit auseinandersetzt und kann nun sagen: es lohnt sich nicht - man erspart sich eine Menge Ärger, indem man nicht zum Buch greift.