Im Fokus dieses Erziehungsratgebers steht die Beziehung zum Kind und dabei insbesondere der Umgang mit dessen Gefühlen. Die Autorin, eine Psychotherapeutin, sagt, dies sei das Wesentliche innerhalb der Elternschaft und Erziehung.
Die Beziehung zum Kind wird durch die Erwachsenen geprägt und gesteuert. Es braucht eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, denn wenn z.B. unser Kind in uns übermäßig aufgeladene, sehr starke Gefühle auslöst, haben diese zumeist ihren eigentlichen Ursprung in unserer eigenen Kindheit, dessen wir bewusst sein sollten. Darüber hinaus sind wir ein starkes Vorbild für das Kind und können z.B. auch die Art unseres inneren Dialogs, insbesondere unseren „inneren Kritiker“ an diese (unbewusst) weiter geben. Je besser wir uns also selbst kennen, desto bewusster und empathischer kann die Beziehung zum Kind sein.
Insofern schaut sich die Autorin auch Paarbeziehungen genauer an, auch im Trennungsfall und erläutert, wie man „richtig“ streitet. Sie nimmt Einstellungen und Erwartungen bezüglich Elternschaft unter die Lupe, guckt auf Schwangerschaft und Geburt. Sie erklärt die erste Bindung sowie (spätere) Bindungstypen. Zugleich weist sie auf die natürliche elterliche Ambiguität oder auch die elterliche Einsamkeit hin, und wie wichtig es ist, diese auszusprechen, um sie letztlich zu entschärfen.
Sie spricht wertfrei relativ tabuisierte Themen an, z.B. Langeweile in der Baby- oder Kleinkinderphase und zeigt Lösungswege auf, wie man die Perspektive ändern oder auch, was man ganz konkret tun kann.
Wie man die Beziehung zum Kind verbessert bzw. gestaltet, zeigt sie an ganz konkreten Beispielen. Hier geht es vorrangig um den Umgang mit Gefühlen. Diese solle man stets wahrnehmen, annehmen und für das (Klein-)Kind einordnen. Immer wieder, immer wieder, bis es sich Jahre später selbst (besser) regulieren kann. Anstatt, wie es im Alltag oft vor kommt, über diese hinweg zu gehen, zu ignorieren, abzulenken oder überzureagieren. Sie zeigt zudem auf, warum uns das manchmal schwer fällt und was uns dabei im Wege steht.
Sie verdeutlicht, warum sich Kleinkinder oft „schwierig“ und nervig“ verhalten und wie wir als Erwachsene damit am besten umgehen können. Hierzu geht sie ganz konkret auf den Umgang mit Wutanfällen ein, das Grenzen setzen bei Kleinkindern und Teenagern sowie auf den Umgang mit Lügen (seitens der Eltern und Teenager).
Die Autorin hat eine sehr fehlerfreundliche Haltung und betont, dass etwaige „Brüche“ durch elterliches Verhalten „repariert“ werden können. Indem man sich z.B. beim Kind entschuldigt und natürlich vor allem, indem man ernsthaft daran arbeitet, das eigene Verhalten zu verändern.
Ihr Ansatz ist bedürfnisorientiert und sie präferiert den kooperativen Stil. Ihr geht es um eine gelingende Beziehung, in der die Kommunikationswege auch in der Pubertät offenstehen, statt um Dominanz und die Herausbildung von Gewinnern und Verlierern.
Die Autorin veranschaulicht ihre Thesen durch alltagsnahe Fallbeispiele und unterfüttert sie mit Studienergebnissen. Es gibt mehrere Übungen, oft Visualisierungsübungen, die der Selbsterkenntnis dienen. Manche fand ich recht anspruchsvoll. Ihre Darlegungen sind insgesamt sehr verständlich und überzeugend. Hin und wieder hätte ich mir nur gern noch etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht. Sehr positiv empfand ich ihre Praxisorientierung, so dass man sich viel mitnehmen kann.
Fazit: Ein überzeugender Erziehungsratgeber, der zeigt, was Kinder brauchen und wie Beziehungen zu ihnen gelingen. Für mich ist dieses Buch sehr wertvoll, obwohl ich auch hier, wie bei allen Erziehungsratgebern es nicht dogmatisch lese. Ich wurde sensibilisiert, noch aufmerksamer und empathischer auf meine Kinder einzugehen. Zudem erhielt ich konkrete Praxistipps und wurde zu Perspektivwechseln angeregt. Insgesamt fühle ich mich sehr bestärkt, ermutigt und vor allem auch besser gerüstet sowohl für die Kleinkind- als auch Pubertätsphase. Mehr kann ich wirklich nicht erwarten..:)
Empfehlenswert für Eltern mit Kindern jeglichen Alters.