Die Kew-Mädels
Während meinem letzten London-Aufenthalt habe ich die Kew Gardens besucht. Wenn es nicht so drückend heiss gewesen wäre, hätte mir der Besuch auf dem riesigen Areal mit den unzähligen Pflanzen aus aller ...
Während meinem letzten London-Aufenthalt habe ich die Kew Gardens besucht. Wenn es nicht so drückend heiss gewesen wäre, hätte mir der Besuch auf dem riesigen Areal mit den unzähligen Pflanzen aus aller Welt bestimmt noch besser gefallen. Es ist eine riesengrosse Parkanlage, mit nur wenigen, aber bemerkenswerten Gebäuden.
Einige davon werden auch im Roman erwähnt - mein Kritikpunkt kommt deshalb gleich jetzt: ich hätte mir mehr Szenen gewünscht, bei denen man merkt, dass der Schauplatz auch tatsächlich Kew Gardens ist und nicht irgendeine beliebige Gartenfläche.
"Auf einmal kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht nie zu einem Krieg gekommen wäre, wenn es auf der Welt mehr Männer wie Bernie gäbe." (ePub 50/275)
Immer mehr Männer werden in den WWI eingezogen, die Arbeit bleibt liegen. Deshalb hat Chefgärtner Mac eine Anzeige geschaltet, in der er Gärtnerinnen sucht. Auf diesen Aufruf bewerben sich u.a. die junge Ivy Adams und die fast doppelt so alte Louisa Taylor, die sich schnell anfreunden. Ivy kennt die Gartenanlage von früheren Spaziergängen mit ihrem Vater. Seitdem ist Ivy Mac sowie Jim, dem Hilfsgärtner, bekannt. Ivy und Jim sind verliebt, sie versuchen dies heimlich zu halten. Louisa wuchs auf einem Hof in Kent auf und zog vor wenigen Monaten nach London. Sie vermisst die Natur und möchte lieber hier in den Gärten als bei einer Hutmacherin arbeiten. Ivy und Louisa nehmen beide an den Versammlungen der Sufragetten teil, dies soll aber niemand wissen, es könnte ihren Job gefährden.
Alle Figuren bringen ihre Hintergrundgeschichte mit, so auch Bernie, der nicht mehr als Lehrer arbeiten will, dafür in den Kews, in der Hoffnung nicht eingezogen zu werden. Hier in den Kews treffen viele Ansichten aufeinander. Die Charaktere müssen, teils schmerzhaft, lernen, andere Meinungen und Lebensumstände zu akzeptieren.
In die Geschichte dieser fünf Hauptfiguren geht es ausserdem um das Frauenstimmrecht, die Lohngleichheit, um Pazifisten und Quäker - und natürlich darum, wie man dem Krieg gegenüber stand, wie man sich und anderen zu helfen versuchte, sowie um eigene Ängste und Angst um andere.
Posy Lovell hat mit "Die Gärtnerinnen von Kew Gardens" eine starke und beachtenswerte Geschichte vorgelegt, die ich kaum aus der Hand legen konnte. Bei jeder neuen Figur überlegt man sich, ob die gut oder böse ist und wird dabei manches Mal überrascht. Dieser Roman ist definitiv ein 2022-er Highlight!
Mich freut, dass es einen zweiten Teil gibt. Allerdings wurde er bisher nicht übersetzt, aber vielleicht ist es 2023 so weit. Darin spielen die Nachkommen der jetzigen Protagonistinnen eine Rolle, etwa 20 Jahre später im WWII.
Fazit: Eindrucksvoller Roman über Freundschaft und gegenseitige Unterstützung, der mich begeistern konnte.
5 Punkte.