Auf Heimatsuche
Manchmal entdeckt man zufällig ein Buch, einen Schriftsteller – und findet ein Kleinod. So ging es mir mit dem Buch „Der Mann, der Luft zum Frühstück aß“ von Radek Knapp.
Klappentext:
In seinem einzigartigen ...
Manchmal entdeckt man zufällig ein Buch, einen Schriftsteller – und findet ein Kleinod. So ging es mir mit dem Buch „Der Mann, der Luft zum Frühstück aß“ von Radek Knapp.
Klappentext:
In seinem einzigartigen Stil erzählt Radek Knapp von der unfreiwilligen Emigration des zwölfjährigen Walerian von Polen nach Wien. Seine Schulkarriere ist kurz und endet mit seinem Hinauswurf. Als ihn seine Mutter ebenfalls auf die Straße setzt, kostet er in seiner neuen Bleibe das Gefühl der Freiheit aus – und die Bekanntschaft mit Schimmelpilz. Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und dringt in immer tiefere Schichten des Wiener Lebens vor. Dort stößt er auf wenig Sympathie für Menschen von jenseits der Grenze und lernt einiges über die Grenzen des guten Geschmacks und der Legalität. Irgendwann versteht er, dass „zuhause“ überall sein kann – wenn es ihm gelingt, seinen eigenen Weg zu finden.
Mich hat der Titel neugierig gemacht, auch stach mir die auffällige rote Schrift am Cover ins Auge. Das Buch erschien 2017 als Hardcover-Ausgabe, ist in kurze Kapitel ohne Datumsangaben unterteilt. Die Geschichte umfasst gefühlsmäßig einen Zeitraum von ca. 15 - 20 Jahren ab Mitte der 70er Jahre. Dadurch, dass Zeitangaben fehlen, war mir vielfach nicht klar, wie alt der Protagonist während der einzelnen Lebensphasen bzw. am Ende des Romans tatsächlich ist.
Das Büchlein liest sich flüssig und leicht, nicht nur weil es lediglich rd. 120 Seiten umfasst, sondern weil Radek Knapps Schreibstil so wunderbar ist: humorvoll bis ironisch, gespickt mit kreativen bildhaften Wortschöpfungen – ein Schreibstil, wie ich ihn ganz besonders mag. Ich war begeistert und habe das Buch fast in einem Zug verschlungen. Es war mein erstes Buch dieses Autors, wird sicher nicht das letzte sein. Als Wienerin kenne ich natürlich die meisten der beschriebenen Plätze und Gebäude, da fühlt man sich im Ambiente besonders wohl, noch dazu wo ich noch etwas gemeinsam habe mit dem Autor: ich besuchte, ungefähr 10 Jahre vor ihm, dieselbe Handelsakademie!
Dennoch: so lustig manche Szenen auch anmuten und zum Schmunzeln anregen, so ist stets der ernste Kern spürbar, der auch nachdenklich stimmt. Die geschilderten Erlebnisse liegen zwar Jahrzehnte zurück, entbehren jedoch nicht der Aktualität. Im Gegenteil, ich denke, für Emigranten oder Flüchtlinge ist es heutzutage noch schwieriger, akzeptiert zu werden, sich integrieren zu können. Zwischen den lockeren, humorigen Zeilen steckt mehr Tiefgang als man auf den ersten Eindruck erkennt.
Die Erzählung ist in Ich-Form verfasst. Man verfolgt nicht nur Walerians Werdegang, seine Schwierigkeiten, sondern auch seine Gedanken, seine grundsätzlich positive und optimistische Lebenseinstellung, seine innere Kraft und den Mut, eigene Wege zu gehen, seine Offenheit Neuem gegenüber. Dabei ist er, der als Kind so abrupt entwurzelt wurde, stets auf der Suche nach seinem eigenen Ich, seiner Heimat. Gewissermaßen sucht er auch den Sinn des Lebens, denn er erkennt bald, dass Geld und Macht nicht das ist, was er anstrebt. Walerian ist ein sympathischer, weltoffener, fleißiger und hilfsbereiter Mensch. Was mir etwas fehlte, waren tiefe Gefühle seinerseits zu Mitmenschen. Ich fand die Beziehung zu seiner Freundin eher kühl und oberflächlich.
In „Der Mann der Luft zum Frühstück aß“ steckt viel Biografisches. Walerian ist Radek Knapps Alter Ego. Mir hat das Buch nicht nur gefallen, mich unterhalten, sondern es hat mich auch berührt. Ich fand es bereichernd und habe es mit Bedauern geschlossen. Nun möchte ich unbedingt noch weitere seiner Romane lesen! Und vorerst empfehle ich dieses Buch einmal wärmstens.