Eindrucksvolle Darstellung
"Ich habe immer gedacht, ich könnte dich retten, aber vielleicht kann man niemanden vor sich selbst retten. Vielleicht wusstest du die ganze Zeit, dass es nie gehen würde, und nur ich habe geglaubt, du ...
"Ich habe immer gedacht, ich könnte dich retten, aber vielleicht kann man niemanden vor sich selbst retten. Vielleicht wusstest du die ganze Zeit, dass es nie gehen würde, und nur ich habe geglaubt, du würdest es auch wollen." (S. 295)
Als „heile Welt“ würde Jackie ihre Kindheit nicht bezeichnen. Oftmals streiten ihre Eltern, verschwinden plötzlich für einige Tage, trennen sich schließlich. Jackie lebt bei ihrer Mutter Lone, als ihr Vater nach einer weiteren durchzechten Nacht, die das Fass zum Überlaufen brachte, in eine Psychiatrie eingewiesen wird. Damals war sie vierzehn Jahre alt. Jackie besucht ihn fast täglich in Beckomberga, der größten Nervenheilanstalt Schwedens, und erlebt jedes Mal eine Reise ins Zauberland: Schnell fühlt sie sich heimisch, freundet sich mit Sabina, einer anderen jungen Patientin an, die viel Zeit mit ihrem Vater verbringt, führt tiefsinnige Gespräche mit dem Arzt Edvard, der fragwürdige Behandlungsmethoden praktiziert – und lernt den ersten Mann ihres Lebens kennen. Sie lernt ihren Vater von einer anderen Seite kennen, erkennt sein großes Herz und fragt sich, wieso es ihre Familie nicht zusammenhalten konnte.
In ihrem dritten, von der wunderbaren Ursel Allenstein ins Deutsche übersetzten Roman „Das große Herz“ (OT: Beckomberga. Ode till min familj) entfaltet Sara Stridsberg nach und nach, wie es dazu kommen konnte, dass Jackies Eltern sich voneinander entzweiten, das Kind dabei auf der Strecke blieb und jeder seiner Wege ging. In einem Augenblick hell und humorvoll wird schnell klar, dass jede Situation, jede Entscheidung auch ihre dunklen, ihre Schattenseiten hat, und so spielt Sara Stridsberg mit kurzen, prägnanten Episoden aus der Vergangenheit, der Zeit in der Psychiatrie, und der Gegenwart, in der Jackie selbst Mutter ist, mit ihrem Sohn Marion auf Erkundungstour der alten Gemäuer geht. Dort lernte sie selbst, dass die Grenze zwischen Düsternis und Geborgenheit hauchzart ist, sich alles von einem Augenblick zum nächsten schlagartig ändern kann.