Beklemmende Lektüre
Ed sitzt seit zehn Jahren in der Todeszelle, verurteilt wegen Mordes. Er beteuert seine Unschuld, seine eh schon angeschlagene Familie ist daran zerbrochen. Die Mutter ist abgehauen und überließ seine ...
Ed sitzt seit zehn Jahren in der Todeszelle, verurteilt wegen Mordes. Er beteuert seine Unschuld, seine eh schon angeschlagene Familie ist daran zerbrochen. Die Mutter ist abgehauen und überließ seine beiden kleinen Geschwister sich selber bis die Tante die Mutterrolle übernommen hat, aber auch nie ganz ausfüllen konnte. Die Geschwister haben sich so durchs Leben geschlagen, bis Ed sein Hinrichtungsdatum erhält. Joe reist zu ihm – und sieht Ed nach all den Jahren zum ersten Mal wieder. Und die wichtigste Frage ist: Was kann man machen, damit Ed begnadigt wird?
In der Geschichte an sich passiert nicht viel. Joe ist in Wakeling, wo sich das Gefängnis befindet. Er sucht sich eine schäbige Wohnung für die nächsten Wochen, versucht ein wenig Geld zu verdienen und freundet sich mit den Angestellten und Gästen eines Diners an, um die Tage irgendwie zu überstehen. Unterbrochen werden die Einheitstage von den kurzen Besuchen bei Ed. In dem Bruchteil des Tages versucht Joe all das aufzuholen, was er die letzten zehn Jahre nicht geklärt hat. Er war so klein, als Ed ins Gefängnis kam, im Prinzip muss er seinen großen Bruder ganz neu kennenlernen. Und nebenbei versucht er mit Eds Anwalt, doch noch das Unmögliche möglich zu machen.
Doch es ging auch nicht darum, dass viel „passiert“. Es ging um die Geschichte der Familie im Allgemeinen und Eds Geschichte im Speziellen. Doch überall fließt auch viel Kritik und Meinung zum amerikanischen Rechtssystem mit in das Buch. Es war manchmal schwer zu lesen, denn auch wenn es Ed nicht gibt, gibt es ganz viele reale Menschen, die sein Schicksal teilen.
Ich fand das alles sehr interessant und spannend und habe bis zuletzt mitgefiebert, ob Joe aus dem Gefängnis kommt oder ob er hingerichtet wird.
Doch trotz all der Dramatik der Geschichte, die an jeder Ecke mitschwingt, konnte das Buch mich emotional nicht ganz einfangen.
Geschrieben ist die Geschichte in Gedichtform, jedes Gedicht ist ein Kapitel von ein bis zwei Seiten, selten mehr. Dadurch fliegt man quasi durch die Seiten, kommt spielend leicht voran. Aber natürlich bedeutet das auch, dass man eigentlich keine 357 Seiten liest.
Ich bin sehr froh, das Buch gelesen zu haben. Vor allem die Rechts-Aspekte haben mich immer wieder beklommen zurückgelassen. Trotzdem fehlte es mir, dass ich die Figuren in mein Herz geschlossen habe. Auch wenn man die Vergangenheit der Familie Moon ausführlich erfährt und sich auch ein gutes Bild der Brüder machen kann, blieben sie mir ein bisschen egal.