Wünscht man sich als Fan einer epischen Saga nicht immer, noch ein paar Extraseiten über seine geliebten Protagonisten lesen zu können? Ein bisschen mehr Happy End ergattern, ihr ganz normaler Alltag kennenlernen, einfach noch ein bisschen Zeit mit ihnen verbringen, bevor man sich endgültig verabschieden muss? Dieser Wunsch hat Sarah J. Maas mit diesem Zusatzband wahr werden lassen. Alle Rezensenten, die sich über die fehlende Handlung beklagen, haben wohl einfach nicht genau genug hingeschaut: dies ist kein fulminanter vierter Teil der "Das Reich der sieben Höfe"-Reihe. Dies ist eine kurze Novelle, die uns nochmal nach Prythian an den Hof der Nacht mitnimmt und auf eine neue Reihe in diesem Universum vorbereitet. Wir haben es hier mit einer Art Übergangsband zu tun, der echten Fans der Reihe Stoff zum Schmachten bietet und der keineswegs mit den epischen Action-Schlachten der Vorgänger mithalten will. Geht man also mit den richtigen Erwartungen an diese Geschichte, kann man sich vom gemütlichen Wiedersehen begeistern lassen und sich die Wartezeit bis zur nächsten - richtigen - Fortsetzung versüßen.
Das Cover finde ich leider nicht so gut getroffen. Dass die Gestaltung nah an der der drei anderen Bände gehalten ist, gefällt mir zwar, warum man nun aber Rhysand und Feyre abbilden musste, wo man doch zuvor auch nur mit Andeutungen ausgekommen ist, erschließt sich mir nicht ganz. Die beiden sehen nämlich leider gar nicht so aus, wie ich sie mir vorgestellt habe. Auch über die viel größere Schriftgröße als in Band 1 bis 3 konnte ich nur den Kopf schütteln. Warum dieses Buch als vierten Band vermarkten und viel enttäuschte Rückmeldung riskieren und nicht lieber als die Novelle, die es ja auch ist, deklarieren und in ehrlicher Seitenanzahl und mit einem fairen Preis (hallo, 17,95€??) verkaufen? Und außerdem: warum heißt denn dieser Teil "Frost und Mondlicht", wenn der englische Titel "Frost and Starlight" heißt?
Erster Satz: „Seit einer Stunde wehte der erste Schnee des Winters durch Velaris.“
Bei diesem Buch bringt es nicht besonders viel, die Handlung nachzuerzählen, denn wo Band 3 an Action geradezu überquillt und Sarah J. Maas dem Leser kaum eine Verschnaufpause gönnt, so langsam geht sie es die wenigen relevanten Ereignisse an, die diesen Zwischenband prägen. Gemütlich und in liebevoller Atmosphäre lesen wir ein langgezogenes Happy End, dem es leider an neuen Entwicklungen und Erkenntnissen fehlt, dessen Aufgreifen der altbekannten Protagonisten jedoch dafür sorgt, dass es Fans der Reihe warm ums Herz und keineswegs langweilig wird. Wir konzentrieren uns hier vor allem auf den Wiederaufbau von Velaris, lernen verschiedene Künstler aus dem Regenbogenviertel genauer kennen und erfahren mehr über Bräuche und Traditionen am Hof der Nacht.
Wir sehen Feyres Alltag als High Lady, ihre Bürotätigkeiten, ihre Einkäufe für das Fest der Wintersonnenwende und wie sie durch ihre Kunst schreckliche Erinnerungen verarbeitet. Wir beschäftigen uns durch Rhysand mit den politischen Spannungen nach dem Krieg und sehen, wie schwer die Wahrung des Friedens ist. Wir lernen mehr über die starrsinnigen, wilden Illyrianern, die Cassian das Leben schwer machen. Und nicht zuletzt konzentrieren wir uns ein letztes Mal auf die Mitglieder des inneren Kreises und ihren Beziehungen zueinander. Alles in allem gleicht das Buch einer kleinen Atempause zwischen zwei epischen Geschichten, die sich ganz ihren Protagonisten widmet. Gut gefallen hat mir auch, dass mal andere Charaktere als Feyre aus unterschiedlichen Perspektiven, erzählen dürfen. Rhysand, Cassian, Nesta und Mor kommen mal zu Wort. Es wird wieder gestritten, innig geliebt, gekämpft und offenbart. Da ist Amren, der überraschend doch noch ein Leben als Fae vergönnt wurde, Azriel, der immer noch sehnsüchtig auf Mor wartet und noch nicht weiß, dass seine Träume nie wahr werden würden, Elain, die sich nur langsam an ihre neues Fae-Dasein gewöhnt und Nesta, die sich komplett abschottet. Und auch wenn sie alle nicht immer einer Meinung sind und sich häufig zoffen, sind sie doch alle eine Familie und halten zueinander, wenn es hart auf hart kommt.
Im Mittelpunkt steht jedoch wieder Feyre - die starke, weibliche Kämpfernatur, die in ihrer Entwicklung einem Phönix gleicht: zuerst lernten wir Feyre Archeron als armen, hilflosen Mensch kennen, der seine Familie mit Jagd im Wald überm Wasser zu halten versucht und durch Zufall in die Welt der Fae hineingerät. Am Frühlingshof wird sie durch die Liebe und Aufmerksamkeit Tamlins vom ungestümen Mädchen zur Dame, die weiß, wie sie ihre Talente einsetzten muss. Durch die Hölle unter dem Berg Amaranthas und ihrem Tod, kann sie als Fae wieder auferstehen, langsam ihren Platz an der Seite Rhysands, ihres Seelengefährten finden und dann als High Lady in die Schlacht ziehen und sich selbst finden. Die die starke, unerschütterliche Frau habe ich schon immer für ihre Willenskraft, ihre Kämpfernatur und ihr scheinbar unerschütterliches Vertrauen bewundert und so ist es umso schöner, dass sie als High Lady an Rhysands Seite endlich ihren Platz in der Welt und Frieden mit sich gefunden hat.
Und natürlich habe ich mich auch gefreut, Rhysand wiederzusehen (das werde ich gar nicht erst leugnen). Nachdem wir zuvor vor allem den mächtigen High Lord des Hofes der Nacht kennengelernt haben, kommt hier mehr der liebevolle Ehemann zum Vorschein. Sarah J. Maas schafft es hier alle Klischees und Vorgaben an männliche Protagonisten zu sprengen und das Ergebnis ist ein authentischer, ehrlicher Charakter, den man einfach lieben und verstehen muss. Durch sein verletzliches Herz, seine zarte Hoffnung, sein leidenschaftlicher Einsatz, seine aufopferungsvolle Treue und die Liebe zu seiner Familie hat er sich über die Zeit einen Platz in meinem Herzen erobert und dass er nun sein glückliches Ende bekommt, hat mich sehr gefreut!
"Auf die Sterne, die uns zuhören, Feyre."
"Auf die Träume, die in Erfüllung gehen, Rhys."
Ein dritter Punkt, der das Buch trotz der fehlenden Handlung definitiv lesenswert macht ist der außergewöhnliche Schreibstil Sarah J. Maas´, den ich hier zum wiederholten Male noch einmal würdigen will. Auch wenn es hier mal nicht um Monster, Tod und Magie geht, macht ihr imposanter Schreibstil die Geschichte lebendig, phantastisch und gefühlvoll. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und einer intensiven Szenenbeschreibung, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft. Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern...
Handlung hin oder her - dieses Zwischenspiel hat mir auf jeden Fall einige schöne lesestunden beschert und dafür gesorgt, dass ich mich nun noch viel mehr auf das Spin-Off mit Nesta und Cassian freue!
Fazit:
Die kurze Novelle nimmt nochmal mit nach Prythian an den Hof der Nacht, beinhaltet ein gemütliches Wiedersehen mit geliebten Protagonisten und versüßt die Wartezeit auf die kommende Spin-Off-Reihe. Ein langgezogenes Happy End für Fans!