Steh ein für all das, woran Du glaubst! Eine berührende Story, eine intensiv erzählte Liebesgeschichte und interessante Charaktere machen dieses anschauliche Sittengemälde zu einem echten Leseerlebnis, das ich nicht missen möchte
Frances und ihre Mutter sind die einzigen Überlebenden einer einst fünfköpfigen Familie. Während die beiden Brüder im Krieg fielen, starb der Vater kurz nach Kriegsende und hinterließ den beiden Frauen ...
Frances und ihre Mutter sind die einzigen Überlebenden einer einst fünfköpfigen Familie. Während die beiden Brüder im Krieg fielen, starb der Vater kurz nach Kriegsende und hinterließ den beiden Frauen einen Schuldenberg, da er sich verspekuliert hatte. Frances hatte ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Vater und auch das zu ihrer Mutter ist angespannt, seitdem Frances heimliche Beziehung zu einer anderen Frau aufflog. Damals fehlte Frances der Mut zu Hause auszuziehen und ihrer Freundin beizustehen, doch nun bereut sie es insgeheim, den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben.
Denn nun ist sie auf Gedeih und Verderb an das Haus und ihre Mutter gebunden. Irgendwie müssen sie versuchen, Geld zu beschaffen und so kommt Frances auf die Idee, Untermieter in das Haus zu holen. Die Wahl fällt auf ein junges, verheiratetes Paar. Lilian und Leonard Barber leben sich schnell ein und auch Frances, die das Paar anfangs insgeheim mit einem Fremdkörper im Haus verglich, ist Mrs. Barber schnell zugeneigt, denn diese weist eine erfrischend sympathische und offene Art auf. Schnell freunden sich Frances und Lilian miteinander an und erzählen sich schließlich sogar ihre dunkelsten Geheimnisse. Als Lilian jedoch von Frances Vorliebe für Frauen erfährt, ist sie zunächst verwirrt und zieht sich zurück. Frances, die sich bereits Hals über Kopf in Lilian verliebt hat, fürchtet, diese mit ihrem Geständnis verschreckt zu haben, doch nach einer Weile sind alle Zweifel ausgeräumt und Lilian gesteht Frances, dass auch sie Gefühle für sie entwickelt hat. Doch diese Liebe darf nicht sein, denn Lilian ist verheiratet, auch wenn die Ehe mit Leonard alles andere als glücklich zu bezeichnen ist. Als Lilian nach einem Urlaub mit ihrem Mann schwanger zurückkehrt, spitzt sich die Lage dramatisch zu…
„Fremde Gäste“ , ist der erste Roman, den ich von Sarah Waters las. Aufmerksam geworden bin ich allerdings vor einiger Zeit schon auf ihre Werke, als ich, während ich mir eine zeitlang diverse BBC Period Drama Literaturverfilmungen zu Gemüte geführt habe, auf „Tipping the Velvet“ und „Fingersmith“ stieß, die beide in der Videothek angeboten wurden.
Nachdem ich den Klappentext von „Fremde Gäste“, gelesen hatte, war meine Neugierde geweckt und ich bin nun, nachdem ich diesen Roman ausgelesen habe, froh, mich dafür entschieden zu haben. Zugegeben, lesbische Liebe mag nicht mein Thema sein, doch die Art und Weise, wie intensiv die Autorin die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Protagonistinnen beschreibt, ist einfach einzigartig. Intensiv geraten, ist neben der Liebesgeschichte die die Autorin hier erzählt, aber auch die Story. Denn nicht nur die Entwicklung der Beziehung zwischen Frances und Lilian steht im Fokus, sondern auch ein daraus resultierender Kriminalfall, der zwar erst im letzten Drittel der Geschichte an Fahrt aufnimmt, der mich jedoch vor Spannung regelrecht ans Buch gefesselt hat, ob der eigentlichen auswegslosen Situation für die beiden Heldinnen.
Man fiebert mit den beiden mit und hofft, dass sich am Ende doch alles zum Guten wenden wird. Dabei sind Frances und Lilian noch nicht einmal Charaktere, die man schnell in sein Leserherz schließen kann. Es sind Frauen mit Ecken und Kanten; Stärken sowie Schwächen und Frances Gedankenwelt ist nicht immer so freundlich, wie es nach außen hin den Anschein hat. Sie hat sich halt nur der Situation angepasst und hadert insgeheim mit ihrem Schicksal.
Ausgerechnet der anfangs ein wenig naiv wirkenden Lilian, gelingt es schließlich die intellektuelle, spröde Frances aus der Reserve und ihrer innerlichen Erstarrung zu locken. In diesen Momenten ist „Fremde Gäste“ wirklich besonders stark und berührend geraten. Und auch, wenn Lilians Ehemann nicht ganz so greifbar und widersprüchlich erscheint, ertappt man sich beim Lesen dabei, selbst für ihn Verständnis aufbringen zu wollen (etwa wenn er sich mit Frances über die Sternenbilder unterhält), was für das Schreibtalent der Autorin spricht, denn Leonard ist eigentlich kein sympathischer Zeitgenosse.
Dieser Roman hat wahnsinnig viel Tiefgang zu bieten, Sarah Waters hat dazu eine ganz besondere Art zu Schreiben und geht dabei mit so viel Feingefühl und Intensität ans Werk, dass die Geschichte selbst nach dem Lesen noch eine Weile in einem widerhallt, wie es nur besonders gute Romane vermögen. „Fremde Gäste“ ist solch ein Roman und ich vergebe sehr gerne fünf von fünf Punkten für die Geschichte und deren Umsetzung.
Kurz gefasst: Steh ein für all das, woran Du glaubst! Eine berührende Story, eine intensiv erzählte Liebesgeschichte und interessante Charaktere machen dieses anschauliche Sittengemälde zu einem echten Leseerlebnis, das ich nicht missen möchte.