New York: Am 10. Todestag der ermordeten Mutter verabschieden sich Gwen und ihr Vater, da dieser am nächsten Tag geschäftlich nach Paris reist, während Gwen sich in der Schule quält, wo sie tief verletzendem Mobbing ausgesetzt ist, das sie irgendwie erträgt. Als am nächsten Tag zwei CIA-Agenten vor der Tür stehen und ihr von der mutmaßlichen Entführung ihres Vaters erzählen, bricht für Gwen eine Welt zusammen, denn ihr Vater hatte ihr stets erzählt, er würde im Auswärtigen Amt nur Papiere hin und her schieben und jetzt behaupten die geheimnisvollen Besucher er sei ein Agent der CIA.
Die CIA stellt die erfolglosen Ermittlungen bald ein und Gwen sieht sich gezwungen eigene Ermittlungen anzustellen. Sie folgt einer Spur nach Paris und steht bald im Zentrum eines gefährlichen Konstrukts aus Waffenschiebern, Drogendealern und Menschenhändlern. Sie weiß, sie kann nur gewinnen, wenn sie so kalt und grausam ist wie die Täter. Gwen wird erwachsen.
Der Autor:
Scott Bergstrom arbeitete jahrelang als Texter und Creative Director in einer der größten und renommiertesten Werbeagenturen in Manhattan und entwickelte Print-, Fernseh- und Onlinekampagnen für namhafte Firmen wie Ford, Boeing, Chase sowie für das Auswärtige Amt der USA. Bergstroms Essays und Artikel über Architektur und urbanes Leben wurden in den USA und Europa breit publiziert. Sein Interesse gilt besonders den vernachlässigten Gegenden beliebter Touristenmetropolen – die er in «Cruelty» düster und anschaulich beschreibt.
Reflektionen:
Anfangs hatte ich ein Gefühl von naiv angewandter Sprache, bis mir bewusst wurde, dass die in der Ich-Erzählweise beginnende Story, die Worte der siebzehnjährigen Gwendolyn Bloom waren. Gwendolyn ist ein Diplomatenkind, dass bereits den gesamten Globus mit ihrem Vater bereist hat, doch nirgends konnte sie Freunde finden, nirgends fühlte sie sich zu Hause und so lebt sie die Rolle einer Einzelgängerin. In der Privatschule, die nur von Kindern betuchter oder prominenter Eltern besucht wird, ist sie ein graues Entlein das gegen den Strom schwimmt und das gemobbt wird. Wie sehr Gwen darunter leidet hat Autor Scott Bergstrom emotional sehr berührend und sehr authentisch in seinem Debüt erzählt.
Als Gwen erfährt, dass ihr Vater verschwunden ist und die CIA bald darauf die Ermittlungen eingestellt, kriecht sie langsam aus der Haut eines Teenagers heraus. Während des Lesens entwickelt sich nicht nur die temporeiche Handlung weiter, sondern ganz besonders Gwendolyn selbst. Aus dem kleinen Mädchen wird eine junge Frau die erkennt, dass sie die Entführer ihres Vaters nur finden kann, wenn sie selbst ebenso skrupellos und gewaltbereit durchs Leben geht wie sie.
Die Entwicklung der Hauptfigur Gwendolyn ist Scott Bergstrom sehr gelungen. Er lässt ihre Entwicklung langsam in die Geschichte einfließen, obwohl sie mit äußerster Brutalität vorangetrieben wird, denn Gwen trifft auf die taffe Yeal, die sie körperlich und mental trainiert. Unter großen Schmerzen und unter scheinbarer emotionaler Kälte formt Yeal Gwen mit einer Härte, die mich manches Mal den Atem anhalten ließ.
Gwen bewegt sich in einer Umgebung die von Waffenhandel, Drogengeschäften und Menschenhandel geprägt ist. Die Figuren dieses Milieus sind düster und sie unterstreichen die dunkle Stimmung und knisternde Spannung. Scott Bergstrom gelingt es spielend Verbrechen zu inszenieren, die die Suche nach den Entführern für Gwen erschweren. Auch als Leser fällt es mir schwer zu erahnen, wer die Täter sein könnten, denn die intelligenten Verstrickungen von Verbrechen und Figuren lassen sich bis zu Letzt nicht einfach entschlüsseln.
Scott Bergstrom schreibt in einem hohen Tempo, das perfekt auf die rasanten Geschehnisse der Geschichte zugeschnitten ist. Sein Sprachstil ist klar und schnörkellos. Er lässt sich angenehm flüssig lesen. Besonders gut ist es ihm gelungen, die Sprache und den Ausdruck der Figur Gwen entsprechend ihrer Entwicklung glaubwürdig zu kreieren.
Die Figuren sind entsprechend ihrer Funktionalität in der Geschichte charakterstark und intensiv gezeichnet, sodass sie autark agieren. Scott Bergstrom scheut sich nicht Protagonisten und deren Verbrechen mit äußerster Brutalität darzustellen. Zart besaiteten Lesern, könnte die Gewalt und Grausamkeit von Cruelty deutlich too much sein.
Fazit:
Ein starkes, spannendes Debüt mit Tempo. Bitte mehr davon. Leseempfehlung.