Wie sehr hatte ich mich auf die zwei frisch erschienenen Bücher aus dem Hause Disney gefreut! Während die Vorgeschichten einiger Disney-Figuren im englischen Sprachraum bereits vor Jahren erhältlich waren, wurden zwei der fünf Geschichten nun auch für den deutschen Sprachraum übersetzt. Da musste ich mir natürlich gleich mal vorbestellen, was da so frisch eintrudeln sollte. Zuerst gelesen habe ich „Das Biest in ihm“, weil „Die Schöne und das Biest“ schon als Kind zu meinen Lieblingsfilmen von Disney gehörte. Meinen Eindruck zum Buch der Vorgeschichte des Prinzen Adam alias „das Biest“ werde ich nun mit euch teilen.
INHALT:
Das Buch verspricht laut Klappentext eine Geschichte, die erklären soll, wie aus dem schönen und eitlen Prinzen Adam das Biest aus dem uns bekannten Disney-Filmklassiker werden konnte. Uns wird der Einblick in Adams Sicht der Geschichte versprochen. Außerdem ist hier von einem „spannenden, psychologisch einfühlsamen Roman“ die Rede. Schon vor dem Lesen fand ich das ziemlich dick aufgetragen für ein Buch, was gerade mal gut 200 Seiten umfasst.
Die Geschichte beginnt mit dem in Gedanken versunkenen Biest und einer Erläuterung, dass an seiner Verwandlung ein Fluch Schuld sei. Anders als im Film allerdings, wird dieser Fluch nicht von einer einzelnen Zauberin ausgesprochen, sondern von drei Hexen. Die Zauberin aus dem Film ist hier die Schwester dieser drei Hexen. In Bezug zum Film könnte das eine schlüssige Ergänzung abgeben, die sich mit den Geschehnissen des Originals auch nicht beißt.
Weiterhin erfährt man, dass der Prinz und Gaston als Kinder und junge Männer Freunde waren, bis sich das Biest verwandelte und Gaston den Prinzen nicht wiedererkannte. Auch diese Sicht der Dinge fand ich zunächst einmal interessant und ließ für mich auch spannende Optionen für den Ausbau der Geschichte offen.
Einige Details fand ich sehr spannend und ebenfalls sehr interessant für den weiteren Verlauf, beispielsweise dass das Biest das Schloss anders wahrnimmt als alle anderen und zwar noch grausamer, weil es für seine Eitelkeit und seinen hässlichen Charakter bestraft werden soll.
Die Möglichkeiten der teils guten Ansätze wurden von Valentino leider nicht ausgereizt. Die Handlung bleibt flach, ohne Tiefe und leider auch ohne die psychologische Einfühlsamkeit, die der Klappentext versprach.
Bevor ich nun weiter aushole – von einer Vorgeschichte erwarte ich mir, dass es bisher nicht bekannte Fakten und Geschehnisse aufdeckt, die mit der originalen Geschichte zusammenpassen und diese unberührt lassen. Eine Vorgeschichte soll für mich Aha-Momente herbeiführen, sodass unklare Details aufgeklärt werden, über die man vorher vielleicht auch gar nicht nachgedacht hat. Leider muss ich schon an dieser Stelle zugeben, dass mich das Buch diesbezüglich mehr als enttäuscht hat.
Wie ich schon erwähnte, konnte ich mich mit einigen Ansätzen wirklich gut anfreunden. Leider gewann beim Lesen zunehmend das Gefühl die Oberhand, dass das Gelesene mit dem Original nicht wirklich zusammenpasst. Für mich bleibt beispielsweise nach wie vor unverständlich, warum im Film existierende Szenen wiedererzählt und gleichzeitig umgeändert werden.
Ein Beispiel:
Als Belle aus dem Schloss wegläuft und gegen die Wölfe im Wald zur Wehr setzen muss, wird sie im Film vom Biest gerettet. Hier merkt man im Film unterschwellig, dass dem Biest etwas an Belle liegen muss, da es ihr in den Wald folgt.
Im Buch wird nun dieselbe Szene erzählt, allerdings folgt das Biest Belle nur, weil es in einem Tobsucht-Anfall Belle töten möchte und zufällig durch die Wölfe abgelenkt wird. Nebenbei bemerkt, werden im Buch die Wölfe vom Biest blutig zerfetzt, was im Film auch nicht der Fall ist. Im Film fliehen die Wölfe vor dem übermächtigen Biest, nachdem sie einigen Prankenhiebe eingesteckt haben, was – wie ich finde – auch realistischer ist. Kein Wolfsrudel würde bis zum Tod kämpfen, wenn es sich nicht für sie lohnt. Vielleicht bin ich da auch zu detailverliebt, ABER hier stellt sich für mich die Frage, wieso das meisterhafte Original abgeändert werden muss? Es ist weder ein Sinn für die Vorgeschichte dahinter erkennbar, noch bringt es irgendeinen anderen Mehrwert. Schade, denn das hat für mich die Psychologie des Originals kaputt gemacht.
Ein weiterer Punkt, der mir als Disney-Fan schwer im Magen liegt ist, dass man in den letzten Jahren ja schon immer wieder gesehen hat, dass die Marketing-Maschine ordentlich angekurbelt wurde – und das nicht unbedingt immer zu Gunsten der Qualität der Filme, aber das würde jetzt zu weit führen. Leider merkt man das auch an der ein oder anderen Stelle im Buch. Die Hexen schmieden hier immer böse Pläne, um dem Biest zu schaden – und ganz nebenbei werden immer mal wieder andere Disney-Figuren erwähnt – da wären Aschenputtel, die böse Königin aus Schneewittchen und Ursula aus Arielle, die hier einen besonders großen Gastauftritt bekommt. Der Bezug zu anderen Figuren aus dem Universum Disney ist eigentlich okay, denn im Internet gibt es ja mehrere Spekulationen über eventuelle Verwandschaften, jedoch wird mir in einem Werk mit so wenigen Seiten etwas zu oft auf andere Charaktere/Geschichten verwiesen. Auch hier gab es außer bei Ursula (wenn auch weit hergeholt) keinen schlüssigen Grund für die Erwähnungen, es wirkte meist eher erzwungen, als hätte man sich gedacht „Lass uns doch noch ein Produkt erwähnen“.
Leider werden auch bekannte Szenen aus dem Film zeitlich verdreht geschildert. Das hat für mich dann auch nicht gerade dazu beigetragen, dass die Handlung authentisch blieb. Auch das hatte keinen erkennbaren Hintergrund oder Sinn für die Vorgeschichte. Weiterhin: Belles Vater findet sich ganz verwirrt am Ende auf dem Hochzeitsball wieder und weiß anscheinend nicht, wie er da hingekommen ist. Im Film reitet er mit Belle zum Schloss, als sie von Tassilo befreit wurden. Diese Szene wird natürlich nicht beschrieben im Buch, aber dann hätte man den Vater am Ende auch nicht unbedingt erwähnen müssen.
Der Höhepunkt war für mich erreicht, als jede, aber auch wirklich jede Szene irgendwie unter dem Einfluss der Hexenschwestern zustande gekommen sein soll. Praktisch wurde jede Möglichkeit genutzt, aus dem Film bekannte Szenen irgendwie auf die Hexenschwestern zurückzuführen. Ein weiteres Beispiel: Im Film hält das Biest Gaston über einen Abgrund – seine Züge erweichen sich, weil er durch die Liebe zu Belle gelernt hat, was es heißt, gütig zu sein – und lässt Gnade walten und Gaston daraufhin herunter und schickt ihn fort. Im Buch sollen die Hexenschwestern dem Biest in diesem Moment eine Kindheitserinnerung an Gaston geschickt haben. Für mich völlig unnötig, diese Szene umzuschreiben – auch hier macht es für mich die Psychologie des Originals kaputt, ohne etwas besseres zu liefern.
Leider hatte ich mir vom Inhalt wirklich neue Informationen zum Biest/Prinz erwartet und zu dessen Vorgeschichte. Die bekommt man auch im ersten Drittel des Buches, wobei man dort noch nicht wusste, wo das Buch mit einem hin will. Diese Vorgeschichte hätte man meiner Meinung nach gern mehr ausbauen können. Denn alles, was danach im Buch folgt, ist nur eine abgewandelte Wiedergabe der Geschehnisse aus dem Original, was für mich nichts in einer Vorgeschichte zu suchen hat. Leider war es somit für mich keine Vorgeschichte, sondern größtenteils ein neu erzähltes „Die Schöne und das Biest“. Genau das möchte ich eben NICHT lesen.
SCHREIBSTIL:
Der Stil von Valentino ist okay, es liest sich gut und leicht, aber es ist auch nichts literarisch weltbewegendes. Das ist aber auch nicht unbedingt der Anspruch bei einem Märchen, wie ich finde. Leider hat die Übersetzung gewisse Fehler gemacht: Herr von Unruh ist der Name des Dieners, der in eine Uhr verwandelt wurde. Warum gerade dieser Name nicht übersetzt wurde und er stets als „Cogsworth“ bezeichnet wird, kann ich mir nicht erklären und finde ich schade. Außerdem sind grammatische Fehler enthalten, wenn auch wenige. Allerdings denke ich, dass man von großen Namen wie Disney und Carlsen ein gutes Lektorat erwarten kann. Das hat den Eindruck des Buches zusätzlich geschmälert.
FAZIT:
Einen Pluspunkt muss man auf jeden Fall für die unglaublich schöne Cover-Gestaltung vergeben. Nicht nur das Biest auf der Vorderseite ist super getroffen, sondern auch der Prinz auf der Rückseite. Allgemein begeistert die düstere Gestaltung, da es die Geschichten erwachsen wirken lässt.
Die guten Ansätze, die für mich auch ein gewisses Potential hatten, bekommen von mir ebenfalls einen Daumen, allerdings wurden diese nicht genutzt. Sehr schade.
Ich bin der Meinung, wer im Klappentext so dick aufträgt, sollte dann auf den wenigen Seiten auch liefern. Leider war es für mich oft lieblos geschrieben, an den richtigen Stellen fehlte die Tiefe, an den falschen Stellen war sie vorhanden. Dem grandiose Original wurde hier in vielen Punkten keine Rechnung getragen, sondern es wurde umgeschrieben, was ich leider nicht begrüße. Das Prädikat „Vorgeschichte“ wurde leider nicht erfüllt und deswegen bin ich leider wenig begeistert und hochgradig enttäuscht von dieser Umsetzung. Hoffen wir, dass das nächste Werk von Valentino mehr glänzen kann.
Gute Ansätze, jedoch oft einfallslos und wenig neue Informationen. Für Disney-Fans auf jeden Fall KEIN Must-Read, sondern nur ein nice-to-have. Schade.