Cover-Bild Auf dem Nullmeridian
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hoffmann und Campe
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 05.06.2023
  • ISBN: 9783455015720
Shady Lewis

Auf dem Nullmeridian

Roman | »Literatur der Zeitenwende!« ― Maha El Hissy
Günther Orth (Übersetzer)

Dieser aufsehenerregende Roman aus Ägypten erzählt davon, was es heißt, weder ankommen noch zurückkehren zu können.

Ein Ägypter lebt als Immigrant in London. Er arbeitet in der Wohnraumbehörde eines für seinen hohen Anteil an Einwanderern bekannten Bezirks. Aber anstatt Menschen eine Bleibe zu vermitteln, verzweifelt er an der Bürokratie.

Der Anruf eines Freundes verspricht seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Der Ägypter soll helfen, einen jungen Syrer zu beerdigen, der nach seiner Flucht in London verstarb. Schmerzliche Erinnerungen werden wach, an die eigene Einwanderergeschichte, an die Kindheit als ausgegrenzter koptischer Christ in Kairo

Auf dem Nullmeridian ist ein entlarvender, packender Roman über die Entrechteten unserer Zeit, deren Schicksal Shady Lewis mit diesem unvergesslichen Roman auf ebenso poetische wie eindrucksvolle Weise Gehör verschafft.





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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.06.2023

Ein Fremder bis in den Tod?

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In seinem Buch "auf dem Null-Meridian" lotet Shady Lewis die Erfahrung von Fremd-Sein in einer Mehrheitsgesellschaft vielschichtig, ja geradezu philosophisch aus. Mit seinem Ich-Erzähler eint ihn die Herkunft ...

In seinem Buch "auf dem Null-Meridian" lotet Shady Lewis die Erfahrung von Fremd-Sein in einer Mehrheitsgesellschaft vielschichtig, ja geradezu philosophisch aus. Mit seinem Ich-Erzähler eint ihn die Herkunft aus der Minderheit der christilichen Kopten in Ägypten. Dieser Erzähler hat es aus der Sicht seiner Familie geschafft: Schließlich arbeitet er in London als Sozialarbeiter für die Vergabe von Sozialwohnungen in einem Büro, so richtig mit Schreibtisch und Bürostuhl! Ein Onkel dagegen, der sich schon Jahre zuvor über das Mittelmeer nach Großbritannien durchgeschlagen hat, viele Rückschläge und Hindernisse überwinden musste, putzt ungeachtet seines Bildungsabschlusses immer noch Toiletten. Wie stolz ist er auf den Neffen, der in einem Verwaltungsjob angekommen ist!

Dabei, so der Erzähler, sind die weißen Briten in der Arbeit überhaupt nicht präsent, allenfalls ferne Vorgesetzte: Nahezu sämtliche Sozialarbeiter, Sachbearbeiter, Psychologen, mit denen er zu tun hat, sind ebenfalls Migranten, in der Regel in verschiedenen Braun- und Schwarztönen, ganz wie ihre Klienten. Und er kommunistische englische Kollege, so ein nigerianischer Kollege, der die Menschen in verschiedene Arten des Schwarz-seins kategorisiert, sei doch schon aufgrund seiner politischen Auffassung selbst als schwarz anzusehen.

Der Anruf eines Freundes aus Ägypten reißt den Erzähler aus seiner Routine: Er soll die Beerdigung eines jungen geflüchteten Syrers organisieren, der nach Gefängnis, Folter, dramatischer Flucht unerwartet in seinem Bett starb. Zwar versuchte die verzweifelte Familie, aus Ägypten nach London zu erreichen, doch der Tod des Sohnes und Bruders ist offenbar kein Grund für eine Visumserteilung. Der Todesfall ist letztlich ein weiterer Aspekt der Bürokratie und Fall-Verwaltung der lebenden und toten Fremden.

Mal nachdenklich, mal sarkastisch, mal dramatisch überspitzt wie ein Märchen aus tausendundeiner Nacht schildert Lewis die Bemühungen seines Protagonisten, einen würdigen letzten Abschied zu organisieren. Dabei reflektiert er immer wieder auch seine eigene Rolle, die Erfahrungen, aber auch die Konkurrenz und Abgrenzung von Minderheiten untereinander. Das findet keineswegs nur in Europa statt - schon in der Kindheit in Ägypten war der Erzähler höchst erleichtert, als er herausfand, dass die syrischen Flüchtlinge in der Hackordnung noch unter den Kopten zu stehen schienen. Endlich konnte auch er jemanden als "minderwertig" beschimpfen!

Zugleich wird die Last sichtbar, die durch Druck und Erwartung im Herkunftsland auf den Migranten lasten: Ein Scheitern im neuen Land wäre eine Schande für alle. Die mit den Jahren zunehmende Entfremdung und demütigende Erfahrungen in Europa sind nur dann zu ertragen, wenn man im Alter den erworbenen Wohlstand demonstrativ mit einem Altersruhesitz in der einstigen Heimat unter Beweis stellen kann.

Lewis schreibt genau beobachend, geradezu nüchtern und ohne Larmoyanz. Erregte Opferdebatten gibt es nur in den Äußerungen einiger KollegInnen des Erzählers. "Auf dem Nullmeridian" ist ein ruhig erzählendes und nachdenklich machendes Buch mit einem kleinen Moment rührender Menschlichkeit am Schluss.

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Veröffentlicht am 24.10.2023

Vertraut und doch fremd

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Der Ich-Erzähler ist ein ägyptischer Immigrant, allerdings kein Muslim, sondern ein koptischer Christ. Zehn Jahre ist seine eigene Flucht her, auf seiner Suche nach einem sicheren und besseren Leben landete ...

Der Ich-Erzähler ist ein ägyptischer Immigrant, allerdings kein Muslim, sondern ein koptischer Christ. Zehn Jahre ist seine eigene Flucht her, auf seiner Suche nach einem sicheren und besseren Leben landete er schließlich in London, wo er, mittlerweile eingebürgert, in der Wohnraumbehörde tätig ist, in einem für seinen hohen Anteil an Migranten bekannten Bezirk. Eine Tätigkeit, die an der Bürokratie verzweifelt, denn Sozialwohnungen, die man vermitteln könnte, existieren schlicht und ergreifend nicht. Eines Tages bittet ihn sein Onkel, das Begräbnis eines jungen Syrers zu organisieren, der nach seiner Flucht plötzlich und unerwartet in London verstarb.

Shady Lewis kam selbst 2006 als Einwanderer nach London und war mehr als zehn Jahre im sozialen Dienst der Stadtverwaltung tätig, hat also genug eigene Erfahrungen gemacht, um dieses Thema in seinem Buch aufgreifen zu können. Der namenlose Erzähler plaudert quasi aus dem Nähkästchen und dies tut er manchmal so beiläufig, dass man fast vergessen könnte, wie tragisch das Erzählte eigentlich ist. Das Leben der Geflüchteten ist schon schwer genug, diese Umstände gepaart mit der diesen Menschen gegenüber erfolgenden Willkür, dem stetigen Rassismus und der erfolglosen Suche nach einer Wohnung, sind stellenweise an Absurdität und Tragik kaum zu überbieten.

„Die erstaunliche Lektion, die ich in meinem damals sehr jungen Alter lernte, war die, dass uns Unrecht häufig dann weniger schlimm vorkommt, wenn wir erfahren, was das Motiv dafür war. Schlimm ist nur Unrecht, das man sich nicht erklären kann.“ (Seite 19)

Manchmal wurde mir die Erzählung zu phantastisch, Träume wechselten sich ab mit Situationen, die ich nur als surreal beschreiben kann. Darauf muss man sich als Leser einlassen können, ich jedenfalls habe dafür ein paar Seiten gebraucht. Hierbei gefiel mir besonders gut, dass die Gesellschaftskritik zwar offen, aber nicht aggressiv erfolgte; die Ironie vieler Ereignisse entging mir dabei nämlich nie. Ein interessanter Blick, der mir einiges aufzeigte, über das ich mir keine Gedanken gemacht habe, der mich gut unterhalten und manchmal sogar zum schmunzeln gebracht hat. Gerne vergebe ich vier Sterne und empfehle diesen Roman weiter.

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