Setzt eine vielversprechende Grundidee spannend und wendungsreich um
Handlung: Als erstes Buch von Sharon Bolton, die für ihre psychologischen Thriller gefeiert wird, ist letzte Woche "The Pact" bei mir gelandet. Die Grundidee einer kollektiv schuldigen Freundesgruppe, ...
Handlung: Als erstes Buch von Sharon Bolton, die für ihre psychologischen Thriller gefeiert wird, ist letzte Woche "The Pact" bei mir gelandet. Die Grundidee einer kollektiv schuldigen Freundesgruppe, deren Verbrechen von einer Person verbüßt wird, die dafür 20 Jahre später eine Wiedergutmachung einfordert, klang sehr vielversprechend und wurde auch in einer spannenden und wendungsreichen Geschichte umgesetzt. Letztendlich konnten allerdings der Mittelteil und vor allem das Ende nicht halten, was der temporeiche Einstieg in den Roman versprach. Nach dem Zeitsprung und der Rückkehr Megans aus dem Gefängnis, verliert sich die Geschichte leider in Wiederholungen, die immer mehr Fragen aufwerfen, ohne welche zu beantworten, nur um dann in einem eher beliebigen und schlecht vorbereiteten Ende zu gipfeln. Zwar kann man der großen Wendung definitiv nicht vorwerfen, vorhersehbar gewesen zu sein, ich hätte mir aber eine ganze Handvoll besserer Auflösungen vorstellen können. Denn statt den verstreuten Hinweisen zu folgen und aufzugreifen, was sie zuvor schon in den Raum gestellt hat, hat sich Sharon Bolton für ihre Wendung eine Person herangezogen, auf deren Motive und deren Entwicklung kaum eingegangen wurde, sodass nach dem Ende kaum klar wird, was zu der dargestellten Eskalation geführt hat. Eine richtig gute Wendung ist meiner Meinung nach dadurch ausgezeichnet, dass man leise Hinweise und Andeutungen finden würde, wenn man die Geschichte mit dem neuen Wissen nocheinmal lesen würde, sie aber zu subtil sind, als dass sie einem beim Lesen sofort auffallen würden. Eine überraschende Wendung sollte meines Erachtens so logisch in die Handlung eingegliedert sein, dass man darauf kommen KÖNNTE, da es nicht allem bisher gelesenen widerspricht, sondern die Handlung in ein neues Licht setzt. Das war hier leider nicht der Fall - selbst wenn man mit dem neuen Wissen die Geschichte abermals zur Hand nehmen würde, würde man keine Warnzeichen oder Herleitungen entdecken und abermals unvorbereitet und aus dem Nichts mit der Wendung konfrontiert werden. Ich hätte mir also definitiv noch mehr verstreute Hinweise gewünscht, sodass man im Mittelteil ein wenig mitraten kann.
Schreibstil: Sharon Boltons Schreibstil war recht nüchtern und schmucklos, was sehr gut zu der Geschichte gepasst hat. Sie hat sich hier für eine personale Erzählperspektive mit auktorialen Elementen entschieden, die zwischen den Hauptfiguren wechselt und immer mal wieder eine andere Person in den Fokus nimmt. So bekommen wir einen Einblick in die Leben von allen sechs Figuren und erfahren, was die Situation mit ihnen macht. Auch das bodenständige, leicht düstere Setting der Geschichte passt gut zur Handlung. Die Autorin nimmt in "The Pact" mit nach England in die Umgebung von Oxford und stürzt ihre Figuren zwischen Industrie und Universität, Politik und Kleinbürgerlichkeit, Privilegien und Abgründen in moralische Dilemma, Machtspiele und Rätselraten.
Figuren: Auffallend ist, dass es in "The Pact" keine richtige Identifikationsfigur gibt. Die sechs Freunde haben alle ihre Schwächen und Fehler, haben Schuld auf sich geladen und handeln teilweise fragwürdig, sodass man zwar mit ihnen mitfiebert, sie aber auch beim Lesen ein wenig verurteilt. Etwas seltsam ist außerdem, dass die Figuren auch nach dem Zeitsprung wenig wie Erwachsene und mehr wie die kopflosen Teenager wirkten, als die wir sie im ersten Abschnitt kennengelernt haben. Zudem habe ich Dan, Felix, Talitha, Xav und Amber einige Male durcheinandergebracht. Ein wenig mehr Tiefe und Abgrenzung zwischen den einzelnen Figuren hätten der Geschichte also nicht geschadet. Wie deren Beziehungen, ihre Freundschaft und Loyalität auf die Probe gestellt werden, ist jedoch sehr toll dargestellt. Die Geschichte zeigt, was Menschen bereit sind zu tun, wenn sie unter ausreichend Druck stehen und wie unterschiedliche Personen mit psychologischem Stress und Traumata anders umgehen. Und mit Megan haben wir eine ambivalente Gegenspielerin, die zwischen Opfer, Monster, Verbrecherin, Strippenzieherin und Mastermind changiert und der Geschichte trotz der einzelnen Kritikpunkte die nötige Würze verleiht, um bis zum Ende gespannt am Ball zu bleiben.
Die Zitate:
"A Silence fell, as though Xav had voiced a truth they’d all known but had been keeping hidden; that they had been drawn together by nothing more than a smug acceptance of their shared privilege, that they were none of them particularly nice, certainly not good people."
"When you think you can't possibly be more afraid, you learn that you can be, that there is no limit to fear."
"That summer was a time of neither hope nor promise but of certainty: they were the chosen ones, to whom the world belonged, and their lives, only just beginning, would be long and golden. How very wrong they were."
Das Urteil:
Der psychologische Thriller "The Pact" setzt eine vielversprechende Grundidee spannend und wendungsreich um und erzählt eine atmosphärische Geschichte über Schuld, Loyalität, Freundschaft, moralische Dilemma, Mord, Machtspiele und Rätselraten. Um ein richtiges Highlight zu werden, haben mir allerdings noch mehr Tiefe bei den Figuren, eine bessere Herleitung der finalen Wendung und etwas mehr Abwechslung im Mittelteil gefehlt