Steffi ist Altenpflegerin und gibt einen schönen Einblick in ihren Beruf, den sie liebt – und stellt „ihre Alten“ ebenso vor, die sie im Heim betreut. Es gibt jedoch auch Tage, da möchte sie sich am Liebsten vor den Rollator werfen, eben wenn mal wieder jemand das Gebiss versteckt hat, Bewohner versuchen den Weihnachtsbaumschmuck zu essen – oder eben ähnlichen Dingen, die im täglichen Leben durchaus vorkommen. Sie schildert all dies in einer sehr direkten Art und Weise, man merkt aber auch, dass sie das Herz am rechten Fleck sitzen hat. (Stefanie Mann heißt nicht wirklich so, sondern hat sich diesen Namen als Pseudonym zugelegt. Ihre Arbeitsstätte ist auch nicht die Frankenruh, wie im Buch geschildert, auch sind die einzelnen Personen nicht so direkt vorgekommen, sondern aus einer Sammlung von Personen und Ereignissen aus ihrer Zeit in Altenheimen "entstanden".)
Ich hatte schon eine grobe Ahnung, was mich da beim Lesen wohl so erwartet, und so bin ich mit gemischten Gefühlen rangegangen. Eben einerseits weil ich selbst eine gewisse Erfahrung im Umgang mit dem Altenheim sowie gerade Dementen und alten Menschen gemacht habe, andererseits weil es mich emotional doch auch sehr packen könnte - was das Buch auch durchaus gemacht hat - aber durchaus eben im positiven Sinn.
Die Schilderungen von "Schwester Steffi" sind soweit alle sehr nachvollziehbar, ich fand es vom Sprach- und Lesestil her sehr gut geschrieben, keine großartigen Schachtelsätze, spezielle Begriffe werden im Glossar ganz hinten im Buch noch einmal erklärt. (Wobei die Begriffe sich auch schon im Kontext erschließen lassen und auch da oftmals schon kurz und verständlich erklärt werden.) Von der Sprache her kommt "Steffi", die das Buch ja wohl nicht selbst geschrieben hat, sondern "lediglich" die Erfahrungen und Geschichten Carina Heer mitteilt, die das Ganze dann aufgeschrieben hat, als sehr umgängliche Person rüber. Stefanie Mann kommt in den Schilderungen als durchaus selbstbewusste, aber auch pflege- und berufserfahrene, junge Frau daher und rüber, was ich sehr sympathisch, aber für ihr junges Alter auch bewundernswert finde. Sie wirkt oftmals vielleicht auch ein wenig burschikos bzw. auch robust, wobei man das in diesem Beruf sicher auch sein muss, man darf nicht zu zaghaft bzw. zerbrechlich sein, außerdem auch nicht empfindlich (weder emotional noch körperlich). Dennoch merkt man auch immer wieder wie liebevoll sie mit "ihren Alten" (Alte ist für sie kein Schimpfwort wie es andere ggf. so sehen!) umgeht, wie sie manches auch emotional packt, wie wunderbar sie aber auch gewisse Momente der einzelnen Personen betreut.
Das Buch zeigt durchaus auch die Pflegenotstände und generelle Engpässe in der Pflege auf, was ich einerseits persönlich als schlimm und heftig empfinde - Zeit ist oftmals quasi Mangelware, die Dokumentation der verschiedenen Schritte einer Behandlung nehmen viel Zeit in Anspruch, die man lieber mit der alten Person verbracht hätte - und aber andererseits auch wichtig empfinde, dass es angesprochen wird. Vielleicht wird man ja irgendwann einmal darauf aufmerksam, dass sich hier einiges ändern muss? (mehr Pflegekräfte, mehr Wert auf den Menschen legen zu können als in die Dokumentation einzelner Schritte/der Verwaltung, gerechte Löhne zu zahlen, etc.)
(Vielleicht bin ich da persönlich auch ein bißchen zu nah dran, da ich erlebt habe, wie sich in einem Alten- und Pflegeheim die Situation von "familiär, herzlich und dennoch sauber, korrekt" zu "alles gleich, alles ändern müssen, Bürokratie hoch 10, gemobbten Pflegekräften, wunderbaren Wand-Sprüchen" geändert hat - was nur durch den Wechsel der Heimleitung kam... )
Das Buch hat mich ziemlich gepackt, einerseits konnte ich oftmals auch mitlachen, wenn lustige bzw. kuriose Geschichten erzählt wurden, ich habe hier aus eigenen Besuchen im Heim auch so verschiedene Geschichten miterlebt, die mich heute auch noch schmunzeln lassen; zum Anderen war es für mich auch eine durchaus emotionale Sache, weil der sehr liebevolle Umgang auch in schwierigen Zeiten geschildert wurde - was einen wieder an das Gute im Menschen glauben lässt.
Gerade die folgende Aussage aus dem Buch finde ich absolut gelungen - vielleicht hilft es manchen Menschen ja, dass sie "Demenz" verstehen - und vor allem akzeptieren? (Demenz heißt u.a. auch "Altersblödsinn", "Altersstarrsinn" - was ich aus eigener Erfahrung auch absolut so unterschreiben würde - ohne dass ich dies abfällig meine!!!)
Seite 120
Man muss sich einfach bewusst sein, dass es einem Dementen nicht darum geht, dich zu ärgern. Er hat einfach nur seinen ganz eigenen Plan im Kopf, den du nicht verstehst – und den er häufig selbst nicht begreift.
Ich würde mir wünschen, dass es mehr solche Pflegekräfte wie "Stefanie Mann" gibt, ich habe zwar auch solche Pflegekräfte erlebt, leider aber auch andere, was aber sicher auch am enormen zeitlichen Druck liegt...
Sollte die Autorin dies irgendwie selbst mal lesen, würde ich mich wirklich freuen, wenn Sie Kontakt mit mir aufnimmt, teilweise hatte ich das Gefühl, dass wir im gleichen Pflegeheim unterwegs waren (ich war dort allerdings nur als Besucherin) - und "Stefanie Mann" ist ja wohl aus Franken, was man im Buch immer mal wieder auch "heraus hört". :)
Ich kann diese Lektüre wirklich nur jedem ans Herz legen, spreche eine absolute Empfehlung aus, jeder sollte hier einmal über seinen Tellerrand hinaus schauen, man wird ja auch durchaus gut unterhalten, es sind auch viele lustige und kuriose Situationen im Buch geschildert, ebenso sind andere wieder sehr emotional. Alles in allem ist es eben ein Buch, das einen guten Einblick in den Alltag in einem Alten-Pflegeheim gibt und dennoch nicht nur fachlich, sondern eben auch menschlich und emotional geschrieben ist. Von mir gibts dafür 5 von 5 Sternen.
verfasst April 2015