Die Gehilfin des Buchdruckers
„Ich werde etwas tun, das die Welt verändert. Etwas Bedeutendes. Gib deine Träume nie auf. Dies Buch gibt Zeugnis.“ (Peter Schöffer)
Im Prolog wird von der Entdeckung eines Achtbriefes in einer sehr alten, ...
„Ich werde etwas tun, das die Welt verändert. Etwas Bedeutendes. Gib deine Träume nie auf. Dies Buch gibt Zeugnis.“ (Peter Schöffer)
Im Prolog wird von der Entdeckung eines Achtbriefes in einer sehr alten, englischen Bibel aus dem Jahre 1495 berichtet, ausgestellt auf einen gewissen Lucas Heller, der die Neugierde einer Mitarbeiterin des Archivs der Landesbibliothek Stuttgart weckt. Die junge Frau ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, welch außerordentliche Rarität sie entdeckt hatte, dessen Wert sich auf etwa eine Million Pfund beziffert.
In Laubenheim in der Pfalz taucht im September des Jahres 1496 ein breitschultriger Fremder mit ungewöhnlichen blaugrünen Augen auf, der sich als Lucas Strom vorstellt und fortan als Knecht für den Bauern Joest Wirt arbeitet. Gleich nebenan wohnt Lisbeth Mergel, eine junge Leibeigene des Grundherren Ritter Gerold von Laubenstein, deren einziger Bruder gestorben ist und deren Vater schwer krank dahinsiecht. Als eine der ärmsten Bauerntöchter im Dorf erfuhr Lisbeth keine Bildung, musste ihr ganzes Leben lang schwer arbeiten und die Armut und Ausweglosigkeit ihrer Situation werden ihr schonungslos vor Augen geführt, als ihr Vater schließlich stirbt.
In Mainz begehrt Peter Schöffer Senior gegen die wirtschaftliche und persönliche Vereinnahmung seiner Druckerei durch die Zunft auf, dies vor allen Dingen, um seinem Sohn Peter Schöffer Junior eine sorgenfreie Zukunft als selbständiger Drucker zu ermöglichen. Als ehemaliger Geselle des berühmten Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, liegt Peter Schöffer dieser Beruf im Blut, druckte er doch die berühmten Bibeln in Latein.
Auf der Burg Laubenstein führt der Burg Erbe Ritter Gerold von Laubenstein ein strenges Regiment, während sein Bruder Heinrich erwägt, sein Studium in Heidelberg aufzugeben, um Mönch zu werden. Heinrichs Ziel ist das Augustiner-Eremiten-Kloster in Worms, in das er mit dem Segen seines Bruders schließlich eintritt. Doch der stille, bedachte und kluge Heinrich begehrt gegen die Arroganz Roms auf…
Stephanie Rapp erzählt in diesem beinahe 550 Seiten füllenden Roman ein wunderschönes Familienepos vor dem Hintergrund der Reformation. Inhalt und Schreibstil vermochten es, mich zu fesseln, in den Bann zu ziehen und vollständig ins Geschehen eintauchen zu lassen. Auf diese Weise ermöglichte sie es mir, historische Begebenheiten mitzuerleben, Geschichte wirklich zu „fühlen“. Die Autorin hat die Geschicke der Familie Strom eng mit weltbewegenden Veränderungen in Deutschland um 1500 verwoben, wo ein mutiger Mönch namens Martin Luther Weltgeschichte schrieb. Anhand der genannten Protagonisten und vieler, höchst lebhaft gezeichneten Nebenfiguren durfte ich die schwierigen Lebensbedingungen der Menschen am Ende des Mittelalters nachempfinden, erhielt kleine Einblicke in das Raubrittertum, erfuhr schreckliche Details über die Bedeutung der Leibeigenschaft für den Bauernstand, erahnte ansatzweise die fürchterliche Angst der Menschen vor dem Fegefeuer, das vom Klerus noch geschürt wurde und wo durch den Ablasshandel Menschen oft um das Wenige gebracht wurden, das sie noch besaßen. Die vorherrschende Ordnung „Klerus – Adel – Bauern“ zu hinterfragen war gefährlich, stetes gegenseitiges Beobachten und Denunzierung sollte die Moral der Bevölkerung erhalten, gerichtliche Willkür und Folter waren an der Tagesordnung.
„Die Gehilfin des Buchdruckers“ zu lesen war für mich nicht nur eine Bereicherung in Form einer berührenden Familien- und Liebesgeschichte, es war vielmehr auch ein tiefes Eintauchen in längst vergangene Zeiten, die wir uns kaum noch vorstellen können. Man liest von mutigen Männern dieser Zeit wie beispielsweise Dr. Martinus Luther, der durch seine Reformation Weltgeschichte schrieb. Oder aber von William Tyndale, einem Engländer, der sein Leben aufs Spiel setzte, um die Bibel drucken zu lassen und auf diese Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Tyndales Bestreben war es, dass „in seinem Lande jeder Bauer am Pflug das Wort Gottes kennen möge“. Sein „Werkzeug“ war dabei der Drucker Peter Schöffer, dessen Lebensgeschichte die Autorin mit ihrer Familiensaga verwob.
Ich durfte fesselnde Stunden mit der Lektüre dieses beeindruckenden Buches erleben, das ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Nach dem Umblättern der letzten Seite verspürte ich einen neuen, großen Respekt vor längst vergangenen Kämpfen der Vergangenheit, die es jedem Einzelnen von uns möglich machte, Zugang zur Bibel zu erhalten und die Heilige Schrift selber lesen zu dürfen.