Fesselnder Krimi, der zum Nachdenken anregt
„Oberland“ ist der zweite Kriminalroman der Autorin Tanja Weber, in dem der Postbote Johannes Stifter eine tragende Rolle hat.
Stifter hat sich nach seiner Versetzung gut in der oberbayerischen Kleinstadt ...
„Oberland“ ist der zweite Kriminalroman der Autorin Tanja Weber, in dem der Postbote Johannes Stifter eine tragende Rolle hat.
Stifter hat sich nach seiner Versetzung gut in der oberbayerischen Kleinstadt Lohdorf eingelebt und genießt das beschauliche Leben. Tag für Tag trägt er die Post aus in der alten wohlhabenden Villengegend des Orts, in der sich viele Rentner und Pensionäre zur Ruhe gesetzt haben. Nach und nach fallen ihm er Dinge auf, die ihn eigentlich nichts angehen, und die ihn doch nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Denn auch hier in der vermeintlichen Idylle lauern hinter den bröckelnden Villenfassaden das Böse und ungeahnte menschliche Abgründe – Neid, Hass, Verfall, Existenznöte, ja sogar Geldgier prägen den Alltag einiger Bewohner. In dieser unheilvollen Stimmung lässt auch ein skurriles Verbrechen nicht lange auf sich warten, das bald außer Kontrolle gerät, und unabsehbare Verwicklungen und Folgen für alle Beteiligten hat!
Die alte Adlige Gudrun von Rechlin und das bedrückende Schicksal ihrer alkoholkranken, tablettensüchtigen Tochter Annette erregen Stifters Aufmerksamkeit. Rund um das Anwesen der Rechlin häufen sich merkwürdige Ereignisse, die von den Anwohnern zunächst unbemerkt bleiben. Allmählich beschäftigen die Geschehnisse Postbote Stifter jedoch immer mehr und er weiht seinen alten Freund, den pensionierten Kommissar Thalmeier in seine Beobachtungen ein.
Bei dem vorliegenden Kriminalroman handelt es sich weniger um einen witzigen, unterhaltsamen Regionalkrimi zum Miträseln. In seinem Mittelpunkt stehen eher eine psychologisch geschickt angelegte Studie eines Verbrechens und die Analyse der unterschiedlichen Beweggründe, der am Verbrechen beteiligten Personen.
Sehr gelungen ist die eindringliche Schilderung der Ausgangssituation aus den verschiedenen Perspektiven. Es wird eine spannende Atmosphäre heraufbeschworen, die uns Leser immer mehr in den Fall hineinzieht und erst langsam die ganzen Ausmaße der Katastrophe für die einzelnen Figuren erahnen lässt.
Die kaltherzige, skrupellose Gudrun von Rechlin als egozentrische, geldgierige Adlige kurz vor dem finanziellen Ruin, die einen grenzenlosen Hass auf ihre unfähige Tochter und auf das ungerechte Leben im allgemeinen entwickelt hat. Ein Hass, der sie dazu angetrieben hat, einen betrügerischen Finanzberater mit Hilfe eines ebenfalls Geschädigten zu entführen und im Keller unter unwürdigen Bedingungen festzuhalten, um das verlorene Vermögen zurückzubekommen.
Sehr fesselnd werden die unheilvollen, teilweise überraschenden Entwicklungen des Falles erzählt bis hin zur seiner Auflösung am Ende, bei dem auch einige Fragen offen bleiben.
Sehr überzeugend ist die detailreiche und einfühlsame Charakterisierung der verschiedenen Figuren. Erschütternd authentisch ist das gezeichnete Bild der vereinsamten, alkoholkranken Tochter Annette gezeichnet. Auch Stifter als rundum sympathischer Protagonist ist ein ansprechender vielschichtiger Charakter – ein gescheiterter Akademiker, der als Postbote seinen Lebensunterhalt bestreitet und zufrieden ist mit seinem neuen Leben. Als einfühlsamer Menschenfreund und aufmerksamer Beobachter ist er an der Auflösung des Falls eher passiv beteiligt, was ihn umso liebenswerter macht.
Ich freue mich schon auf einen neuen Fall mit ihm!
FAZIT
Oberland ist ein toll geschriebener, fesselnder Kriminalroman, der zum Nachdenken anregt! Sehr lesenswert!