Cover-Bild Jahrhundertzeugen
19,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Heyne
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 31.10.2016
  • ISBN: 9783453201248
Tim Pröse

Jahrhundertzeugen

Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler. 18 Begegnungen
Ob Widerstandskämpfer oder Holocaust-Überlebende – die Lebenswege dieser besonderen Menschen beeindrucken gerade in unserer so unruhigen heutigen Zeit. Denn sich gegen Hitler zu stellen, seine Schreckensherrschaft zu überleben und trotzdem nicht mit dem Schicksal zu hadern, sondern immer wieder aufzustehen, dem Leben positiv und mit einem großen Ja zu begegnen, macht Mut für den Umgang mit Terror und Krieg, Flucht und Vertreibung – Themen, die heute wieder von bedrückender Aktualität sind. Tim Pröse hat einige dieser letzten Zeugen über viele Jahre begleitet und erzählt in 18 eindrucksvollen Porträts von ihrem Leben und ihrer Botschaft: ein Plädoyer der Unangepassten für mehr Toleranz und gegen das Vergessen!

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2017

Wo Schatten ist, ist auch Licht - Die stillen Helden des Holocausts

0

Der Journalist Tim Pröse fing schon als Kind an, sich mit der schweren Thematik des Holocausts auseinander zu setzen. Er hat im Laufe der Jahre mit zahlreichen Zeitzeugen und deren Nachfahren geredet, ...

Der Journalist Tim Pröse fing schon als Kind an, sich mit der schweren Thematik des Holocausts auseinander zu setzen. Er hat im Laufe der Jahre mit zahlreichen Zeitzeugen und deren Nachfahren geredet, teilweise über Jahre hinweg ihre Lebenswege verfolgt. Herausgekommen ist dieses wunderbare Buch mit 18 spannenden Porträts.

Hier werden Menschen gezeigt, die den Krieg hautnah miterlebt haben und laut Tim Pröse echte Helden sind. Viele von ihnen wollten nie Helden sein und sehen sich auch nicht so. Manche hatten keine Wahl, versuchten einfach nur zu überleben, wie das Holocaust-Opfer Yehuda Bacon oder der Wehrmachtssoldat Hans-Erdmann Schönbeck. Andere traten dem Nazi-Regime offen entgegen und ließen dafür ihr Leben, wie die Geschwister Scholl oder die Hitler-Attentäter Stauffenberg und Elser. Für diejenigen, die damals den Terror nicht überlebten, sprechen Familiemitglieder und Freunde.

Was man hier liest, ist keine leichte Kost. Lässt man sich auf das Buch ein, wird man emotional stark mitgerissen. Ich habe mehrere Wochen an diesem Buch gelesen, denn vieles wirkt noch lange nach und man muss das Gelesene mitunter erstmal verdauen.

Da sind die Erlebnisse von KZ-Häftlingen und Soldaten, die um das nackte Überleben kämpften und Dinge schildern, die man sich heute nicht in seinen schlimmsten Albträumen vorstellen kann. Ich habe oft vor Schreck die Luft angehalten oder konnte meine Tränen kaum zurückhalten. Und dann gibt es diejenigen, die sich in dieser Hölle ihre Menschlichkeit bewahrt haben und für ihre Ideale und das Leben anderer Menschen alles riskiert haben, obwohl sie es einfacher hätten haben können, da sie Arier waren. Dies erfüllte mich mit tiefem Respekt. Diese Helden zeigen, dass es auch immer Licht gibt, wo Schatten ist.

Wenn man über das, was die Menschen im Weltkrieg erleben mussten, liest, kommen einem die eigenen Sorgen klein und unwichtig vor. Stress auf der Arbeit, Streit mit dem Partner, finanzielle Sorgen - all das ist nichts gegen die Gräuel, die Millionen Menschen damals erleiden mussten. Wir sollten dankbar sein, dass wir in Frieden und Freiheit leben dürfen und mithelfen, dass sich solche schrecklichen Dinge nicht mehr wiederholen. Denn ich war etwas schockiert über das abschließende Kapitel, in dem der Autor einen Blick auf die Situation heute wirft, wie mit dem Andenken an den Holocaust und seine Opfer umgegangen wird und wie stark der Antisemitismus auch heute noch in Deutschland und anderen Ländern präsent ist. Das finde ich erschreckend.

Trotz der schweren Thematik ließ sich das Buch dank des angenehmen und lebendigen Schreibstils sehr flüssig lesen. Ich hätte mir nur mehr Bilder gewünscht, habe aber auch vieles noch im Nachgang selbst weiter recherchiert. Hierfür ist auch die Literaturliste im Anhang nützlich.

Besonders schön fand ich, dass man Pröses Bewunderung und Sympathie für die Porträtierten richtig spürt. Er schafft Emotionen, ohne pathetisch zu werden, obwohl oder auch weil er sich selbst emotional auf diese Menschen einlässt, sie gerne ein Stück ihres Lebensweges begleitet, mit ihnen in die Vergangenheit reist und ihnen mit Respekt und Ehrfurcht begegnet. Man spürt seine Dankbarkeit, diese besonderen Menschen kennenlernen zu dürfen, und dies überträgt sich auf den Leser. Ich persönlich empfinde diese hier so liebevoll aufgezeichneten Begegnungen als etwas ganz Besonderes und kann "Jahrhundertzeugen" jedem wärmstens ans Herz legen.

Veröffentlicht am 19.01.2017

Ein wertvolles Zeitdokumtn

0

Jahrhundertzeugen ist ein Buch, das ich nicht einfach so mal schnell runterlesen konnte. Man muss die 18 Geschichten langsam lesen, sie auf sich wirken lassen. Das verflixte dabei ist, dass sie dann noch ...

Jahrhundertzeugen ist ein Buch, das ich nicht einfach so mal schnell runterlesen konnte. Man muss die 18 Geschichten langsam lesen, sie auf sich wirken lassen. Das verflixte dabei ist, dass sie dann noch mehr ihr Grauen entfalten. Ich muss gestehen, dass ich an einigen Geschichten schwer zu knabbern hatte. Dennoch: Dieses Buch muss von vielen Menschen gelesen werden!

Tim Pröse schreibt unheimlich sensibel über die Geschichten von Anne Frank, Kurt K. Keller, Hand Rosenthal, Sophie Scholl und vielen anderen.

Ich habe den größten Respekt vor den Menschen, die in diesem Buch zu Wort kommen. Einige sind inzwischen verstorben. Sie waren wirkliche Helden, aber das interessante ist, dass sie alle, sich selbst nicht als Helden sehen und auch nicht so bezeichnet werden wollen. Berthold Beitz sagte z. B. „Die Leute wollen mich zum Helden machen. Aber ich war keiner. Ich bin ein Mensch gewesen.“ (S. 45). Also, ganz ehrlich. Wer sich mutig an den Bahnsteig stellt und der SS die jüdischen Menschen quasi entreißt, um diese bei sich in der Fabrik zu beschäftigen und ggfls. zu verstecken. Der darf durchaus als Held bezeichnet werden. Nicht viele hatten und hätten den Mut dazu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Mut nicht aufbringen würde. Was aber auch immer wieder durchdringt ist, dass einige von ihnen Angst hatten. Angst zu versagen, Angst vor Repressalien, Angst vor dem Tod. Und genau das macht sie in meinen Augen noch mutiger. Denn, die Angst um das eigene Leben für das Leben von Tausenden zu überwinden… wenn das nicht Mut ist, dann weiß ich auch nicht.

Tim Pröse schafft es immer wieder, den Bogen von einem zum nächsten Interview zu schlagen. Es kommen die Widerstandskämpfer und die Holocoust-Überlebenden selbst zu Wort, oft berichten aber auch Freunde oder Verwandte, der bereits verstorbenen Widerstandskämpfer. Sei es die Schwester von Sophie Scholl oder der Sohn und die Enkelin von Wilm Hosenfeld. Ich muss gestehen, dass mir viele der Namen bis zu diesem Buch nichts sagten, aber, jede der hier interviewten oder porträtierten Personen hat seine ganz eigene, sehr spannende Geschichte.

Ich kann gar nicht so viel über dieses Buch sagen, außer, dass ihr es unbedingt lesen müsst. Hier geht es wirklich um Menschen, die sich mutig für andere Menschen eingesetzt haben, die in Zeiten absoluter Unmenschlichkeit ihre eigene Menschlichkeit nicht nur nicht vergessen, sondern ausgelebt haben. Dabei fand ich sehr spannend, dass bei Weitem nicht alle von Anfang an Widerstandskämpfer waren, sondern teilweise sogar jubelnd mit in den Krieg gezogen sind. Ihnen allen ist aber wieder gemeinsam, dass ihnen nach und nach die Augen geöffnet wurden und sie den Drehpunkt gefunden haben.

Ewald-Heinricht von Kleist sagte gegenüber Tim Pröse: „Man muss immer das Richtige tun. Mehr kann man ja nicht.“ (S.142) Ich denke, dass wir alle genau wissen, wie schwierig es ist, immer das Richtige zu tun. Diesen Satz sollten wir alle uns also ganz groß einrahmen. So einfach gesagt, so schwer umzusetzen und doch so essentiell wichtig.

Mich persönlich hat am meisten die Geschichte von Georg Elser beeindruckt. Ein einfacher Handwerker, der den Mut aufgebracht hat, eine Bombe zu bauen und diese in Bürgerbräukeller zu platzieren. Er zeigt, dass auch der Einzelne, der kleine Mann, den Mut aufbringen kann, die Welt zu verändern. Auch, wenn es ihm knapp nicht gelungen ist, so verdient er größten Respekt.

Ich war erstaunt darüber, wie oft versucht wurde Hitler zu töten und wie oft es nur um wenige Augenblicke nicht geklappt hat und muss gestehen, dass mir das bisher gar nicht so bewusst war.

Ich kann euch dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen. Gerade in der heutigen Zeit wird es wieder enorm wichtig genau diese Geschichte nicht vergessen zu lassen. Wir steuern im Moment auf Zeiten zu, die mich besorgt machen, die mir Angst machen und ich denke, dass es extrem wichtig ist, dass wir uns alle vor Augen führen, dass so etwas nie wieder passieren darf. Wir alle müssen uns ein Beispiel an diesen Menschen nehmen. Nicht wegschauen, den Mund aufmachen, dafür sorgen, dass wir auch weiter in einem demokratischen Land leben dürfen. Eine schwere Aufgabe!

Von mir gibt es verdiente 5 Sterne für ein Zeitdokument, das sehr einfühlsam, aber mit genügend professionellem Abstand von Tim Pröse verfasst wurde.