Die Bestimmung ist ein unheimlich fesselnder Jugendroman, der sich trotz seiner Länge von fast fünfhundert Seiten total schnell lesen lässt. Die dystopische Zukunft, die Veronica Roth kreiert hat, ist interessant und in vielerlei Hinsicht unterscheidet sich diese Welt sehr von der uns bekannten, in manchen Punkten aber auch nicht. Besonders die fünf Fraktionen, die teilweise sehr unterschiedlich sind, teilweise aber auch viel gemeinsam haben, sind sehr faszinierend. Eigentlich wurden sie geschaffen um weitere Kriege zu verhindern, aber auch sie können auf Dauer keinen Frieden bewahren und auf Abwege kommen. Vor allem die Tatsache, dass Mitglieder unterschiedlicher Fraktionen keinen engen Kontakt zueinander haben sollen, trägt nicht gerade zum Frieden bei, sondern vergrößert nur die Kluft zwischen ihnen.
Manche Fraktionen, insbesondere Ferox und Altruan, lernt man sehr gut kennen, über andere, z.B. Amite, erfährt man dagegen leider nur sehr wenig. Hoffentlich werden die restlichen Fraktionen in den Fortsetzungen dann näher beleuchtet.
Faszinierend sind auch die verschiedenen Charaktere, die wirklich sehr facettenreich sind, insbesondere Beatrice bzw. Tris, wie sie sich bei den Ferox nennt, Four, Eric, Tris’ Eltern und Caleb. Viele von ihnen sind, gerade zu Beginn der Handlung, wirklich schwer zu durchschauen und vor allem die Mitglieder von Tris’ Familie sind des Öfteren für eine Überraschung gut.
Die wohl interessanteste Figur, neben der Protagonistin, ist der geheimnisvolle Four. Er ist sehr vielschichtig und zeigt immer wieder eine andere Seite von sich. Er ist sehr intelligent, aber hat, trotz der Härte, die er manchmal ausstrahlt, ein gutes Herz.
Tris selbst ist von Anfang an sehr sympathisch. Durch die Ich-Perspektive ist man ihr sehr nahe und fühlt sich mit ihr verbunden. ‚Unbestimmt’ zu sein mag in ihrer Welt zwar negativ belastet sein, sie und die anderen Unbestimmten machen allerdings besonders deutlich, dass ein Mensch niemals nur eine Eigenschaft in sich trägt, sondern immer mehrere vereint, die teilweise miteinander verschmelzen oder auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Kein Mensch ist vollkommen und daher kann auch niemand alle Ideale einer Fraktion erfüllen, zumal manche Traditionen – z.B. dass die Altruan sich nur alle paar Monate im Spiegel anschauen dürfen – nur schwer Sinn ergeben.
Man kann gut verstehen, dass es ihr schwer fällt eine Fraktion zu wählen, denn wer möchte schon mit sechzehn entscheiden, wie das ganze restliche Leben verlaufen soll oder sogar seine Familie verlassen, obwohl man nur einen tieferen Einblick in das Leben der Fraktion erhalten hat, in der man wegen der Eltern aufgewachsen ist, und nicht wirklich viel über das innerhalb der anderen weiß?
Im Endeffekt hat Tris aber wohl die richtige Wahl getroffen, denn auch wenn das Leben bei den Ferox sehr hart und gefährlich sein kann, ist es dafür nicht so voller Entbehrungen wie das der Altruan und sie wächst an den Herausforderungen. Sie entwickelt sich weiter und wird stärker. In der Angstlandschaft möchte man zwar nicht unbedingt in ihrer Haut stecken, aber Tris hat nun mal nicht den leichtesten Weg gewählt und beweist damit allein schon viel Mut. Außerdem ist sie sehr willensstark, was vermutlich die Hauptursache dafür ist, dass sie so gefährlich für die Anführer ist, die natürlich lieber willenlose, schwache Mitglieder wollen, die sie einfach kontrollieren können. Doch Tris mag zwar klein und schwach aussehen, aber innerlich ist sie eine sehr starke Persönlichkeit und einen ziemlich ausgeprägten Beschützerinstinkt.
Letzteres gilt aber wohl auch für Four, was vielleicht auf ihre gemeinsame Verbindung zu den Altruan zurückzuführen ist. Ihre Beziehung zueinander sorgt für einen gewissen Anteil an Romantik in der Geschichte und ist durch ihre langsame Entwicklung, die ihre Lebe wesentlich glaubwürdiger macht, sehr schön zu beobachten.
Die Handlung ist durchgängig sehr spannend. Zum einen durch Tris’ Erlebnisse bei den Ferox und die Frage, ob sie die Initiation schafft und zum anderen durch die Konflikte bzw. Unruhen zwischen den Altruan und den Ken, die sich schließlich immer weiter zuspitzen.
Der eigentliche Höhepunkt kommt sehr überraschend und überrumpelt den Leser regelrecht, weil man einfach noch nicht so schnell mit diesem Verlauf gerechnet hat. Das Ende ist zwar kein richtiger Cliffhanger, aber immer noch so offen gehalten, dass man die Fortsetzung kaum erwarten kann. Potenzial für den zweiten Band gibt es auf jeden Fall genug und obwohl man Spekulationen darüber anstellen kann, was dann passieren wird, kann man sich trotzdem keine genaue Vorstellung davon machen, wie es wirklich weiter geht, weil die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt sind.
FAZIT
Mit Die Bestimmung ist Veronica Roth ein wahrhaft grandioses Debut gelungen, das einfach rundum perfekt ist. Es ist ein Serienauftakt, dessen Fortsetzung man nach der letzten Zeile kaum noch erwarten kann. Das Buch bietet dem Leser wirklich alles, was er sich von diesem Buch erhofft hat, wenn es die Erwartungen nicht sogar noch übertrifft!