Vergebung als Chance
Cover:
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Das Cover kann vielfältig interpretiert werden mit dem dunklen Rot als Symbol für Liebe und Blut/Leid gleichermaßen. Vergebung ist gelb leuchtend und scheint hervor. Sie befindet ...
Cover:
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Das Cover kann vielfältig interpretiert werden mit dem dunklen Rot als Symbol für Liebe und Blut/Leid gleichermaßen. Vergebung ist gelb leuchtend und scheint hervor. Sie befindet sich im Herz, das von Stacheldraht eingezäunt ist. Für mich eine passende Symbolisierung des Aspekts, dass man vergeben will, die Gefühle aber noch gefangen sind. Mir fiel das Buch durch seine warmen Farben auf, die stimmig zum Titel und Inhalt sind.
Inhalt:
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Das Wort Vergebung kommt immer wieder in der Bibel vor. Christen sollen einander vergeben und wollen es vielleicht auch. Wir bitten Gott, uns zu vergeben "wie auch wir vergeben unsern Schuldigern" im Vaterunser. Doch was bedeutet Vergebung? Heißt Vergebung auch Versöhnung? Wie gehe ich damit um, wenn ich weiß, dass ich vergeben sollte oder es im Kopf will, meine Gefühle aber nicht mitspielen? Der Autor nimmt sich des Themas ganzheitlicher Vergebung an, die Gefühle müssen ernst genommen werden. Herr Weber nimmt den Leser an der Hand und stellt konkrete, praktische Beispiele vor, wie Vergebung und das Danach aussehen kann.
Mein Eindruck:
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Zu Anfang widmet sich der Autor generell dem Thema Vergebung und der Abgrenzung zur Versöhnung. Dabei hat er mich direkt mitgenommen, da er den Menschen da abholt, wo er steht: beim Zweifel. Jeder Christ weiß, dass er vergeben soll, gleichwohl besteht da das Schamgefühl, weil man nicht kann (gefühlsmäßig), weil man zu verletzt ist oder man will nicht, weil der eigene Gerechtigkeitssinn dagegen spricht. Herr Weber hilft dabei zu verstehen, dass Vergebung weniger dem anderen, dem "Täter" hilft als vielmehr einem selbst, dem "Opfer". Vergebung macht frei, sich von der Vergangenheit zu lösen, um sich weiterentwickeln zu können. Dabei ist immer wieder wichtig: "Vergebung verträgt keinen Zwang, kein Muss [...]"(S.26). Aber wenn man sich entscheidet, zu vergeben: "Das Denken kann und muss die Gefühle tragen, nicht die Gefühle die Entscheidung. Aber die Gefühle sind da, sie wollen getragen werden und sind am Vergebungsgeschehen intensiv beteiligt." (S.26) Vergebung ist der erste Schritt, danach kann eine Versöhnung erfolgen, ist aber nicht immer die beste Lösung.
Diese Gedankengänge untermauert der Autor mit vielen Beispielen aus seiner langjährigen Praxis als Seelsorger und Supervisor. Besonders ziehen sich 3 Patientenfälle durch dieses Buch, bei denen der Autor Schritt für Schritt zeigt und erläutert, wie Vergebung und ggf. Versöhnung gelingen kann. Dabei geht es jeweils um seelische Verletzungen in der Kindheit, im Jugendalter und im Erwachsenenalter.
Mir gefiel es sehr gut, wie behutsam der Autor dabei vorgegangen ist, ohne erhobenen Zeigefinger. Dem Autor ist wichtig, keine Klischees zu bedienen und den Leser anzuregen, darüber nachzudenken, was zu ihm passen könnte. Vergebung ist eine Chance für sich selbst, kein Zwang, der bei Nichterfüllung gestraft wird. Wer vergeben kann, hat die Chance sich von einer Raupe in einen wunderschönen Schmetterling zu verwandeln. Diese Metapher gefiel mir besonders gut. Dabei geht es zum einen darum, anderen zu vergeben, aber auch man selbst kann sich im Wege sein. Ein sehr wichtiger Aspekt, an den ich bei dem Titel nicht direkt gedacht habe. In dem Kontext wird dann auf die Transaktionsanalyse mit Kind-Ich, Eltern-Ich und Erwachsenen-Ich eingegangen. Diese Differenzierung war mir zwar bekannt, aber die Sitzungsbeispiele, in denen u. a. Elemente der Gestalttherapie in Form von imaginären Gesprächen und Briefen angewendet werden, veranschaulichten die Theorie sehr gut. Schön dabei war auch, dass immer versucht wurde, den "Täter" nicht als "den Bösen" abzustempeln, sondern genau hinzusehen und sich in beide hineinzuversetzen.
Nach der Vergebung hört es jedoch nicht auf, es KANN eine Versöhnung stattfinden als Schritt in eine neue, bessere Beziehung. Aber auch hier ist dies kein Muss, auch eine Distanz zum "Täter" kann sinnvoll sein. In dem Kontext ermutigt der Autor u. a. die Gemeinde dazu, tolerant mit dem Thema Scheidung umzugehen, was mich positiv überrascht hat. Und auch auf das Thema Rückschläge bei Veränderungen geht der Autor ein, ein sehr menschliches Problem.
Obwohl dieses Buch mit seinen knapp 160 Seiten sehr schlank wirkt, empfand ich es als so gehaltvoll und hilfreich, dass es mir schwerfällt, alle Aspekte hier zu erwähnen. Man merkt dem Autor einfach an, dass ihm die Menschen am Herzen liegen und er schon jahrelange Praxiserfahrung hat. Er nimmt den Leser bei der Hand, führt ihn behutsam durch die Schritte der Vergebung, greift etwaige Zweifel auf und zeigt Alternativwege auf. Er zwingt nicht auf, sondern ermutigt, sich selbst Gedanken über den eigenen Weg zu machen und gibt Hilfestellungen und Literaturtipps, wie man ihn gehen kann. Ein kleines, aber feines Büchlein, dass ich mir sicherlich noch öfter vornehmen werde!
Fazit:
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Praxisnahe Hilfestellung zur ganzheitlichen Vergebung als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung - sehr empfehlenswert!