Absolute Leseempfehlung - historisch und als Geschichte interessant
Was Eva Neiss hier gelingt, findet man leider nicht so oft. Sie schafft es, sowohl Zeitgeschichte, Medizingeschichte und persönliche Schicksale so miteinander zu verweben, dass man unweigerlich in die ...
Was Eva Neiss hier gelingt, findet man leider nicht so oft. Sie schafft es, sowohl Zeitgeschichte, Medizingeschichte und persönliche Schicksale so miteinander zu verweben, dass man unweigerlich in die Geschichte um die beiden Schwestern Ada und Hannah gezogen wird, mit den beiden mitleidet und mitfiebert und mithofft. Hinzu kommen viele Fakten, die auch der heutigen Generation plastisch vor Augen führen, wie perfide das System des 3. Reiches überall auf der Welt gewirkt hat. Besonders interessant ist allerdings die Geschichte der Neonatologie. Wer weiß denn schon, wie in den 1930/40er Jahren mit Frühgeburten umgegangen wurde? Dies alles wird durch die Geschichte der beiden Schwestern zum Leben erweckt. Wobei ich sagen muss, dass mir sowohl Hannah als auch Ada als Persönlichkeit nicht wirklich ans Herz gewachsen sind, denn hier gibt es für meinen Geschmack zuviel Schwarz-Weiß-Malerei: Hannah, die für alles und jeden Sorgende, es jedem Recht machen Wollende, so richtig altruistisch; Ada, die ältere Schwester, der absolute Gegenentwurf, fast schon bis zur Egozentrik gemalt. Da gefallen mir die "Nebenfiguren" besser, denn diese Charaktere finde ich wesentlich nuancierter dargestellt - also mit Ecken, Kanten und Brüchen. Man kann auch sagen, die beiden Hauptdarstellerinnen sind zum einen so gezeichnet, wie man vermutlich selbst gern wäre (Hannah) bzw. nicht sein möchte (Ada), während die anderen Figuren alles aus dem Farbspektrum zwischen Weiß und Schwarz widerspiegeln.
Nicht unterschlagen werden darf der unaufgeregte und doch in die Geschichte ziehende Schreibstil von Eva Neiss. Das macht das Buch zu einem wahren Lesevergnügen, denn die Geschichte ist logisch aufgebaut und wartet mit unerwarteten Wendungen auf, die dennoch folgerichtig sind. Also von langweilig keine Spur. Und um es noch einmal deutlich zu sagen: das Buch ist sowohl medizingeschichtlich als auch zeitgeschichtlich hervorragend recherchiert. Man kann als geneigte/r Leser/in also wirklich viel lernen, ohne dass das Buch jemals belehrend wirkt. Alles da, um mal für eine Zeit einfach abzutauchen.
Dies alles zusammen genommen bringt mich dazu, "Das Leben in unseren Händen" von Eva Neiss aus vollem Herzen zu empfehlen. Volle Punktzahl! (ach ja, ich werde ganz sicher auch noch andere Bücher von der Autorin lesen)