Ungewöhnliche Frauenschicksale in unruhigen Zeiten
In ihrem Buch “Die Mitford Schwestern” hat die bekannte amerikanische Autorin Marie Benedict (Frau Einstein, Lady Churchill, Mrs. Agatha Christie) den sechsten Band ihrer Reihe über starke Frauen im Schatten ...
In ihrem Buch “Die Mitford Schwestern” hat die bekannte amerikanische Autorin Marie Benedict (Frau Einstein, Lady Churchill, Mrs. Agatha Christie) den sechsten Band ihrer Reihe über starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte vorgelegt. Auf dem Cover des Buches sehen wir vier der Mitford Schwestern: Die Schriftstellerin Nancy Mitford, die schöne, kühle Faschistin Diana Mitford, Unity Mitford, bereits in ihrer Jugend dem Faschismus und Hitler verfallen und Pamela Mitford, die das Landleben liebte.
Die Familie Mitford gehört dem englischen Hochadel an, der Vater ist Mitglied im House of Lords, zwar durch schlechte wirtschaftliche Verhältnisse und geschäftliche Fehlentscheidungen nicht mehr reich, aber durchaus noch wohlhabend. Das Buch schildert als biografischer Roman, der sich weitgehend an den Lebensläufen der Hauptprotagonistinnen orientiert, die Zeitspanne zwischen den Jahren 1932 und 1941, das Aufkommen des Faschismus und des Nationalsozialismus vor der Kulisse einer politisch zerstrittenen Familie.
Nancy Mitford ist eine der Hauptfiguren des Buches, Schriftstellerin mit persönlich schwierigem Schicksal. Sie erkennt die Gefahr, die von faschistischen Strömungen ausgeht und versucht, diese durch Sarkasmus und Humor in ihren Werken bloßzustellen. Dabei nimmt sie aber immer wieder auf die familiären und politischen Auswirkungen, insbesondere auf ihre Schwester Diana, Rücksicht. Denn Diana ist glühende Faschistin und hat etwas, das Nancy sich sehnlichst wünscht: Kinder. Im Verlauf der Geschichte wird Nancy vor der schwierigen Entscheidung stehen, im Dienste ihres Landes als Denunziantin zu fungieren. Im Buch ist Nancy die Ich-Erzählerin, die Leben der anderen Protagonistinnen werden von Marie Benedict in kurzen Kapiteln in der dritten Person beschrieben.
Diana Mitford, verheiratet mit dem Brauereierben Bryan Guinness und Mutter zweier Söhne, lässt sich entgegen den Konventionen ihrer Zeit scheiden, denn sie ist dem Faschistenführer Mosley, genannt M., verfallen. Geblendet vom Charisma des Mannes und der Erotik der Macht würde Diana alles tun, um seiner faschistischen Bewegung, der BUF, zu Macht und Einfluss zu verhelfen. Durch ihre Obsession für M. nimmt sie auch die Demütigung in Kauf, dass sie nur seine Geliebte ist und M. seine Frau nicht verlassen wird. Als diese verstirbt, muss sich Diana M. noch mit der Schwester der Verstorbenen, die über große finanzielle Mittel und Beziehungen um Faschistenführer Mussolini verfügt, teilen.
Doch Diana ist fest entschlossen, M. für sich zu gewinnen. Dafür baut sie bei ihren zahlreichen Reisen nach Deutschland freundschaftliche Beziehungen zu Hitler auf, durch die sie sich Mittel für die BUF erhofft und schreckt, als der zweite Weltkrieg begonnen hat, auch vor Plänen nicht zurück, die als Kollaboration mit dem Feind betrachtet werden können, denn nunmehr befinden sich auch Deutschland und Großbritannien im Krieg.
Unity Mitford wird als eher linkische und unberechenbare Persönlichkeit beschrieben, die ihre Eltern überreden kann, in Deutschland ein Internat besuchen zu dürfen, während im Gegensatz dazu bisher alle Mitford Mädchen kaum eine Schule besucht, sondern Hausunterricht genossen haben. Durch Geduld und Hartnäckigkeit gelingt es ihr, in den innersten Kreis um Hitler vorzustoßen, den sie über die Maßen verehrt. Für sie ist ein entsetzlicher Schicksalsschlag, dass Deutschland und England zu Feinden werden.
Die übrigen Mitglieder der Familie spielen Nebenrollen, interessant ist aber immer wieder, wie auch die Rolle der Eltern und ihrer politischen Gesinnung thematisiert wird.
Hitlers Part in diesem Roman ist der des Charmeurs, der die beiden Frauen, Diana und Unity, benutzt, um für den Nationalsozialismus Sympathien zu gewinnen, indem er sie auf Reichstagen und bei den olympischen Spielen ins Rampenlicht stellt. Ob er zu Unity nähere persönliche Beziehungen hat, bleibt offen. Besonders interessant ist für ihn in diesem Zusammenhang auch, dass die Mitfords mit der Familie Churchill verwandt sind und zudem zur Familie von Hitlers Lieblingskomponisten, Richard Wagner, Beziehungen pflegen.
Die Gräuel des Faschismus, die Kämpfe in der Zwischenkriegszeit, letztlich das Elend des Weltenbrandes im zweiten Weltkrieg werden nur oberflächlich und beiläufig erwähnt. Über die Rolle der geschundenen Völker erfährt man kaum etwas. Nur als Nancys Rolle thematisiert wird, wird klar, wie politisch auch Privates sein kann.
Mit ihrem Roman “Die Mitford Schwestern” gibt Marie Benedict in leicht lesbarem und lebensnahem Schreibstil Einblick in teils glamouröse, teils traurige Frauenschicksale. Die Mitford Girls waren die Celebrities ihrer Epoche, ihre Einstellungen zu Politik und deren gesellschaftlichen Auswirkungen fanden in der damaligen Presse großen Widerhall. Dieses Buch stellt Frauen in den Mittelpunkt, die zu den interessantesten Personen den dreißiger und vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gehört haben. Damit stellt uns die Autorin eine lesenswerte und gelungene Biografie über außergewöhnliche Frauenschicksale vor.