Als ich das diesjährige Herbstprogramm des Carlsen Verlags durchstöberte, ist mir „Jeder von uns ist ein Rätsel“ sofort ins Auge gesprungen. Das Cover konnte meine Neugier auf Anhieb wecken und als ich mir dann den Klappentext durchlas, wusste ich einfach, dass dieses schöne Buch ganz genau das Richtige für mich sein wird.
Alvie ist anders als andere Menschen. Für sie ist es stets eine große Herausforderung, andere Menschen zu verstehen. Tiere sind ihr da viel lieber, in ihrer Gesellschaft fühlt sie sich wohl. Dann aber lernt sie den 19-jährigen Stanley kennen. Mit ihm ist alles anders. Die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen und verstehen sich vom ersten Moment an. Zwischen den beiden soll sich eine ganz besondere Geschichte entwickeln, voller komischer, trauriger und wunderschöner Momente. Ob ihr Weg sie wohl schließlich, trotz all der Hürden, zusammenbringen wird?
Puh, okay. Diese Rezension zu schreiben wird nicht leicht werden. Mir fällt es ehrlich gesagt etwas schwer, meine Meinung zu dem Buch in Worte zu fassen. Reicht euch vielleicht ein „Wow, was für ein Buch“? Hm, vermutlich nicht, oder? Schließlich möchtet ihr sehr wahrscheinlich wissen, warum ich „Jeder von uns ist ein Rätsel“ so „Wow“ finde. Okay, dann versuche ich es mal.
Jeder buchverrückte Mensch wird das bestimmt kennen: Man beginnt mit einem Buch und kann dann einfach nicht mehr aufhören zu lesen. Die Gedanken kreisen nur noch um das Buch, man möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Selbst wenn das Buch noch nicht mal groß spannend ist, kann es dennoch eine enorme Sogwirkung auf einen ausüben.
Mir ging es so mit diesem Jugendbuch. Einmal begonnen, fiel es mir wirklich verdammt schwer, es wieder aus der Hand zu legen. Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist so berührend und wunderschön – mich konnte sie zutiefst bewegen. Und nicht nur das: Zugleich ist das Buch auch herrlich humorvoll und herzerwärmend komisch, sodass es mich zum Schmunzeln und zum Lachen bringen konnte. Dann wiederum hat es mich auch wütend gemacht. Ja, hier kann man wirklich von einer Achterbahnfahrt der Gefühle sprechen, welche ich auch nur zu gerne durchfahren habe.
Erzählt wird das Ganze aus der Sicht der 17-jährigen Alvie. Alvie ist anders als andere Menschen, sie leidet am Asperger-Syndrom. Sie mag keine Berührungen, ihr fällt es schwer, Empathie zu empfinden und sie ist stets sehr direkt. Letzteres hat mich öfters sehr schmunzeln lassen. Eigentlich ist das ja gar nicht komisch, da es natürlich nicht schön und einfach für Alvie ist, mit ihrer Beeinträchtigung leben zu müssen. Ich habe mich manchmal auch fast schon dafür geschämt, dass mich so viele ihrer Äußerungen unterhalten haben. Ich konnte diese Gefühle aber einfach nicht verhindern.
Als Leser erfahren wir, wie Alvies Leben jetzt aussieht. Sie lebt alleine in einer schäbigen Wohnung, ernährt sich hauptsächlich von Choco-Krispies direkt aus der Packung und hat einen Job in einem Tierpark. Alvie hat sich schon immer sehr für Tiere interessiert, ganz besonders für Kaninchen. Ihr absolutes Lieblingsbuch ist „Watership Down“ - ein Klassiker, der auch der Autorin A. J. Steiger sehr am Herzen liegt.
Dumm ist Alvie übrigens nicht, ganz im Gegenteil, sie ist sogar hochintelligent. Sie interessiert sich zum Beispiel sehr für Quantenphysik, hat bereits als Kind Sachbücher verschlungen und hat allgemein ein enormes Wissen.
Wofür ich Alvie sehr bewundert habe, neben ihrer Intelligenz, ist ihre Stärke. In Rückblenden erfahren wir, was die 17-jährige schon alles durchmachen musste. Durch ihr Anderssein wurde sie von Anfang in der Schule ausgegrenzt und gemobbt. Als Leser tut es einem selbst richtig weh zu sehen, wie grausam Menschen sein können, wenn sie auf andere Menschen treffen, die nicht „normal“ sind. Normal setze ich mal in Anführungsstriche, denn was ist schon normal? Okay, klar, Alvie ist schon anders, aber nur weil man das ist, darf man nicht so behandelt werden, wie es bei Alvie der Fall ist.
In der Gegenwart hat es Alvie allerdings auch nicht leicht. Vermutlich wird es das nie für sie sein, Menschen zu verstehen wird wohl für immer eine Herausforderung für sie sein. Aber sie hat ein Recht darauf, ein ganz normales Leben zu führen, so wie jeder Mensch. Ich finde, dass man vor Alvie wirklich nur den Hut ziehen kann. Mit ihr hat die Autorin eine so wundervolle Protagonistin erschaffen, die sich nicht unterkriegen lässt und die man als Leser einfach sofort lieben muss.
Dann wäre da noch Stanley. Hach, er ist ebenfalls so niedlich. Wie Alvie, so hat auch er mein Herz im Sturm erobert. Stanley hat ebenfalls ein verdammt hartes Leben. Hier werde ich nur nicht näher ins Detail gehen, da ich nicht zu viel von der Handlung verraten möchte. Vermutlich habe ich eh schon zu viel erzählt. Ein bisschen aber musste ich einfach berichten, damit ich euch deutlich machen kann, wie toll und großartig dieses Buch ist.
Alvie und Stanley treffen schon recht früh im Buch aufeinander und zwischen den beiden wird sich eine ganz besondere, sehr gefühlvolle und wunderschöne Liebesgeschichte entwickeln. Auch da gab es Momente, bei denen ich am liebsten geweint hätte und dann gab es wiederum Szenen, die so komisch sind, dass man gar nicht anders kann als breit zu lächeln. Alvie und Stanley sind zwei ganz wundervolle Menschen, welche man als Leser nur zu gerne begleitet. Die beiden geben auch ein unheimlich süßes Pärchen ab. Ich habe die ganze Zeit über so gehofft, dass sie zueinander finden werden. Ob sie das tun werden und wie ihr Weg bis dahin aussehen wird, das verrate ich hier natürlich nicht. Wenn ihr das wissen möchtet, müsst ihr das Buch schon selber lesen. Was ihr unbedingt tun solltet! Ich kann euch „Jeder von uns ist ein Rätsel“ so, so sehr ans Herz legen!
Fazit: Wow, was für ein Buch! Ich habe es von den ersten Seiten an geliebt, für mich ist „Jeder von uns ist ein Rätsel“ auf jeden Fall eines meiner diesjährigen Jahreshighlights. Das Buch erzählt eine zutiefst berührende, traurige, herzerwärmend komische und wunderschöne Liebesgeschichte über zwei Menschen, die beide mit großen Beeinträchtigungen leben müssen und bereits in jungen Jahren viel durchmachen mussten. Auf mich hat das Buch vom ersten Moment an eine richtige Sogwirkung ausgeübt. Ich kann es absolut empfehlen und vergebe nur zu gerne volle 5 von 5 Sternen!