Eine Horizonterweiterung
Zunächst einmal will ich sagen, dass ich bisher noch keinerlei Erfahrungen mit trans Charakteren und mich auch nicht ausführlicher darüber informiert habe. Zu der Authentizität dieser Aspekte im Buch kann ...
Zunächst einmal will ich sagen, dass ich bisher noch keinerlei Erfahrungen mit trans Charakteren und mich auch nicht ausführlicher darüber informiert habe. Zu der Authentizität dieser Aspekte im Buch kann ich also keine wirklichen Äußerungen treffen, sondern nur meine Wahrnehmung darlegen.
Bevor ich aber dazu komme, möchte ich dem Verlag ein Kompliment machen, denn Not Your Type und die folgenden Bücher der Reihe sind die ersten New Adult Geschichten mit queeren Figuren im Fokus, die mir in einem großen Publikumsverlag über den Weg laufen. Ich finde es großartig, dass die Buchwelt immer vielfältiger wird und ich mich mit dem Lesen neuer Bücher mit für mich unbekannten Themen auseinandersetze.
Der Einstieg in das Buch ist mir wirklich sehr gut gelungen und ich war positiv überrascht von dem flüssigen und für mich gut zu lesenden Schreibstil. Die Art und Weise, wie die Autorin schreibt, war einerseits von den Worten her sehr umgangssprachlich, andererseits wirkten die Wahrnehmung und die Gedanken der Charaktere besonders. Unsere Protagonisten, Marie und Fynn, waren mir beide sympathisch, wobei Fynn die Nase vorn hat. Die Konflikte um Marie herum wirkten nicht immer in die Story integriert und verlaufen eher hintergründig, was mir besonders am Ende aufgefallen ist. Positiv war für mich die Thematisierung ihrer letzten Beziehung und ihre dadurch negativen Erfahrungen in Liebesdingen. Dies hat sie besonders zu Beginn des Buches greifbarer gemacht und mich ihr doch näher gebracht. Auch dass Marie mit Zukunftsängsten zu kämpfen hat, empfinde ich als einen wichtigen Punkt, da er vermutlich die Situation vieler junger Menschen widerspiegelt.
Fynn hat als Kleinkind und Jugendlicher nur negative Erfahrungen seine Person betreffend gemacht und hat nie gelernt, sich selbst zu lieben, da er auch nie geliebt worden ist. Seine Vergangenheit hat ihn sehr geprägt und wird in einzelnen Flashbacks innerhalb der Story aufgegriffen, die gleichzeitig dazu dienen, sein abweisendes Verhalten und seine negative Stimmung zu erklären. Fynn ist kein leichter, locker-flockiger Charakter, ich würde ihn eher als schwere Kost bezeichnen. Die Darstellungen um seine schlechten Erfahrungen mit Menschen, die mit seinem Trans-Sein nicht klarkommen, wirkten sehr glaubwürdig und realistisch. So tolerant die Gesellschaft auch immer sein möchte, größtenteils wird Andersartigkeit einfach abgelehnt, sodass ich mir die beschriebenen Situationen sehr gut vorstellen konnte. Ich empfand es auch als sehr realitätsnah, dass Fynns neu aufgebauter Freundeskreis bei seinem ungewollten Outing nicht perfekt reagiert. Das wäre meiner Ansicht auch zu viel des Guten gewesen, denn die Entwicklung der Freundschaft ging ziemlich schnell vonstatten. Auch Fynns Entwicklung ging in sehr großen Schritten voran, in wenigen Tagen wird er von einem abgekapselten Typen, der kaum spricht und keine Freunde hat zu einem recht geselligen Menschen. Da in diesen wenigen Tagen durch den Roadtrip, der den Rahmen der Geschichte bildet, aber auch sehr viel passiert, ist diese Entwicklung zumindest beim Lesen glaubwürdig rübergekommen.
Der Roadtrip bildet den Kern der ganzen Geschichte und war auch der Aspekt, der mich zum Lesen des Buches gebracht hat. Dementsprechend hat es mir auch sehr gut gefallen, dass die Reise durch Italien in der Story sehr präsent war. Die ständig wechselnden Schauplätze und das allgemeine Reisegefühl haben das teilweise etwas bedrückend wirkende Buch entscheidend aufgelockert und alles somit besser lesbar gemacht.
Trotz meiner kleinen Kritikpunkte gebe ich fünf Sterne, da ich das ganze Buch innerhalb eines Tages gelesen habe und besonders zum Ende hin nicht aus der Hand legen wollte. Der für mich neue queere Aspekt des Buches wirkte gut und realistisch umgesetzt und konnte mich überzeugen. In emotionaler Hinsicht wurde ich mitgerissen, was an dem tollen Schreibstil und den vielschichtigen Charakteren lag. Durch den Roadtrip sind Reisegefühle in mir aufgekommen, zudem wurde die Story dadurch nicht allein auf die Liebesgeschichte gestützt, was ich immer sehr wichtig finde.