Genussreicher Provencekrimi
Vor nicht allzu langer Zeit hat sich Pascal Chevrier einen Traum erfüllt! Ehemals bei der Police nationale in Paris angestellt, sah er nach seiner Scheidung, die ihn tüchtig aus dem Gleichgewicht gebracht ...
Vor nicht allzu langer Zeit hat sich Pascal Chevrier einen Traum erfüllt! Ehemals bei der Police nationale in Paris angestellt, sah er nach seiner Scheidung, die ihn tüchtig aus dem Gleichgewicht gebracht hat, keine Zukunft mehr in der Stadt, in der ihm außer dem Kollegen Alexandre keine Freunde mehr geblieben waren, und zog an seinen Sehnsuchtsort im Luberon, wo er von nun an als einfacher Dorfgendarm tätig sein wollte. Ein anderes, ein ganz neues Leben wollte er beginnen, endlich leben, Zeit haben, um sich all den Genüssen widmen zu können, die ihn glücklich machen. Und in diesem dritten Band der Reihe von Provencekrimis aus der Feder von Andreas Heineke sieht es ganz so aus, als wäre Pascal schließlich angekommen! Zwar wird er auch in der betörenden Provence mit ihrem einzigartigen Licht, ihren unverwechselbaren Düften, ihrer Wärme und ihren Farben zur Aufklärung von skurrilen und kniffligen Verbrechen gerufen und bekommt es mit gefährlichen Kriminellen zu tun, die über Leichen gehen und denen aus seiner Zeit in Paris in nichts nachstehen, aber er hat dennoch seinen Frieden gefunden und die vergangenen schwierigen Jahre verblassen immer mehr. Das Hier und Jetzt gilt es zu genießen und die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen.
Einen wunderbaren und ohne Einschränkungen sympathischen Protagonisten hat der Autor mit dem tiefgründigen Pascal erschaffen, jemanden, der in sich zu ruhen scheint, dessen Ausgeglichenheit und ruhige Zurückhaltung, gepaart mit Nachdenklichkeit und der ausgesuchten Höflichkeit, die man Franzosen gerne nachsagt, in außerordentlich angenehmen Gegensatz stehen zu den meisten anderen Kriminalisten, die einem in Büchern und in Filmen begegnen und deren übertriebene Betriebsamkeit und Ruhelosigkeit sehr anstrengend sein können. Und die ganz an der Oberfläche bleiben, während bei Pascal immer mehr Tiefgründigkeit zutage kommt. Er, Pascal, mit der Leidenschaft für die kultivierte Küche und die hohe Kunst des Kochens, passt so genau in die Landschaft, die er sich als Lebensmittelpunkt ausgesucht hat, wie die Fälle, die er zu untersuchen hat.
Ein unbedeutender Dorfgendarm wollte er sein, allerhöchstens einmal Streit unter Nachbarn schlichten, sich vielleicht hin und wieder um kleinere Diebstähle kümmern, doch wurde er bereits kurz nach seiner Ankunft im Luberon von der Police nationale in Apt um Amtshilfe gebeten, hat mit ihr gemeinsam zwei Mordfälle gelöst – und schickt sich nun zum dritten Mal an, seinen Schreibtisch in der Mairie – und damit auch, leichten Herzens, den ungeliebten, von sich selbst eingenommenen Bürgermeister Betrix – in Lucasson zu verlassen, um mit seiner, von ihm bewunderten, Kollegin Audrey aus Apt Licht zu bringen in den brutalen Mord an einer jungen Kunsthistorikerin, die als Führerin in einer geradezu sensationellen Picasso Ausstellung an des letzteren Wohnsitz, dem Chateau de Vauvenargues, tätig war und dort auch ihren vorzeitigen Tod fand.
In gewohnter unaufgeregter Gemächlichkeit beginnt Pascal mit seinen Ermittlungen und findet sich alsbald inmitten der für Außenstehende kaum durchschaubaren, abgründigen Kunstszene, zwischen rivalisierenden, die Preise für die Kunstwerke diktierenden und manipulierenden Galeristen, brillianten und mediokren Fälschern, Kunstsachverständigen, die in akribischer Kleinarbeit wie wahre Detektive, gepaart mit allerhöchster Expertise, die Echtheit etwa, wie hier in der Geschichte, eines Picasso oder Cezanne, dem berühmtesten Maler der Provence, nachweisen, einer anmaßenden Museumsleiterin, einer arroganten und höchst unverschämten Kuratorin und nicht zuletzt ehrgeizigen Kunsthistorikerinnen, die über all ihrem Sachverstand und engem Kontakt mit den berühmtesten Gemälden der Welt nicht nur die Kontrolle über ihr Handeln und die Einsicht in das eigene Tun, sondern auch noch den Verstand verloren haben.
So wie Pascal in sein Luberon passt, so passt auch der sich langsam aufrollende, immer wieder von Einblicken in Pascals Privatleben unterbrochene überraschungsreiche Mordfall in die Provence, Heimat der Kunst und der Künstler – nicht nur des besonderen Lichtes wegen, wie man vermuten darf. Gewiss, Pascals vorherige Fälle waren spannender, aktionsreicher, gefährlicher auch für den die Ruhe und den Frieden suchendem Dorfgendarm. Dennoch betrachte ich „Fälschung à la Provence“ als den thematisch interessantesten, ausgereifteren der bislang drei Romane. So wie Pascal selber habe ich einen aufschlussreichen Einblick bekommen in eine Welt, die ich immer als Domäne der Reichen und selbsternannten Wichtigen der Gesellschaft angesehen habe – was sich hier so eindrücklich wie bedauerlich bestätigt -, und in die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, dass ein Gemälde für einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe verkauft wird. Lächerlich mutet das an, denn vom rein materiellen Wert sind diese Summen einfach nur utopisch. Eine Welt, die ihren Sinn für Proportionen verloren oder auch nie besessen hat.
Aber auch da ist es wieder Pascal, der die Dinge gerade rückt in einer der schönsten Szenen, ganz am Ende, dieses Kriminalromans, der sich hinter den Provencekrimis eines Martin Walker ganz und gar nicht zu verstecken braucht, und die der Leser am besten selbst entdecken sollte! Man muss ein schönes Gemälde nicht besitzen, um Genuss, Vergnügen, Befriedigung, Glück, Bewunderung – die ganze Skala menschlicher Emotionen also – bei seinem Betrachten zu verspüren. Es ist völlig ausreichend, sich mit allen Sinnen hinein zu vertiefen – so wie in diesen licht- und lebensvollen Roman auch!