Cover-Bild Vater unser
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 18.02.2019
  • ISBN: 9783446262591
Angela Lehner

Vater unser

Die Polizei hat sie hergebracht, in die psychiatrische Abteilung des alten Wiener Spitals. Nun erzählt sie dem Chefpsychiater Doktor Korb, warum es so kommen musste. Sie spricht vom Aufwachsen in der erzkatholischen Kärntner Dorfidylle. Vom Zusammenleben mit den Eltern und ihrem jüngeren Bruder Bernhard, den sie unbedingt retten will. Auf den Vater allerdings ist sie nicht gut zu sprechen. Töten will sie ihn am liebsten. Das behauptet sie zumindest. Denn manchmal ist die Frage nach Wahrheit oder Lüge selbst für den Leser nicht zu unterscheiden. In ihrem fulminanten Debüt lässt Angela Lehner eine Geistesgestörte auftreten, wie es sie noch nicht gegeben hat: hochkomisch, besserwisserisch und zutiefst manipulativ.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.04.2019

verwirrende Erinnerungen

0

Eva wird von der Polizei in die Psychiatrie eingeliefert, sie soll angeblich eine Kindergartengruppe erschossen haben. Doch das ist eine Lüge, nicht die erste und nicht die letzte die Eva in ihrem Leben ...

Eva wird von der Polizei in die Psychiatrie eingeliefert, sie soll angeblich eine Kindergartengruppe erschossen haben. Doch das ist eine Lüge, nicht die erste und nicht die letzte die Eva in ihrem Leben erzählt hat. Schnell stellt sich heraus, dass auch ihr Bruder Bernhard in ebenjener psychiatrischen Einrichtung in Behandlung ist. Die Familienverhältnisse sind schwierig, doch Eva hat sich in den Kopf ihrem Bruder zu helfen. Und sie hat auch schon einen Plan: Der Vater muss sterben, damit es Bernhard wieder besser gehen kann.

Eva war für mich zu Beginn ein furchtbarer Charakter. Sie ist unhöflich, egoistisch, manipulativ, aufbrausend, leicht eingeschnappt und sieht nur das, was sie sehen will. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, Bernhard zu retten, seien es die Ärzte, die Mutter oder die Vergangeheit. Dabei geht sie in der Sorge um ihren Bruder einfach über die Gefühle anderer hinweg und nur ihr Weg ist der richtige, alles andere akzeptiert sie nicht. Dass ihr Bruder diese Hilfe gar nicht möchte ist dabei nebensächlich. Nach und nach werden die psychischen Abgründe Evas immer offensichtlicher, etwas hat sie in der Vergangenheit stark traumatisiert und der Leser kommt nur langsam hinter die Geheimnisse. Auch die Familienverhältnisse sind recht schwierig, alles hängt irgendwie mit dem vater zusammen, doch so ganz wird die Vergangenheit nicht aufgedeckt. Der Leser muss ständig zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen, was der Wahrheit entspricht und was nur in Evas Phantasie stattfindet/stattfand. Den Erinnerungen von Eva kann man nicht trauen, oft will sie damit provozieren, an anderen Stellen scheint sie selbst nicht zu wissen, was real ist.

Die Sprache ist bissig, manchmal provokativ und erfrischend ehrlich. Immer wieder sind österreichischen Begriffe eingestreut, die jedoch auch für Nicht-Österreicher sofort verständlich sind. Das ist vielleicht nicht unbedingt nötig, aber es hat mich auch nicht weiter gestört. Die Vergleiche und Beschreibung sind zwar nicht immer nett, passen jedoch wie die Faust aufs Auge. Angela Lehner schafft es, das Verwirrspiel von Eva auf die Spitze zu treiben. Man hat das Gefühl mit jeder Seite versteht man weniger. Immer wieder werden zwar Bröckchen der (vermeintlichen?) Wahrheit eingestreut, doch das Gesamtbild erschließt sich dem Leser bis zum Schluss nicht. Und hier ist auch mein größter Kritikpunkt: Das Ende hat mich extrem enttäuscht zurück gelassen. Man hat das Gefühl, dass nichts abschließend geklärt wurde. Ich bin zwar stets dafür, Raum für die Fantasie des Lesers zu lassen, dennoch blieb mir hier am Ende doch zu viel ungeklärt.

Eva ist ein komplizierter Charakter, der es einem nicht leicht macht, sie zu mögen. Leider bleiben die anderen Figuren ein klein wenig blass neben ihr. Die Sprache ist ein großer Pluspunkt des Romans, doch alles in allem blieb mir zu viel offen. Es lohnt sich definitiv, das Buch zu lesen, konnte mich jedoch nicht vollends überzeugen.