Sehr konstruiert, naive Charaktere und für ein Kinderbuch etwas zu brutal
In einer uns fremden Welt kann Joss es kaum fassen als ihm das Ei eines Drachen in die Hände fällt. Und dann auch noch das eines silbernen Drachens, die sehr selten sind. Als das Jungtier dann schlüpft, ...
In einer uns fremden Welt kann Joss es kaum fassen als ihm das Ei eines Drachen in die Hände fällt. Und dann auch noch das eines silbernen Drachens, die sehr selten sind. Als das Jungtier dann schlüpft, erkennt Joss zu spät, in welcher Gefahr sich seine Schwester Allie, der Drache Lysander und er befinden. Denn Lysander wird mit viel Druck von der Familie Lennix gesucht. Und diese Familie ist wirklich alles andere als nett.
In unserer Welt muss auch Sirin sehr tapfer sein, denn ihre Mutter ist schwerkrank. Sirin hat nur einen Wunsch: den Geschichten ihrer Mutter über Drachen für immer lauschen zu können.
Drachen übten schon immer eine große Faszination auf mich aus. Neben Eragon begleitete mich der Drache Temeraire durch meine Jugend und seitdem verschlinge ich fast alle Bücher über Drachen, die ich in die Finger bekomme. Deswegen war ich ganz angetan davon, dass Netgalley dieses Buch in die Liste der jährlichen Challenge aufgenommen hatte. Ganz gespannt machte ich mich also über die Lektüre her, wurde aber schnell wieder von meiner kleinen (Drachen-)Euphoriewelle gerissen.
Ich hatte anfangs erwartet, dass die beiden Stränge von Joss und Sirin etwa gleich viele Teile des Buches ausmachen würden. Leider war der Strang um Joss und Lysander aber so präsent, dass Sirins Strang mehr wie eine Unterbrechung der eigentlichen Haupthandlung war. Mir hätte es besser gefallen, wenn Sirin erst viel später in der Geschichte vorgestellt worden wäre. So baute ich im ersten Kapitel eine Beziehung zu ihr und ihrer tragischen Geschichte auf, nur um dann erst wieder hundert Seiten später wieder etwas von ihr zu lesen. Wäre Sirins Strang etwas geballter gewesen, hätte diese anfängliche Beziehung aufrecht gehalten werden können.
Joss war auch nicht der beste Protagonist, seine Schwester Allie hingegen fand ich toll. Joss rannte dermaßen naiv nicht nur einmal, sondern gleich zweimal in eine fast identische Situation rein, was mich mehr als nur verdutzte. Ein Schlammassel, schön und gut, aber ein Protagonist, der nicht aus Fehlern lernt und ohne zu zögern wiederholt in sein Verderben rennt? Außerdem hätte ich bei seiner Vorgeschichte mit ein wenig mehr Argwohn und Misstrauen gerechnet.
Der Schreibstil war in Ordnung, die vielen kurzen Sätze und wenigen verschachtelten Nebensätze ermöglichten ein rasches Tempo. Vor allem in Fantasy Genre schätze ich es sehr, wenn eine Geschichte aus der Sicht mehrerer Charaktere erzählt wird, da somit eine Komplexität geschaffen wird, die den Leser noch mehr an die Geschichte fesselt. Außerdem ermöglicht der Wechsel zwischen verschiedenen Perspektiven auch, dass dem Leser auf subtile Weise dem Protagonisten/den Hauptcharakteren unbekannte Informationen vermittelt werden. Hier aber wurde es mit dem Perspektivwechsel maßlos übertrieben. Neben Sirin und Joss kommen eine ganze Reihe Charaktere zu Wort, in vielen Kapiteln wechseln sich diese sogar passagenweise ab. Das schaffte kein tieferes Verständnis für die Geschichte, sondern führte mehr und mehr zu Verwirrung. Die Übergänge waren nicht wirklich gut geschrieben beziehungsweise kaum vorhanden, es wirkte einfach nur sprunghaft und nicht durchdacht. Eine Beschränkung auf maximal drei Perspektiven hätte in meinen Augen vollkommen gereicht.
Der Aufbau der Geschichte wirkte an vielen Stellen sehr gewollt und konstruiert. Charaktere handelten nach Lust und Laune mal so oder so, hatten keine gerade Linie und führten deshalb nur noch zu Kopfschütteln meinerseits. Etliche Handlungsweisen fand ich sehr unlogisch und aus der Luft gegriffen, viele Probleme und kritische Situationen wurden erst groß aufgebauscht, um dann innerhalb eines halben Satzes abgehandelt zu werden.
Laut des Klappentextes bei Amazon soll das Buch für Jungen und Mädchen ab 11 Jahren gedacht sein. Das mag hinsichtlich der Charaktere, die sich in dem Alter befinden, stimmen. Einzelne Passagen aber fand ich sehr brutal und grausam für ein Kinderbuch. In einem für Erwachsene geschriebenen Fantasy Buch wären diese Passagen kein Thema gewesen, doch die Mischung der grausam beschriebenen Szenen und den jungen Kindern wirkte auf mich sehr skurril. Ich habe selber keine Kinder und kann das deswegen nicht gut einschätzen, außerdem kommt es auch auf die ganz individuelle Entwicklung des Kindes an, aber guten Gewissens kann ich das Buch nicht an Elfjährige empfehlen und gehe mit einer Empfehlung mehr in die Altersrichtung 13-14.
Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen, viele Dinge wirkten zu konstruiert und nicht ausgearbeitet genug. Dennoch konnte ich das Buch wirklich sehr zügig durchlesen. Ich werde aber nicht die weiteren Teile der Reihe verfolgen. Da in anderen Rezensionen immer wieder betont wurde, wie viel besser doch die Reihe um Septimus Heat sei, werde ich mir bei Gelegenheit einmal diese Reihe ansehen.