Auf den Spuren eines Todes
Was muss geschehen sein, dass sich ein Mensch das Leben nimmt? Hätte der Tod verhindert werden können? Und gibt es eine Person oder ein Ereignis, die bzw. das Schuld am selbstgewählten Ableben ist? Diese ...
Was muss geschehen sein, dass sich ein Mensch das Leben nimmt? Hätte der Tod verhindert werden können? Und gibt es eine Person oder ein Ereignis, die bzw. das Schuld am selbstgewählten Ableben ist? Diese und mehr Fragen stellt sich auch die Journalistin und Autorin Anja Reich. Ihre gute Freundin Simone hat sich Mitte der 1990ern das Leben genommen, scheinbar vollkommen unvorhersehbar. In "Simone" begibt sich Reich auf Spurensuche und zeichnet den Lebensweg ihrer Freundin und deren Familie nach: von der Lebensgeschichte ihrer Großeltern und Eltern, über das Aufwachsen Simones in der DDR, hin zum einschneidenden Ereignis der Wiedervereinigung bis zum mutmaßlichen Selbstmord der knapp 27-Jährigen.
Zugegebenermaßen bin ich, wie ich begonnen habe das Buch zu lesen, davon ausgegangen, dass es sich bei "Simone" um einen fiktiven Roman handelt - aus dem Klappentext war für mich nicht ersichtlich, dass Anja Reich tatsächlich über reale Begebenheiten schreibt. Dementsprechend langatmig empfand ich den Beginn des Buches - Schilderungen über die Vorfahren Simones, geschichtliche Überblicke, es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie zu der "Hauptprotagonistin" kam. Doch als Simone die Bühne des Buches betritt und klar wird, dass Reich versucht ihr Leben und ihren Tod bestmöglich nachzuzeichnen, um eine Erklärung für das Unvorstellbare - den Suizid - zu finden, wird das Werk spannend. Einfühlsam aber schonungslos ehrlich porträtiert sie Simone, ihre anziehende offene Art genauso wie ihre scheinbare Herrschsucht und Unsicherheit. Sie setzt ihrer Freundin ein Denkmal, das als Beispiel dienen kann, nachzuempfinden, wie psychische Erkrankungen Menschen beeinflussen und verändern - für Außenstehende oft nicht erkennbar.
Das Buch ist harte Kost. Es ist berührend, mitnehmend und anstrengend zugleich. Ich finde es empfehlenswert für alle, die sich dafür interessieren, was in einem Menschen mit einer psychischen Erkrankung (mit Suizidgedanken) vorgeht; es kann anhand einer tatsächlichen Lebensgeschichte einiges erklären und fühlbar machen. Abraten würde ich aber jenen, die sich in akuten Krisen befinden oder die eine Trauerbewältigung nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen noch nicht abgeschlossen haben, zu schwer und bedrückend wiegt das Thema.