Ein wichtiges Buch!
Obwohl ich nicht oft Hörbücher „konsumiere“, weil ich beim Hören meist nicht so konzentriert bin auf den Text wie beim Lesen, habe ich mich dieses Mal ausnahmsweise für das Hörbuch entschieden, weil mir ...
Obwohl ich nicht oft Hörbücher „konsumiere“, weil ich beim Hören meist nicht so konzentriert bin auf den Text wie beim Lesen, habe ich mich dieses Mal ausnahmsweise für das Hörbuch entschieden, weil mir die Hörprobe so gut gefallen hatte. Die angenehme und lebendige Stimme von Eva Meckbach machte es mir leicht, über fast 9 Stunden die Geschichte zu verfolgen. Dennoch werde ich das Buch auch noch einmal lesen, denn es ist meines Erachtens ein sehr wichtiges Buch, das volle Aufmerksamkeit verdient.
1963: Die junge Dolmetscherin Eva wird gebeten, in einem Prozess Zeugenaussagen zu übersetzen. Verwunderlich, dass sowohl ihre Eltern als auch ihr Verlobter von diesem Auftrag abraten. Dennoch übernimmt sie, ihrem Bauchgefühl folgend, die Aufgabe an und verfolgt dadurch den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt im Nachkriegsdeutschland, einen Jahrhundertprozess, der alles verändern wird, auch im Leben von Eva.
Das Buch hatte für mich - neben der geschichtlichen Relevanz – eine besondere Eindringlichkeit, denn ich war im gleichen Alter wie Eva. So viele geschilderte Szenen des täglichen Lebens dieser Zeit habe ich genauso erlebt, und das Buch rief eine Fülle an Erinnerungen wach. Ich konnte so ganz direkt die muffige Spießigkeit derer nachempfinden, die alles nur noch hinter sich lassen wollten, auch die politische Naivität so vieler junger Menschen, denen ihre Eltern das während der Kriegszeiten Erlebte nicht erzählt hatten. Intensiv und atmosphärisch dicht erzählt die Autorin von den frühen sechziger Jahren, in denen die Menschen mehrheitlich nur noch nach vorne blicken und sich mit Fragen von Schuld oder Scham nicht auseinandersetzen wollten. Faszinierend und nachvollziehbar wird die Wandlung Evas vom naiven jungen Mädchen hin zu einer gereiften jungen während des Verlaufs des Prozesses geschildert. Überhaupt werden alle im Buch geschilderten Personen sehr authentisch und psychologisch folgerichtig geschildert. Dass neben der Fiktion des Romans reale Szenen der Zeugenbefragungen aus dem Prozess sparsam eingestreut sind, lässt uns die geschehenen Grausamkeiten umso eindringlicher erahnen und wirft viele, viele Fragen auf, was Mut und Feigheit, Verantwortlichkeit und Wegschauen betrifft und wie es heute um unsere Mitmenschlichkeit bestellt wäre, wenn wir nur unter Gefahren dafür einstehen könnten.
Ein wichtiges Buch, dem ich viele, viele aufgeschlossene Leser wünsche.