Ein ewiges Herzensbuch
„Alles Licht, das wir nicht sehen“ von Anthony Doerr, jahrelang auf meinem SuB gelegen, hat mich kürzlich einfach nur verzaubert. Doerr spannt seinen erzählerischen Bogen von Deutschland nach Frankreich, ...
„Alles Licht, das wir nicht sehen“ von Anthony Doerr, jahrelang auf meinem SuB gelegen, hat mich kürzlich einfach nur verzaubert. Doerr spannt seinen erzählerischen Bogen von Deutschland nach Frankreich, aus glücklichen, unbeschwerten Kindertagen über ein Jahrzehnt hinweg in die kaum greifbaren Schrecken und Wirrungen des zweiten Weltkrieges.
Ich kann die raue Seeluft geradezu schmecken, höre das Wasser an die Mauern der Stadt und in die unterirdischen Grotten schwappen und die Möwen kreischen, rieche Madame Manecs berühmte Fischsuppe. Die Hafenstadt Saint-Malo an einem Tag im August 1944, ein trauriger Tiefpunkt des zweiten Weltkrieges für die Bretagne und der Moment des Showdowns dieser kunstvoll verwobenen Geschichte zweier Jugendlicher, die eher zufällig auf unterschiedlichen Seiten des Krieges stehen. Marie-Laure und Werner, zwei junge Menschen, deren Geschichten sich einem ins Herz einbrennen; deren Leben augenscheinlich weit voneinander entfernt verlaufen und doch dazu bestimmt sind, aufeinander zu treffen. Rund um diese beiden Protagonisten spinnt der Autor in wunderbarer, atmosphärischer Sprache eine Geschichte von Liebe und Verlust; über einen verfluchten Stein und den Glauben an Menschlichkeit, die Kraft der Worte und das kleine Glück eines einzigen, schicksalshaften Moments - ein Tag wie ein ganzes Leben. Auf zarte, poetische Weise verbindet Doerr die einzelnen Handlungsstränge, flicht dabei immer neue mit ein und lässt so ein dichtes, intensives Bild vor meinen Augen entstehen, dem trotz des Grauens eine besondere Schönheit innewohnt.