Sehr positiv überrascht - lesenswert
Hier fällt mal was aus dem Rahmen. Da schreibt jemand nicht über seine Katze oder mehrere Katzen, die um ihn oder sie sind, da werden nicht Ratschläge gegeben, wie man mit seinen Katzen umgehen soll und ...
Hier fällt mal was aus dem Rahmen. Da schreibt jemand nicht über seine Katze oder mehrere Katzen, die um ihn oder sie sind, da werden nicht Ratschläge gegeben, wie man mit seinen Katzen umgehen soll und da werden auch nicht Katzen dazu benutzt, um menschliche Themen abzuhandeln. Und es ist auch nicht auf den ersten Blick eine wissenschaftliche Abhandlung über Katzen, was es dann aber doch wird. Das Werk fällt buchstäblich durch alle Raster.
Denn da schreibt einer über seine Erfahrungen, die schon grenzwertig sind, weil sie nicht ein paar Katzen betreffen, sondern das Zuwandern von einigen Mutterkatzen, die auf seinem Hof Junge gebären bis seine Frau und er mit einem Zuwachs von 14 Katzen konfrontiert sind. Sie können sich ausrechnen, welche Dimensionen das bei zwei Geburten pro Jahr mit durchschnittlich vier Jungen und davon mehreren weiblichen annehmen könnte.
Nach einer ausgiebigen Sterilisierungsaktion beginnt der Autor sich intensiv mit Katzen zu beschäftigen. Als ausgewiesener Sozialwissenschaftler geht er dies gründlich an. Seine über 20 Jahre zusammengetragenen Bilder und Aufzeichnungen gleicht er mit der aktuellen wissenschaftlichen Literatur über Katzen ab. Die Ergebnisse reflektierte er.
Seine Erkenntnisse als Quereinstiger kann er auf weiten Strecken anhand wissenschaftlicher Erklärungen bestätigen. So kann er ja schon anhand seiner Fotografien belegen, dass Katzen keine Einzelgänger*innen sind, sondern zusammenwirken.
Aber er bemängelt auch die Anlage vieler Forschungsszenarien, die zwar Katzen mit ihren Bezugspersonen gut beobachten können, aber die Spezies nicht ausreichend im Blick haben. Sein Beobachtungsspektrum liegt auf der Menge der zusammenwirkenden Katzen. Und da liegt auch die Stärke des zusammengetragenen Beobachtungsmaterials. Es kann durchaus Hinweise für weitere Untersuchungen des Sozialverhaltens von Katzen geben.
Hinsichtlich der neuesten Studien, was und wie Katzen wahrnehmen und ihre Eindrücke verarbeiten, lernt er einiges dazu und gibt es in seinem Band weiter. Dies führt ihn aber auch zu tiefergehenden Fragestellungen: Wenn wir Menschen und Katzen unsere Umwelt jeweils so unterschiedlich wahrnehmen und verarbeiten, ist es dann nicht eher unwahrscheinlich, dass wir sie und sie uns verstehen können? Und wenn es doch eine Verständigungsmöglichkeit zwischen den Spezies gibt, wie kommt diese zustande? Er verfolgt diese für ihn zentrale Fragestellung auf zwei Ebenen. Auf einer alltagspraktischen sucht er herauszufinden, wie wir miteinander gut umgehen können. Auf einer wissenschaftlichen Ebene sucht er nach der Brücke für die Verständigung zwischen sich völlig fremden Lebewesen. Dabei stößt er auf Forschungsergebnisse, die bis zu einer Verbindung zwischen allem Lebendigen auf unserem Planeten führen.
Aber wie gehen wir mit anderen Lebewesen um? Er zeichnet nach, wie wir Menschen mit Katzen historisch in Verbindung kamen, was sich da bei uns aber auch bei der bestimmten Katzenart, die sich uns gegenüber offen zeigte, bewegt haben muss. Er wirft ein paar Schlaglichter auf unsere Betrachtung von Katzen, die wir in der Geschichte einerseits mit dem Göttlichen in Verbindung brachten, andererseits verteufelten.
Genereller fragt er sich, weshalb wir manche Tierarten wie Mitbewohner und Mitbewohnerinnen behandeln und andere essen. Und gerade mit den Tierarten, die wir essen, gehen wir größtenteils wie mit leblosen Gegenständen um und behandeln sie äußerst barbarisch. Dies ist nicht nur hinsichtlich unserer Verantwortung gegenüber unseren tierischen Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen moralisch verwerflich, zwischenzeitlich zeigen auch Untersuchungen, dass die intensive Landwirtschaft und Massentierhaltung unsere Lebensgrundlage beschädigen, dass das Artensterben auch einer Vernichtung unserer Lebensgrundlagen beiträgt. Es geht nicht mehr „nur“ um Arten- und Tierschutz, sondern letztlich um den Schutz von uns Menschen, denn wir haben keinen zweiten Planeten.
Der Autor, Prof. Dr. Armin Wöhrle, ist Sozialwissenschaftler mit weit über 100 Veröffentlichungen, aber hinsichtlich des Themas, das er sich hier vorgenommen hat, ein Quereinsteiger. Erst in seinem Ruhestand hat er es sich gegönnt, über seine Erfahrungen mit Katzen zu schreiben. Dabei ist er immer weiter in ein für ihn neues wissenschaftliche Territorien eingestiegen und so liest sich dieses Buch wie ein persönlicher Lernprozess, der den Leser und die Leserin von der Schilderung einer Katzenmeute bis hin zu grundsätzlichen Fragen und wissenschaftlichen Untermauerungen mitnimmt. Mit mehreren hundert Bildern auf 278 farbig gedruckten Seiten ist das Ganze immer sehr anschaulich. Auch die wissenschaftlichen Ausführungen werden so erklärt, dass sie von allen nachvollzogen werden können.
Wie eingangs erwähnt, fällt das Buch durch die gängigen Raster. Es ist deshalb schwer zu sagen, für welche Zielgruppe das Buch geschrieben wurde. Es richtet sich an alle Katzenliebhaberinnen und Katzenliebhaber, egal ob sie einfach gerne wahre Geschichten über Katzen lesen oder ob sie sich wissenschaftlich mit Katzen beschäftigen. Es ist für alle empfehlenswert.