Hormonmangel
Nun habe ich es Schwarz auf Weiß: angeblich leide ich unter Hormonmangel. Zumindest, wenn man Sara, einer der Protagonistinnen dieses Romans glaubt. Das behauptet sie jedenfalls von Frauen, die nicht beim ...
Nun habe ich es Schwarz auf Weiß: angeblich leide ich unter Hormonmangel. Zumindest, wenn man Sara, einer der Protagonistinnen dieses Romans glaubt. Das behauptet sie jedenfalls von Frauen, die nicht beim Anblick eines Mannes, der allmählich auf die 60 zugeht, auf einem Motorrad unverzüglich dahinschmelzen. Wenn dieser Mann dann noch stolz berichtet, dass er früher sein Kleinkind im Beiwagen transportiert hat, fasse ich persönlich mir eher an den Kopf. Eigentlich müsste ich zur Zielgruppe von "Sommerreise" gehöre, denn mit Anfang 50 sind die Personen in diesem Buch nur wenige Jahre älter als ich. Oft lese ich auch Jugendbücher, und zu mindestens in den sehr guten davon erschienen mir die Protagonisten stets wesentlich reifer als diese hier, und außerdem sympathischer! Sara, schwedische Journalistin, beschließt nach ihrer Scheidung urplötzlich an den Urlaubsort ihrer Kindheit zu reisen, ein Schloss in der Toskana. Dort wurde ihr Großvater, der dortige Gärtner, einst von den Schlossherren um seine Weinsammlung betrogen. Kurzerhand entführt Sara nicht nur das Motorrad ihres Exmanns, sondern auch ihre Freundin Jessica, die eigentlich nur ein Stück mitfahren wollte, bis zu einem für sie wichtigen Autorentreffen in Malmö. Doch Sara verschleppt Jessica einfach über die Grenze nach Dänemark. Überhaupt sind Saras Handlungen oft kaum nachvollziehbar. Hat sie zum Beispiel endlich das Thema ihrer diesjährigen Reisereportage gefunden (Wie ergeht es einer Einzelperson auf einer einsamen Insel), lädt sie plötzlich Jessica ein, als würde sie selbst nicht davon leben und das Thema damit komplett zunichte machen.
Jessica schreibt Liebesromane, die mir wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen lassen würden: "Wäre er eine Figur aus Jessicas Romanen gewesen, hätte diese ihn als schweigsamen Helden beschrieben, einen, der sich seine Angebetete über die Schulter warf und sie auf das nächste Bett schmiss, wenn sie zu viel redete. Dort hätte er sie dann geküsst, bis sie endlich den Mund hielt." Oh graus. Jessica selbst ist auch jedes Mal in Gefahr, in Ohnmacht zu fallen, wenn sie ihre Jugendliebe JP, den einzigen Mann, mit dem sie jemals intim war, nur berührt. Die eingestreuten Sexszenen haben zumindest mich höchstens genervt, auch finde ich, dass Wörter wie "geil" einfach billig sind und in Mainstream-Romanen deplatziert. Weder die Figuren noch die Handlung konnten lange Interesse bei mir wecken. Am besten hat mir noch das schöne sommerlich-blaue Cover gefallen. Der Verlag bewirbt hinten im Buch Bücher von Corinna Bomann, Brigitte Janson und Nina Blazon. Am Anfang des Romans dachte ich noch: Nina Blazon, das ist natürlich eine viel hochklassigere Liga, zwischen ihren Romanen und "Sommerreise" liegen Welten, aber Bomann und Janson, das passt. Zum Schluss musste ich mich zum Teil korrigieren: Nina Blazon schreibt natürlich um Längen besser, aber die Bomann- und Janson-Bücher übertrumpfen das vorliegende immerhin auch. Schade!