Der Alptraum eines Kindes
Dies ist wahrscheinlich das persönlichste Buch von Astrid Korten, ist die Hauptfigur doch eine Freundin von ihr.
Poppy ist ein Mädchen von sechs Jahren, das mit ihrer geschiedenen Mutter lebt. Ihre Mutter ...
Dies ist wahrscheinlich das persönlichste Buch von Astrid Korten, ist die Hauptfigur doch eine Freundin von ihr.
Poppy ist ein Mädchen von sechs Jahren, das mit ihrer geschiedenen Mutter lebt. Ihre Mutter kommt nicht aus den besten Verhältnissen, kann nur wenig lesen und schreiben, ist sehr oberflächlich und am glücklichsten wenn sie shoppen gehen kann.
Eines Tages werden Poppy und ihre Mutter von einem großen schwarzen Auto abgeholt und in das Haus eines schwerreichen, alten Mannes gebracht, wo sie von nun an wohnen werden. Nicht, dass das Kind in irgendweiner Weise darauf vorbereitet oder gefragt worden wäre.
Vom ersten Augenblick an ist klar, dass der „Onkelmann“ oder Papa, wie Poppy ihn später nennen soll, nur an ihr interessiert ist und nicht an ihrer Mutter, auch wenn diese vom Gegenteil überzeugt ist.
Er überhäuft das Mädchen mit Geschenken und erkauft sich in gewisser Weise ihr Schweigen damit. Auf der einen Seite unterhält er sich sehr oft sehr „ernsthaft“ mit ihr, auf der anderen Seite fasst er sie ständig an den falschen Stellen an und setzt sie unter Druck. Poppy ist manchmal kurz davor sich ihrem Lehrer anzuvertrauen, zu dem sie relativ viel Vertrauen hat; dennoch dauert es noch Jahre, bis sie den Mut dazu findet.
Astrid Korten schildert den Mißbrauch des Kindes, der sich immer mehr steigert, sehr eindringlich.
Es ist schmerzhaft, die Pein von Poppy zu durchleben. Wie sie sich immer wieder versteckt, um diesem Mann zu entgehen, wie sie sich mit Hilfe ihres Spielzeugs Hindernisse baut, hinter denen sie nicht gesehen werden kann und ihm letztendlich doch nicht entkommt.
Sie hat weder einen Vertrauten, noch Freundinnen, die sie um Hilfe bitten könnte, sie muss mit allem allein fertig werden. Ihre Mutter, die ihre innere Leere mit Shoppen zudeckt, ist ihr keine Hilfe. Sie merkt überhaupt nicht, dass da ganz viel nicht stimmt, genauso wenig wie die
Großmutter. Die Mutter leidet ihrerseits durchaus darunter, dass der Mann keinerlei Interesse an ihr zeigt, deckt das allerdings mit Einkaufen zu. Sie ist nur auf sich selbst konzentriert und dadurch völlig blind für Poppys Situation. Wie soll auch jemand, der sich selber nicht mehr spüren kann, ein Gespür für andere Menschen entwickeln.
Astrid Korten ist mit Poppy ein sehr berührendes, aber auch sehr belastendes Buch zu einem ganz wichtigen Thema gelungen.
Für mich war das oft nur sehr schwer aushaltbar, dieses Leid mitzuerleben ohne etwas tun zu können. Man ist zum Zuschauen verdammt, während dieses Scheusal seine bösen Spiele spielt – manches Mal kam ich mir ein wenig wie ein Voyeur vor.
Ich habe mich noch nie vor einer Figur so unglaublich geekelt, wie vor diesem Mann. Zum ersten Mal habe ich mit dem Gedanken gespielt, einfach aufzuhören mit Lesen, doch der Wille, zu wissen wie es weitergeht war dann doch zum Glück stärker. Das Thema berührt mich sehr stark, es passiert alles hinter verschlossenen Türen und wenn es für die Täter gut läuft, bekommt kein Außenstehender etwas mit. Vor dem Hintergrund dass in Deutschland 2018 jeden Tag 40 Kinder sexueller Gewalt ausgesetzt waren, macht sich bei mir einfach Übelkeit breit.
Man muss wachsam bleiben, über das Thema reden und schreiben, wie es Astrid Korten wiederholt getan hat. Es ist wichtig, die Menschen zu sensibilisieren, damit sie die Augen offenhalten und sich engagieren.
Dieses Leid, dass unseren Kindern von Vätern, Onkeln, Groß- und Stiefvätern angetan wird, muss ein Ende haben. Das ist Mord an Kinderseelen und Frau Korten engagiert sich gerade mit diesem Buch für das Thema. Ich wünsche ihr viel Erfolg dabei und vor allem viele Leser!