Atmosphärisch und fesselnd
„Dixie Clay dachte darüber nach, dass sie alle den Klang des Nichtregens vergessen hatten oder den Geruch von Nichtgestank.“ (S. 48)
Nach monatelangen, schier endlos scheinenden Regengüssen, die unzählige ...
„Dixie Clay dachte darüber nach, dass sie alle den Klang des Nichtregens vergessen hatten oder den Geruch von Nichtgestank.“ (S. 48)
Nach monatelangen, schier endlos scheinenden Regengüssen, die unzählige vereinzelte Überflutungen verursachten, trat der Mississippi im Frühling 1927 endgültig über seine Ufer. Die eh unzureichenden Dämme brachen und eine Flut, man möchte sagen: beinahe biblischen Ausmaßes ergoss sich über das Mississippi-Delta. Unzählige Menschen verloren ihre Häuser und ihre Heimat, ihre Familien – und das eigene Leben.
Vor dieser historischen Folie spielt die Geschichte von Dixie Clay und Ted Ingersoll im fiktiven Städtchen
Hobnob. Dixie ist die beste Schwarzbrennerin weit und breit (ihr „Black Lightning“ ist legendär), verhaftet in einer lieblos gewordenen Ehe und seit dem Tod ihres Babys ihrer einstigen Lebensfreude beraubt. Ingersoll ist ein ehemaliger Soldat, einst im Waisenhaus aufgewachsen, charakterfest – und nunmehr Prohibitionsagent. Sein Auftrag: Er soll gemeinsam mit seinem Chef zwei seit Wochen vermisste Kollegen ausfindig machen. Deren letzter bekannter Aufenthaltsort ist … Hobnob. Anstelle der verschwundenen Agenten trifft Ingersoll auf den Schauplatz eines Verbrechens, ein elternloses Baby – und Dixie …
„Das Meer von Mississippi“ von Beth Ann Fennelly und Tom Franklin (aus dem Amerikanischen von Eva Bonné) ist ein außerordentlich atmosphärischer Roman, der mich sowohl inhaltlich als auch sprachlich gefangen nahm. Ich habe den immerwährenden Regen gehört, die stets etwas klamme Kleidung, die Stiefel, die gar nicht mehr trocknen wollen, beinahe körperlich spüren können. Dabei gelingt es dem Autorenduo vortrefflich, die unterschiedlichsten Töne anzuschlagen, die sich erstaunlich harmonisch zu einem harmonischen Gesamtwerk fügen. Da ist die unerbittliche Wildheit der entfesselten Natur und die verzweifelte Härte der um ihr Überleben kämpfenden Menschen und zugleich eine schmerzliche Zärtlichkeit der Zuneigung und Fürsorge, der Liebe und Sehnsucht. Episch!