Casellis vierter Fall
„...Er fuhr gerade über die Ponte Fascista und sah die Wasser des Tibers silbern im Sonnenlicht glänzen. Einige Möwen saßen auf den Pfeilern, und die gigantischen Adler auf den monumentalen Travertinsockeln ...
„...Er fuhr gerade über die Ponte Fascista und sah die Wasser des Tibers silbern im Sonnenlicht glänzen. Einige Möwen saßen auf den Pfeilern, und die gigantischen Adler auf den monumentalen Travertinsockeln schienen die Brücke achtsam und erhaben zu bewachen...“
Adriana ist eine ältere Dame. Sie lebt in Rom, hat Franca, Tochter einer Freundin, bei sich aufgenommen und außerdem ein Zimmer an einen Jurastudenten vermietet.
Franca bittet Adriana um Geld, da sie mit einem Freund ins Kino gehen möchte. Die aber lehnt ab. Wenige Minuten später verhindert Franca, dass Adriana die falschen Tabletten nimmt. Am Abend verlässt Franca das Haus und hört den Streit zwischen Adriana und ihren Sohn.
Am nächsten Tag wird Adriana von der Putzfrau tot in ihrer Wohnung gefunden. Die Polizei geht auf Grund der Spurenlage von einem Verbrechen aus. Der Fall landet bei Commissario Caselli.
Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben. Es ist der vierte Fall für Commissario Caselli und seinen Partner Scurzi.
Die Personen werden gut charakterisiert. Franca ist ein widersprüchliche Persönlichkeit. Sie ist als Folge der Kinderlähmung behindert. Ihr Vater war ein Spieler und hat damit das Familienvermögen durchgebracht. Nach seinem Tod kamen Franca und ihre Mutter mehr schlecht als recht über die Runden. Einerseits ist Francas Verbitterung auf die freudlose Kindheit und Jugend zurückzuführen, andererseits agiert sie in manchen Situationen sehr geschickt. Als Folge ihrer Einsamkeit genießt sie die Gespräche mit Ameris in der Astro-Hotline, obwohl sie sich die eigentlich nicht leisten kann. Ein Lichtblick ist in letzter Zeit ihre Freundschaft mit Anaya, einem Senegalesen. Doch sie sieht die Beziehung realistisch, wie das folgende Zitat andeutet:
„...Zu zweit, wenn es nicht passt, ist man oft einsamer als allein...“
Geraldo, der Sohn der Toten, steckt ebenfalls in finanziellen Schwierigkeiten. Außerdem verliert sein Antiquitätenladen zunehmend die gehobene Kundschaft, weil im Nachbarhaus eine chinesische Familie einen Laden gemietet hat und die ganze Straße mit lauter Musik terrorisiert.
Die Ermittlungen werden von Caselli und Scurzi gut durchdacht und konsequent durchgeführt, doch ihre Verhöre bringen sie kaum weiter. Dabei darf ich die beiden auf ihren Wegen durch Rom begleiten. Ein Beispiel für die gekonnte Beschreibung der Stadt ist das Eingangszitat. Es zeigt außerdem, dass die Autorin das Spiel mit Wörtern und Metaphern sehr gut beherrscht.
Zu den stilistischen Feinheiten gehört für mich das Gespräch von Caselli mit Ameris, Francas Ansprechpartnerin bei der Astro-Hotline. Anstatt seine Fragen zu beantworten, textet sie ihn zu und legt ihm zum Schluss die Karten.
Ab und an trifft sich Caselli am Abend mit drei Freunden. Dabei wird das aktuelle Thema der Migranten in Italien äußerst kontrovers diskutiert.
Schnell zeigt sich, dass für einige Aspekte der Geschichte ein Blick in die Vergangenheit hilfreich ist. Die komplexen Verflechtungen der Elterngeneration von Franca und Geraldo haben nicht nur deren Leben stark beeinflusst, sondern wirken bis heute nach.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Darin gibt es auch über die Rezension hinaus noch eine Menge an lesenswerten Feinheiten zu entdecken.