Cover-Bild Eine Bonnie kommt niemals allein
11,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Heyne
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Religion & Philosophie
  • Ersterscheinung: 24.05.2024
  • ISBN: 9783641319076
Bonnie Leben

Eine Bonnie kommt niemals allein

Meine Leben mit dissoziativer Identitätsstörung
Mit 18 erhielt sie eine Erklärung für die Gedächtnislücken und Blackouts, für die Schwere in ihrem Leben, die endlich Licht ins Dunkel brachte: Bonnie hat eine Dissoziative Identitätsstörung, früher auch multiple Persönlichkeitsstörung genannt. Sie weiß seitdem: Sie ist Viele. Viele unterschiedliche Personen leben in ihrem Körper: eine komplexe Reaktion auf schwere Kindheits-Traumata, zugleich ein wichtiger Überlebensmechanismus und eine große Last. Wie lebt man sein Leben, wenn man sich den Körper und die Lebenszeit mit anderen teilen muss? Was für Probleme und Strategien ergeben sich im Alltag und wie geht man damit um? Die Geschichte der Bonnies zeigt ihre Stärke und Resilienz, beantwortet zahlreiche Fragen zu einer faszinierenden Lebensrealität und informiert fundiert über eine Diagnose, die für viele nur in vagen Umrissen existiert.

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Jecke in einem Regal.
  • Jecke hat dieses Buch gelesen.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.06.2024

Berührt, sensibilisiert und informiert!

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Die Diagnose der dissoziativen Identitätsstörung (DIS) war für mich als Psychologin nicht völlig neu. Im Rahmen des Studiums kamen dieses Störungsbild und vor allem die dabei verbundenen Lebenswelten allerdings ...

Die Diagnose der dissoziativen Identitätsstörung (DIS) war für mich als Psychologin nicht völlig neu. Im Rahmen des Studiums kamen dieses Störungsbild und vor allem die dabei verbundenen Lebenswelten allerdings sehr kurz - was sich ganz gut mit der leider sehr dünnen Repräsentation in der Gesellschaft, der Öffentlichkeit und Unterhaltungsmedien deckt. Wer schon einmal etwas von der DIS gehört hat, dann vermutlich höchstens weil ein Bösewicht in einem Thriller oder Horrorfilm sich in einem großen Plottwist als multipel herausgestellt hat. Was das genau bedeutet, woher das kommt und wie sich das für Betroffene äußert, lernen wir in diesen Filmen oder Büchern natürlich nicht. Umso wichtiger ist es, dass es Personen wie die Bonnies gibt, die Aufklärungsarbeit über diese Diagnose betreiben. Ich folge den Bonnies schon längere Zeit auf Social Media und habe bereits sehr viel von ihnen gelernt. Als sie ihr neues Buch - "Eine Bonnie kommt niemals allein" - angekündigt haben, war ich dementsprechend gespannt und habe mir ein Exemplar im Bloggerportal angefragt. Es folgt nun meine Rezension, welche aber eher weniger eine konkrete Bewertung des Buches, sondern eher eine Beschreibung meiner subjektiven Erfahrungen damit, sein soll.

Zuerst für eine bessere Einordnung die kurze Information, worum es sich bei einer DIS eigentlich handelt: Früher als multiple Persönlichkeitsstörung bekannt bezeichnet die DIS eine Person, die aufgrund von frühen traumatischen Erfahrungen in der Kindheit eigentlich aus vielen getrennten Persönlichkeiten besteht. Diese Identitäten können unterschiedlich stark ausgeprägt und voneinander abgetrennt sein und sind als Schutzmechanismus der kindlichen Psyche entstanden, um die Last des Traumas auf mehrere Personen zu verteilen. Das erste und wichtigste Learning dieses Buches würde ich also in diesem Zitat zusammenfassen:

"Wir sind nicht gefährlich oder krank. Wir sind viele, weil andere Menschen gefährlich und krank uns gegenüber waren."


Neben der Tatsache, dass eine Person mit einer DIS nicht gefährlich ist (zumindest nicht für andere Personen als sie selbst), hält "Eine Bonnie kommt niemals allein" eine Menge anderer wichtiger Erkenntnisse über die Diagnose, das Leben damit, die blinden Flecken in unserer Gesellschaft und Hinweise zum Umgang damit bereit. Auf knapp 250 Seiten bietet das Buch einen hochspannenden Einblick in die Lebenswelt der Bonnies, der berührt, sensibilisiert und informiert, manchmal aber auch an die Grenzen des Vorstellbaren bringt. Sowohl was den Schmerz, die Gewalt und das Trauma angeht, das die Bonnies durchstehen mussten, wird man beim Lesen ganz schön herausgefordert (wobei sie in ihren Schilderungen zum Selbstschutz vage bleiben und gute Triggerwarnungen vorangestellt sind). Als auch kommt man an die Grenzen des eigenen Einfühlungsvermögens, da man sich als Individuum, das nie eine andere Daseinsform kennengelernt hat, eine Abstraktion wie die Innenwelt nur schwer vorstellen kann. Dementsprechend intensiv und anstrengend war für mich das Lesen, dementsprechend viele verschiedene Emotionen wurden währenddessen geweckt.

"Trauma darf nicht bagatellisiert werden. Trauma macht nicht stark, Trauma macht kaputt. Für einen erwachsenen Menschen, der über genügend Resilienz, Ressourcen und ein stabiles Umfeld verfügt, gibt es erschütternde Situationen, die einen wachsen lassen. Auch hier können manche Risse im Herzen so tief sein, dass niemals bunte Blumen wachsen. Ein Kind möchte nur überleben."


Inhaltlich ist das autobiografische Sachbuch in grobe inhaltliche Kapitel eingeteilt, in denen abwechselnd verschiedene Innenpersonen zu Wort kommen. Insgesamt geht es um die Findung der Diagnose, den groben Aufbau des DIS-Systems, das zugrundeliegende Trauma, wie die Bonnies den Alltag und Beziehungen gestalten, ihr Verhältnis zu ihrem geteilten Körper, Therapie und Unterstützung von außen und allgemein wie es ist, viele zu sein. Dabei sind viele Erkenntnissen über das Leben an sich sowie wichtige Botschaften über Hoffnung, Unterstützung, Freundschaft und Therapie enthalten, die mich sehr berührt haben und ich war auch immer wieder von dem extrem hohen Reflexionsniveau beeindruckt, das den Weg deutlich macht, den die Bonnies und auch einzelne Innenpersonen bereits hinter sich haben.

"Die eine Welt möchte von der anderen nichts wissen. Ich komme sozusagen aus einem Paralleluniversum. Wir sind keine Überlebende Wir sind schon oft gestorben. Es war danach nur nicht vorbei."

Die unterschiedlichen Perspektiven der Innenpersonen sind mit dem jeweiligen Namen der Person, einem Absatz und einem passenden Symbol gekennzeichnet, sodass sofort nachvollzogen werden kann, wer gerade schreibt. Da in diesem Buch insgesamt 20 verschiedene Innenpersonen zu Wort kommen und ihre Erlebnisse schildern, kommt es im Laufe des Buches zu einigen Wiederholungen, Widersprüchen und Überschneidungen. Dabei kann man häufig auch im Schreibstil, den Formulierungen und Erzählton die einzelnen Personen gut heraushören und unterscheiden, sodass sich das Buch ein wenig wie ein zusammengewürfeltes Gruppenprojekt liest, das in den einzelnen Perspektiven Sinn ergibt, aber erst in seiner Gesamtheit zusammenwirkt - ein gutes Sinnbild für die Diagnose selbst.

"Wir sind Menschen, weil wir die Fähigkeit haben, zu berühren. Und berührt zu werden. Wir alle. Ich möchte nicht durch unbegründete Berührungsängste ausgeschlossen werden. Wir sind kein seltenes Phänomen, das im Museum der psychischen Erkrankungen hinter Panzerglas beäugt werden muss. Wir sind mittendrin. Mitten in der Gesellschaft. Wir sind wie ihr. Nur anders strukturiert."


An einigen Stellen habe ich mich dabei ertappt, mir etwas mehr Hintergrundinfos, sachlichen Input vonseiten der Wissenschaft oder eine zusätzliche Perspektive von Außenstehenden Personen zu wünschen, um die Schilderungen besser greifen zu können. Da hier aber nun mal die Bonnies, ihre persönliche Geschichte und ihr individuelles Erleben im Vordergrund stehen, wäre das allerdings fehl am Platz gewesen. Wer sich noch weiter informieren will, kann das natürlich mit Sachbüchern zu dem Thema tun.

"Wir wünschen allen Menschen, die sich nicht gesehen fühlen, dass sie hartnäckig bleiben. Man ist immer für sich selbst der einzige Experte. Wenn man das Gefühl hat, dass sich etwas ändern muss, damit man eine zufriedenstellendere Lebensqualität erfahren kann, hat man immer recht. Was genau sich ändern muss, gilt es mit Hilfe von Experten herauszufinden. Das Bauchgefühl lügt nicht. Die Sehnsucht nach Veränderung ebenfalls nicht. Was schlimm genug ist, bestimmt jeder selbst."


Zuletzt möchte ich noch festhalten, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie schwer es war, mit so vielen einzelnen Perspektiven ein zusammenhängendes Buch zu schreiben. Auch allgemein bin ich sehr beeindruckt, wie viel Mut, Selbstreflexion und Kraft die Bonnies aufgewendet haben müssen, um laut zu sein, ihre Geschichte zu erzählen und dadurch auf die DIS aufmerksam zu machen. Danke Euch und allen, die dieses Buch lesen!

"Eine Bonnie kommt niemals allein. Doch die meisten Bonnies leben für sich. Getrennt voneinander. Überlebende können immense Kräfte aufbringen. Wenn. Wenn mehr Kooperation als Vernichtung im System besteht. Wenn es Themen gibt, bei denen sich die Mehrheit einig ist. Wenn die konstruktive Arbeit einer Person nicht von einer anderen vernichtet wird. (...)Wer auf den Klippen stand und zurück ins Leben fand, der hat größere Lebenserhaltungskräfte als die, die das Leben für selbstverständlich halten. In der Vereinigung liegt die Kraft. Missachten wir das, zerstören wir uns selbst. Das ist nicht nur für das kleine Wir, sondern auch für das große Wir, die Gesellschaft, so. Vielleicht kommt das Wort er-reichen davon, dass wir am meisten erreichen, wenn wir uns die Hände reichen."



Fazit


"Eine Bonnie kommt niemals allein" bietet einen hochspannenden Einblick in die Lebenswelt der Bonnies, der berührt, sensibilisiert und informiert, manchmal aber auch an die Grenzen des Vorstellbaren bringt.

Veröffentlicht am 02.01.2025

✎ Bonnie Leben - Eine Bonnie kommt niemals allein

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Ich habe mich bereits früh mit dissoziativer Identitätsstörung beschäftigt. Spätestens, als mir „Aufschrei“ von Truddi Chase in die Hände fiel - ein Werk, welches mich bis heute nicht loslässt -, wurde ...

Ich habe mich bereits früh mit dissoziativer Identitätsstörung beschäftigt. Spätestens, als mir „Aufschrei“ von Truddi Chase in die Hände fiel - ein Werk, welches mich bis heute nicht loslässt -, wurde mein Interesse geweckt …

Vor dem vorliegenden Buch kannte ich den Instagramaccount der Bonnie Leben nicht. Ich bin also völlig unbefangen an diese Lektüre herangegangen, ohne Stimmen im Hinterkopf oder jegliche Informationen über ihre Personen.

Anfangs war ich sehr interessiert. Verschiedene Personen kommen zu Wort und sie werden gekennzeichnet, indem man ihren Namen nennt.
Oft habe ich dann in den Anhang geblättert, um zu schauen, welches Alter sie hat, um das Geschriebene irgendwie ein bisschen einordnen zu können.

Nur mit „Emely, ca. 4 Jahre, einsam, im Innen eingesperrt“ hatte ich die ganze Zeit meine Probleme.
Im Vorwort heißt es: »Das kann sich auch in ihrer Rechtschreibung bemerkbar machen. Gerade bei jüngeren Personen haben wir uns dazu entschieden, ihre Texte nur zu korrigieren, wenn es für das Verständnis nötig ist.«
Emely schreibt wie sie spricht. Aber: Wie kommt Emely, die im Innen eingesperrt ist, überhaupt dazu, am Text mitzuwirken? Und wie kann eine ca. 4 Jährige schreiben?

Für mich passt da irgendetwas nicht zusammen bzw. fehlt mir hier einfach ein erklärendes Wort.

Dadurch, dass jede Person, die wollte, ihre Worte zu Papier bringen durfte und das auch einige getan haben, kommt es manchmal zu Wiederholungen. Somit hat sich das Lesen für mich streckenweise in die Länge gezogen.

Dass die Namen nicht erklärbar sind, leuchtet mir ein. Trotzdem habe ich mich manchmal dabei erwischt, mich zu fragen, wie man auf den Namen „46“ (vier sechs) kommt.

Im Anhang gibt es ein Q&A, bei dem oft gestellte Fragen nochmals beantwortet werden. (von wem, wird dabei nicht erwähnt)
Auch Begrifflichkeiten werden aufgegriffen und erläutert.

Im Untertitel heißt es: »Meine Leben mit dissoziativer Identitätsstörung.« In meinen Augen ist es eher ein Aufklärungsbuch für Betroffene und Interessierte. Die Bonnies erzählen zwar viel, doch vor allem bestärken sie. Sie bestärken Betroffene, sich bemerkbar zu machen. Doch sie bestärken ebenso Außenstehende, genau hinzuschauen.

»Schrei nicht erst, wenn du denkst, endlich gehört zu werden.
Schrei, bis du gehört wirst.
Irgendwann wirst du auf Menschen treffen, die auch dein Schweigen verstehen.« (Alice)

©2025 Mademoiselle Cake


weitere Zitate:

»Wir nutzen lieber den Begriff Dissoziative Identitätsstruktur.
Wir sind nicht krank. Wir sind die Folge von kranken Umständen und deshalb anders strukturiert.
Heute unterstütze ich es aber auch, die DIS eine Störung zu nennen.
Es stört uns.
Wir sind nicht gerettet, weil wir viele sind, und nun glücklich und frei.
Wir sind eingeschränkt, weil wir viele sind.« (Fiona)

»Doch die eigene Bedeutungslosigkeit zu spüren, wenn man sich zuvor für den Protagonisten seines Lebens gehalten hatte, war ein Schlag ins Gesicht.« (Isa)

»Wir sind keine Überlebenden. Wir sind schon oft gestorben. Es war danach nur nicht vorbei.« (Ilke)

»Man kann um alte Zeiten trauen, ohne sie sich zurückzuwünschen.
Man darf vermissen, auch wenn es sich falsch anfühlt.
Denn eigentlich vermissen wir nicht unser altes Leben, sondern die Person, die wir hätten sein können, wenn es anders gewesen wäre.« (46)

»Es gibt kein Danach. Nur ein Damit.« (Alice)

»Es ist nie ein Fehler, wenn man sich für sich entscheidet.« (Delia)

»Wer dieses Buch liest und nicht selbst viele ist, lässt sich auf einen Perspektivwechsel ein.
Offenheit und die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen, sind der Grundstein für eine Verbesserung der Lebensqualität Betroffener.
Wissen kann man schaffen. Die Bereitschaft, es aufzunehmen, muss jeder selbst einbringen.« (Fiona)

»Hilfen sind da, um in Anspruch genommen zu werden.Wenn es sie gibt und es niemanden weh tut, sie zu gewähren, warum gestaltet sich der Weg dorthin oft steinig?« (46)

»Wir zerbrechen innerlich, doch brechen nicht zusammen. […]
Manchmal möchten wir nicht stark sein. Manchmal möchten wir uns weinend in vertraute Arme verkriechen und gesehen werden, während wir uns verstecken.
Lieber möchten wir laut leben und leise weinen, als laut schreien und leise sterben.
Wir leben und das ist alles, was zählt.« (Alice)

»Im Wir zählt jedes Ich. Doch ohne das Wir ist auch das größte Ich machtlos.« (Fiona)