Überfrachtet
Selten tut es einem Buch gut, wenn es zu sehr gehypt wird. Wenn Obama es empfiehlt und Kritiker weit hergeholte Vergleiche bemühen wie Steinbeck oder Morrison. Ich habe hier vor allem Themen gefunden, ...
Selten tut es einem Buch gut, wenn es zu sehr gehypt wird. Wenn Obama es empfiehlt und Kritiker weit hergeholte Vergleiche bemühen wie Steinbeck oder Morrison. Ich habe hier vor allem Themen gefunden, die derzeit eine Garantie dafür bieten, Aufmerksamkeit und Kritikerlob zu ernten. Genderidentität, Migration und Ausbeutung der Erde treffen auf Klassiker wie Coming of Age, Armut und familiäre Konflikte. Das alles zwischen zwei Buchdeckel gepresst, in einer Sprache, die eher durch Nüchternheit auffällt als durch das von den Kritikern beschworene "ganz Eigene", und zudem oft an die Grenze dessen geht, was inhaltlich belastet bedrückt und weh tut.
Sam und Lucy sind elternlose Kinder chinesischer Abstammung, die zur Zeit des Goldrauschs durch den Wilden Westen ziehen, mit der unbeerdigten Leiche ihres Vaters auf dem Rücken eines gestohlenen Pferdes. Raffiniert spielt die Autorinnen mit den Erwartungen ihrer Leser und weiß das eine oder andere Mal in die Irre zu führen. Dadurch hat sich bei mir jedoch auch Distanz zu Protagonisten und Handlung aufgebaut. Was die Autorin Lucy im letzten Teil zumutet, hat mich zudem regelrecht erbost. Leider kann ich hier nicht ins Detail gehen ohne zu spoilern. Bei mir ist jedenfalls der Eindruck entstanden, dass plötzlich auf bittere Weise alte Rollenklischees willig bedient werden. Und so ist das Buch für mich leider gesprungen wie ein Tiger, aber gelandet wie ein Bettvorleger. Und außerdem möchte ich jetzt zum Trost am liebsten Amy Tan lesen.