Leider gar nicht meine Geschichte..
Wo fängt man am besten an, wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll? Fallen wir heute mal mit der Tür ins Haus und beginnen mit der Kritik. Casey McQuiston hat einen, für mich, sehr unangenehmen, holprigen ...
Wo fängt man am besten an, wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll? Fallen wir heute mal mit der Tür ins Haus und beginnen mit der Kritik. Casey McQuiston hat einen, für mich, sehr unangenehmen, holprigen und chaotischen Schreibstil, der jede Form von Bildhaftigkeit im Keim erstickt. Während die Dialoge zum Teil noch sehr schön zu verfolgen sind und von sowas wie Lebendigkeit zeugen, und auch die eMails größtenteils überzeugen, ist das Drumherum einfach unendlich schwierig zu verstehen. Die Sätze sind zu verschachtelt, transportieren alles in allem zu wenig und sind schlicht zu wirr und chaotisch, um dem Ganzen flüssig folgen zu können. Beschreibungen oder Details sucht man vergeblich – oder man stolpert darüber und vergisst sie sogleich wieder. Dadurch leidet im Grunde die ganze Geschichte, denn wenn man immer wieder gewaltsam aus dem Geschehen gerissen wird, verschwindet der Lesespaß, trotz womöglich guter Storyline ziemlich schnell. Die Greifbarkeit fehlt.
In meinen Augen hätte sich die Autorin definitiv einen Gefallen getan, das Ganze in zwei unterschiedliche Perspektiven zu gliedern und in der Ich-Form zu erzählen. So aber sind endlos lange Kapitel von locker mal 50-70 Seiten entstanden, was sich zusätzlich unweigerlich auf das Lesetempo auswirkt. Ein letzter, nicht unerheblicher Grund, warum mir weder Stil noch Gliederung gefallen haben waren die unerwarteten Sichtwechsel und Kulissensprünge. Im einen Satz ist mit „er“ Henry in England gemeint, im nächsten dann wieder Alex in Amerika – und das alles ohne erkennbaren Hinweis darauf. Das Chaos in meinem Kopf schien perfekt. Sehr schade! Denn mit diesem Schreibstil, in den man selbst nach über 300 Seiten nicht richtig reinkommt bzw. mit dem man nie richtig warm wird, geht das gesamte Buch unter.
Und mit ihm natürlich auch die Besatzung in Form der Charaktere. Henry und Alex sind an und für sich sympathisch gestaltet, die hitzigen Wortgefechte und schlagfertigen Emails tun den beiden jedenfalls immens gut. Doch eine richtige Bindung konnte ich zu keinem der beiden aufbauen. Beide wirken sehr stereotypisch, besonders Henry hat bis auf sein Äußeres kaum etwas an sich, was ihn aus der Masse herausstechen lässt. Er ist sehr, trotz seines Titels, sehr normal, beinah schon ängstlich und irgendwie rückgratlos. Ich bin froh, dass sich das im Laufe der Geschichte etwas relativierte und er somit eine gewisse Entwicklung an den Tag legte. Daran mangelte es Alex nämlich wiederum umso mehr: Alex ist ein ganz typischer Bad Boy, mit einer großen Klappe und viel Selbstbewusstsein. Manchmal hinwegen scheint es, als würde er sich nur hinter dieser Fassade verstecken, denn im ihm schlummert so viel mehr als nur ein attraktiver Präsidentinnensohn. Doch auch er gewinnt immer mehr Einsicht, wenn es auch kein Vergleich zu Henry ist. Alex ist und bleibt der Partykönig, der Spaß am Leben hat und seine Probleme in Arbeit ertränkt.
Beide sind auf ihre eigenen Arten und Weisen glaubhaft in ihren Positionen. Es wurde durchaus ordentlich recherchiert und dargestellt, in was für Leben sie sich befinden und mit welchen Problematiken sie sich auseinandersetzen müssen. Trotzdem fehlte mir manchmal das Verantwortungsgefühl der beiden. Es schien keiner so richtig über das, was sie taten, nachzudenken. Folgen? Egal.
Die Chemie aber stimmte ganz eindeutig. Obwohl mich Henry’s und Alex’s Lovestory emotional nicht catchte, lässt es sich nicht abstreiten, dass die Funken nur so flogen zwischen ihnen. Besonders in Chats und Emails kam dies ganz deutlich durch und machte stellenweise wirklich großen Spaß zu verfolgen. Ansonsten verhielten sie sich aber oft wie pubertierende Teenies, bei denen Sex stets an oberster Stelle steht.
Die Nebencharaktere, die hier auftauchen, sind ebenfalls ein wenig blass, können aber doch irgendwie überzeugen. Allen voran gefielen mir die Schwestern der beiden Protagonisten wirklich extrem gut. So sind sie es, die in den entscheidenden Momente entweder die Schulter zum Anlehnen bieten, oder ihnen ins Gedächtnis rufen, welche Stellung sie haben. Bea und June sind, trotz der Distanz, die ich zu der Geschichte verspürte, die beiden, die mich am meisten für sich gewannen. Da konnten auch Henry und Alex nicht mithalten. Undurchsichtigkeit gab es dabei im Allgemeinen aber fast keine. Sie alle spielten, scheinbar, mit offenen Karten und große Überraschungen gab es (leider) nicht. Negative Gefühle hegte ich eigentlich auch zu kaum einem; lediglich einer stach ein wenig aus der Masse hervor, weil er doch sehr „gegen alles“ war und der wohl schlimmste Spießer, dem man in Büchern jemals begegnet ist.
Die Handlung. Okay. Die Idee, die hinter diesem Buch steckt ist jedenfalls schon mal sehr vielversprechend und interessant! Nicht zuletzt auch wegen all der positiven Stimmen, die im Netz bereits laut wurden, war ich doch voller Hoffnungen, dass mich „Royal Blue“ komplett vom LGBTQ-Genre überzeugen kann. Letztlich war es aber ein eher steiniger Weg. Angefangen damit, dass ich aufgrund des Stils keine Chance hatte, überhaupt so richtig in die Geschichte abzutauchen. Ich fühlte mich immer „so weit weg“ – manches konnte ich nur verschwommen wahrnehmen und ich bin mir sicher, dass mir unglaublich viel auch entgangen ist, ohne dass ich es gemerkt habe. Der weitere Verlauf war nicht das, was ich mir versprochen habe. Die Handlung war süß, teilweise sogar richtig spannend, aber alles in allem sehr klischeehaft und standardmäßig. Dieses typische „vom Erzfeind zum Love Interest“, dies auch noch recht instalove-mäßig abgehandelt und mit viel zu vielen Sexszenen gespickt. Tiefgründe Dialoge findet man nicht im direkten Gespräch der Protagonisten, sondern lediglich, hin und wieder, über die Chats und Emails, die Henry und Alex austauschen. Ansonsten wird sehr oft erwähnt, wie heiß der eine den anderen findet und umgekehrt und wie sie übereinander herfallen. Da blieb einfach keine Zeit für große Wortwechsel. So kam es leider zu gewissen Längen, weil sich Plots schlicht wiederholten. Ich fühlte mich dennoch oftmals recht gut unterhalten, wenn man mal den Schreibstil außen vor lässt und gerade wenn sich Casey McQuiston dann auf die Politik bzw. den Kampf für Gleichberechtigung von Homosexuellen etc. konzentriert, wird die Message, die das Buch ausdrücken soll, deutlich. Dafür gab’s auf jeden Fall einen großen Pluspunkt, weil mir die Umsetzung davon wiederum sehr gut gefiel und mich sogar von Punkt zu Punkt fesseln konnte. Ebenso verhielt es sich mit den offenen Fragen, die sich auftun. Intrigen und Verrat sind in der Politik keine Seltenheit und wurden von der Autorin auch hier geschickt platziert und sorgten für eine kleine Portion Spannung im großen Chaos
Das Ende war dann schließlich rund, auch wenn ich mich frage, wieso man einen 50-seitigen Epilog braucht. Trotzdem gefiel mir der Abschluss der Geschichte, war stimmig und hob die Message nochmal klar und deutlich hervor. Überraschungen gab’s auch hier zwar wieder keine, doch rückblickend war es doch verhältnismäßig spannend und nochmal sehr temporeich.
FAZIT:
„Royal Blue“ von Casey McQuiston war so ganz anders, als ich es mir erhofft oder erwartet habe. Die Geschichte rund um die beiden Söhne der Staatsoberhäupter von Amerika und England ist nicht wirklich überraschend und noch weniger temporeich. Es ist ein stereotypischer New Adult Roman mit einem eher ungewöhnlichen, für mich auch unangenehmen Schreibstil. Lässt man den allerdings mal außen vor, kann das Buch dennoch unterhalten. Zwar gibt es einige Plot-Wiederholungen, sehr viel Sex und nur wenig spannende Gespräche, doch so richtig enttäuscht bin ich trotzdem nicht. Ich würde sagen, wer gern mal ins LGBTQ-Genre schnuppern möchte und die Erwartungen nicht allzu weit oben ansiedelt, der könnte Henry und Alex auf jeden Fall eine Chance geben und sich vielleicht in das homosexuelle Pärchen verlieben.