Bewegende Geschichte
„...Sie war fünfzehn, vielleicht sechzehn. Hatte die Welt noch vor sich. Und schon irgendetwas Unschönes hinter sich. Ihre glasigen Augen verrieten eine stürmische und berauschende Mischung aus Aufregung ...
„...Sie war fünfzehn, vielleicht sechzehn. Hatte die Welt noch vor sich. Und schon irgendetwas Unschönes hinter sich. Ihre glasigen Augen verrieten eine stürmische und berauschende Mischung aus Aufregung und Angst...“
Murph lebt als einziger auf einer Insel in Florida. Dort gibt es eine kleine Kapelle. Zu der kommt Angel. Die junge Frau steht ziemlich neben sich. Auf einer Jacht wird gerade eine Party gefeiert. Zu der will sie auch wieder hin. Murph gibt ihr seine Telefonnummer. Noch versteht sie den folgenden Satz nicht, mit dem Murph sie verabschiedet.
„...Manchmal ist es leichter, in ein Boot zu steigen, als wieder davon herunterzukommen...“
Der Autor hat einen fesselnden und tief berührenden Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich sofort in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil sorgt einerseits für den hohen Spannungsbogen, lässt aber andererseits Raum für tiefsinnige Gespräche. Außerdem liest er si h stellenweise wie eine Reisebeschreibung über die Gewässer Floridas. Hier erlaube ich mit als Leser eine klitzekleine kritische Anmerkung. Eine Karte dieses Wassserstraßensystems und der Inseln wäre hilfreich.
Murph ist in den Gewässern Floridas unterwegs. Er ist ein Mann mit vielen Gesichtern und noch mehr Geheimnissen. Auf der Reise rettet er Summer. Dabei erfährt er, dass sie Angels Mutter ist. Sie kann nicht schwimmen, ist aber trotzdem in einem Akt der Verzweiflung ihrem Kind gefolgt. Murph unterstützt sie bei der Suche.
Ab und an erlaubt mir Murph einen Blick in seine Vergangenheit. Seine Gedanken sind dabei fast philosophisch.
„...Aber das ist das Problem mit Ebbe und Flut. Das Wasser kehrt immer wieder zurück. Nichts und niemand kann es aufhalten. Und wenn es kommt, löscht es die Erinnerung an das, was war...“
Die Geschichte überrascht mit immer neuen Wendungen. Im Kern geht es um den Kampf gegen Menschenhandel. Es sind sogenannte Partyboote, auf denen junge Mädchen festgehalten und an Meistbietende verscheuert werden. Einen solchem Boot folgen sie, um die Spur von Angel zu finden.
Natürlich habe ich mich gefragt, warum Murph Angel zurück aufs Boot gehen ließ. Die Antwort darauf erschließt sich im Laufe der Geschichte. So, wie es war, war es richtig. Er hat ihr Hilfe angeboten für den Moment, wo sie diese wollte. Hier gilt ein Spruch, der im Buch erst später fällt.
„...Man kann das Pferd zur Tränke bringen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen...“
Die Suche ist eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Schnell wird klar, dass Murph dies schon öfter gemacht hat. Trotzdem bleibt er geheimnisvoll.
Der Autor versteht es auf unnachahmliche und sehr diskrete Weise, auch biblische Themen einzubeziehen.
„...Im Garten Eden sind wir in der Abendkühle mit einem Vater spazieren gegangen, der durch eine innige Beziehung mit uns […] die Sehnsucht unseres Herzens stillte. Aber hier draußen, irgendwo östlich oder westlich des Gartens […], fällt es uns schwer, den Vater zu hören. Und selbst wenn wir ihn hören, fällt es uns schwer, ihm zu glauben...“
Murph und Summer begegnen auf ihrer Fahrt weiteren Menschen, die sie auf ihrem Schiff mitnehmen. Immer sind es Schicksale, die berühren. Sehr schnell, eigentlich schon im Prolog, wenn man ihn aufmerksam liest, wird klar, dass der Geschichte ein Gedanke zugrunde liegt. Es geht um die Suche nach dem einen Schaf, das verloren ist, ob aus eigener Schuld oder nicht, ist dafür völlig unwesentlich.
Das Buch besticht durch den klaren Standpunkt, der zum Thema Menschenhandel zum Ausdruck kommt. Natürlich gibt es auch heftige Kampfszenen. Murph ist nicht nur ein gefühlvoller Gesprächspartner. Er weiß im Notfall auch mit Waffen umzugehen.
Das Buch steckt voller Emotionen, sei es eine tiefe Liebe, unfassbare Trauer, innere Sehnsucht oder Schmerz über Verlust.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie hat mich nicht nur gut unterhalten, sondern sie bringt einen auch zum Nachdenken über den Sinn und die Wendungen des Lebens.
Ein Zitat aus dem Nachruf von Murphs großer Liebe soll meine Rezension beenden:
„...Liebe ist wie Wasser. Egal, wie man es zerschneidet, zerteilt, zerschlägt oder ob man es in zehn Milliarden Tröpfchen zerbläst, es dauert nur wenige Minuten und alles hat wieder zusammengefunden. Als wäre nie etwas gewesen. Keine Narbe. Kein Splitter. Nur Wasser...“