Bei Christiane Dieckerhoffs „Spreewaldrache“ handelt es sich um den dritten Fall für Klaudia Wagners Ermittlungsteam. Dieser Spreewaldkrimi ist im April 2018 im Ullsteinverlag erschienen und umfasst 298 Seiten.
November im Spreewald – eigentlich eine ruhige Zeit. Doch dann wird auf einer Spreewaldinsel der junge Daniel Schenker brutal niedergeschlagen. Als die Ermittlungen noch im vollen Gange sind, wird in der Nähe die Leiche eines Obdachlosen aufgefunden. Bald zeigt sich, dass auch der Landstreicher kein Unbekannter ist, und die Ermittlungen führen Klaudia Wagner tief zurück in die Vergangenheit und zu einem nie gesühnten Verbrechen. Immer mehr tritt zu Tage, dass die alteingesessenen Spreewälder eine Menge zu verbergen haben und eine Reise in menschliche Geheimnisse beginnt.
Dieses ist der erste Band dieser Reihe, den ich gelesen habe. Um es vorweg zu sagen: Zwar ist dieser Fall in sich abgeschlossen und durchaus verständlich, doch haben sich mir während des Lesens Fragen gestellt, für deren Beantwortung das Kennen der Vorgängerbände sicherlich hilfreich gewesen wäre. Auch eine dem Roman vorangestellte Auflistung der Charaktere wäre nützlich.
„Dieser Fall war wie Glibber, immer wenn man versuchte, ihn in den Griff zu kriegen, quollen einem die Ereignisse durch die Finger.“ Diese Gedanke Klaudia Wagners bestimmen den Verlauf der Handlung, sodass der Roman weniger durch einen durchgängigen Spannungsbogen, als vielmehr durch Verwicklungen und überraschende Einsichten, die den Leser/innen häppchenweise dargeboten werden, besticht. Zwar baut Christiane Dieckerhoff mit einem Prolog, in dem ein im Jahre 1993 begangenes Verbrechen geschildert wird und auf den sie im Laufe der Erzählung auch zurückgreift, gleich zu Beginn einen Spannungsbogen auf, doch heißt es für Leserinnen und Leser dann erst einmal: Konzentration! Die recht verworrenen Beziehungen und Verhältnisse der einzelnen Charaktere untereinander halten die Leser/innen auf Trab, dazu kommen immer wieder neue Informationen und niemand scheint der-/diejenige zu sein wie vermutet. Vor Überraschungen ist man bei den Spreewälder/innen eben nicht gefeit! Mit dem Tod des Landstreichers nimmt die Spannung dann aber wieder rasant zu und hält sich bis zur Aufklärung des Falles, bei der es allerdings noch einige gewollte offene Fragen gibt – wie im wahren Leben eben.
Die Charaktere sind lebensnah und mehrschichtig gezeichnet. Besonders Klaudia hat mir sehr gefallen, da sie sich zwar als praktische und engagierte Polizistin zeigt, trotzdem aber menschliche Regungen nicht verbirgt.
Immer wiederkehrende Perspektivwechsel helfen, sich in die Figuren hineinzuversetzen. Sehr ansprechende und detaillierte Beschreibungen des Spreewalds lassen Lesende förmlich in diese Welt eintauchen und machen Lust, diese Flusslandschaft einmal zu besuchen.
Dieckerhoffs Sprache ist schnörkellos und flott zu lesen, recht kurze Kapitel lassen Lesende rasch vorankommen. Diesem tut kein Abbruch, dass manche Stellen, vor allem in der ersten Krimihälfte, etwas langatmig erscheinen.
Das Cover zeigt einen Steg über einen Flussarm, die Bäume im Hintergrund gehen in Nebel über – ein guter Einblick zum einen in die Spreelandschaft, zum anderen ein Symbol für das Nebulöse der Charaktere und der Handlung.
Insgesamt legt die Autorin mit diesem Werk einen intelligent konstruierten Kriminalfall vor, der durch Verwicklungen glänzt und zum Mitdenken einlädt: kein Buch, bei dem man abschalten kann, das beim Lesen aber für schöne, spannungsreiche Stunden sorgt. Ich jedenfalls werde bei Gelegenheit auch die vorangegangenen Bände lesen, um Klaudias Geschichte kennenzulernen, und hoffe, dass diese Reihe fortgesetzt wird. Für Freund/innen deutscher Regionalkrimis ist die Lektüre auf jeden Fall zu empfehlen.