Cover-Bild Die Dame mit der bemalten Hand
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Berenberg Verlag GmbH
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 168
  • Ersterscheinung: 25.08.2020
  • ISBN: 9783946334767
Christine Wunnicke

Die Dame mit der bemalten Hand

Roman
Bombay, 1764. Indien stand nicht auf dem Reiseplan und Elephanta, diese struppige Insel voller Schlangen und Ziegen und Höhlen mit den seltsamen Figuren an den Wänden, schon gar nicht. Doch als Forschungsreisenden in Sachen »biblischer Klarheit« zieht es einen eben an die merkwürdigsten Orte. Carsten Niebuhr aus dem Bremischen ist hier gestrandet, obwohl er doch in Arabien sein sollte. Ebenso Meister Musa, persischer Astrolabienbauer aus Jaipur, obwohl er doch in Mekka sein wollte. Man spricht leidlich Arabisch miteinander, genug, um die paar Tage bis zu ihrer Rettung gemeinsam herumzubringen. Um sich öst-westlich misszuverstehen und freundlich über Sternbilder zu streiten (denn wo der eine eine Frau erkennt, sieht der andere lediglich deren bemalte Hand). Es könnte übrigens alles auch ein Fiebertraum gewesen sein. Doch das steht in den Sternen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2021

Ob wahr oder nicht - einfach eine schöne Geschichte!

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Auf nicht einmal 160 Seiten erzählt uns Christine Wunnicke von einer Begegnung zwischen Ost und West, wie sie schöner kaum sein kann.

1764 strandet der persische Astrolabienbauer und Astronom Musa al-Lahuri ...

Auf nicht einmal 160 Seiten erzählt uns Christine Wunnicke von einer Begegnung zwischen Ost und West, wie sie schöner kaum sein kann.

1764 strandet der persische Astrolabienbauer und Astronom Musa al-Lahuri auf einem kleinen Eiland vor Bombay, wo er einen offenbar schwer kranken Europäer findet. Es ist Carsten Niebuhr, ein Forschungsreisender aus Norddeutschland, der am Sumpffieber (Malaria) leidet und erneut einen Fieberanfall hat. Auf der kleinen Insel wollte er einen Tempel erforschen und wurde von seinem Schiff bei der Abfahrt schlicht vergessen. Musa al-Lahuri nimmt sich des Kranken an und zwischen den beiden Zurückgelassenen entsteht fast so etwas wie eine Art Freundschaft. Ihre Gespräche finden auf Arabisch statt, das Beide beherrschen und sowohl Musa al-Lahuri wie auch der wissbegierige Niebuhr erfahren und staunen über das Gesagte des jeweils Anderen. Man versteht sich im sprachlichen Sinne, aber der Sinn bleibt oft genug nebulös, sehr zur Freude der Lesenden, für die diese oft genug aneinander vorbeilaufenden Unterhaltungen ein wahrer Genuss sind.

Während die Figur des Carsten Niebuhr tatsächlich existierte und die Autorin sich weitestgehend an die historischen Begebenheiten hält, entspringt Musa al-Lahuri, der nicht weniger real wirkt als sein Gegenüber, jedoch ihrer Phantasie. In dieser glaubwürdigen fiktiven Begegnung wird deutlich, wie relativ vermeintliche Tatsachen doch sind wie beispielsweise in ihrem Gespräch über das Sternbild Kassiopeia.

„So klein“, seufzt Musa, „Ihr seht das ganze Weibsbild in den paar Sternen. Wir sehen dort nur ihre bemalte Hand“. (Seite 124)

Oder die Beschreibung der Frau, die den Weg aller Beteiligten kreuzt. Für Niebuhr ist sie

"Ein Mädchen, vielleicht fünfzehn, vielleicht achtzehn Jahre alt, hoch gewachsen, mit langem Hals und langen Fingern und Zehen. Ihr Gesicht war rund wie ein Apfel und schmutzig, die Züge weich, die Brauen dramatisch geschwungen. Ihr Haar war zu Zotteln verfilzt und eine weiße Kette … zog sich kreuz und quer hindurch …. Als Kleid trug sie nur ein Tuch, das ihre Brüste kaum bedeckte." (Seite 78)

Für Malik, den Diener Musas, ist sie hingegen

"… seine Zuflucht geworden, seine Helferin und Wohltäterin und der Gegenstand seiner Liebe. … Wäre sie kein Bettlermädchen gewesen, man hätte sie der Hoffart bezichtigen können, wie sie dort stolz einherschritt, als sei sie die Herrin der Insel." (Seite 117)

Und als endlich ein britisches Trüppchen auf der Insel landet, sehen sie

"Ein großes, hageres Frauenzimmer in Lumpen … ; … die jüngere Frau sah verhärmt und auf tragische Weise verlaust aus;" (Seite 140)

Herrlich auch die Sprache, in der die Autorin den Deutschen Niebuhr Arabisch sprechen lässt. Das Märchen ‚Tischlein deck dich‘ wird zu ‚Deck dich selbst, oh kleiner Tisch des Wunders.‘ oder Zufall zu ‚Welch lustvolle Gleichzeitigkeit der Ereignisse.‘

Heiterer und unterhaltsamer als in dieser wunderbaren Geschichte mit ihren liebenswerten Figuren sind Unterschiede und Missverständnisse der Kulturen wohl selten beschrieben worden.

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Veröffentlicht am 19.09.2020

Der Weise und der Mathematicus

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Christine Wunnicke hat ziemlich viel in "Die Dame mit der bemalten Hand" gesteckt - ein bißchen historischer Roman, ein bißchen Lust an Forschung und Entdeckung, am Ausloten und Überwinden sprachlicher ...

Christine Wunnicke hat ziemlich viel in "Die Dame mit der bemalten Hand" gesteckt - ein bißchen historischer Roman, ein bißchen Lust an Forschung und Entdeckung, am Ausloten und Überwinden sprachlicher und kultureller Grenzen und ost-westlicher Kulturdialog. Auf einer verlassenen Tempelanlage auf einer Insel vor Indien treffen sie aufeinander: Der persische Astronom Musa al Lahori, der mit seinem Diener während einer Reise auf der Insel gestrandet ist, und der deutsche Astronom und Kartograph Carsten Niebuhr, von Fieber geschüttelt und letzter überlebender Teilnehmer einer Forschungsexpedition im Auftrag des dänischen Königs.

Der polyglotte Musa muss Geduld aufbringen mit dem bleichen Europäer, dessen Arabisch mit abenteuerlichen Redewendungen gespickt ist, die für den Leser klingen wie die blumige "orientalische" Sprache aus Hauffs Märchen. Carsten Niebuhr ist übrigens keine fiktionale Figur, sondern war tatsächlich im 18. Jahrhundert Forschungsreisender.

Musa kommt in dieser Begegnung die Rolle des Weisen, des Weitgereisten und Erfahrenen zu, der sich über manche Absonderlichkeiten des westlichen Reisenden nur wundern kann, während Niebuhr erst um sein Leben, dann um Worte ringt und Probleme hat zu unterscheiden, wann ihm Musa die Wahrheit erzählt und wann er mit den bunt ausgeschmückten Erzählungen über seine Familiengeschichte einmal mehr fabuliert.

Wenig verwunderlich - zum Bonding dieses ungleichen Paares kommt es über Vermessung und Astronomie, wenn sich auch gerade hier die Kluft zwischen den beiden auftut: Begrenzt Niebuhr den Blick auf das Sternbild Kassiopeia auf einige wenige ihm bekannte Sterne, geht der Blick des Astronomen aus dem Orient viel weiter - für ihn ist Kassiopeia nur ein Teil eines größeren Bildes, nämlich der "Dame mit der bemalten Hand".

Kulturelle Missverständnisse, aber auch die Beziehung zwischen Musa und seinem jungen Diener, den er zwar ständig als Tölpel verunglimpft, gleichzeitig aber eine fast väterliche Besorgnis über die Eskapaden des jungen Mannes zeigt, sorgen immer wieder für komische Situationen. Mit liebevoller, manchmal ironischer Distanz zeichnet auch die Autorin ihre Protagonisten, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen. Die zufällige Begegnung während eines unfreiwilligen Aufenthalts im Halb-Nirgendwo, das wird der Schlussteil des Buches zeigen, hinterlässt bei beiden Spuren. In einer Zeit, in der kulturelle Gräben eher tiefer werden und Vorbehalte wahrer Begegnung zunehmend entgegenstehen, ist "Die Dame mit der bemalten Hand" nicht nur literarische Unterhaltung über Missverständnisse und Dialog, sondern auch ein Plädoyer zum Zuhören und respektvollem Miteinander.

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Veröffentlicht am 14.10.2020

Amüsant und poetisch zugleich

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Ich schaue ja gern auch mal über meinen Tellerrand hinaus und daher habe ich mir vorgenommen, ab sofort jedes Jahr min. ein Buch aus der Longlist des deutschen Buchpreises zu lesen. Das Buch, auf das meine ...

Ich schaue ja gern auch mal über meinen Tellerrand hinaus und daher habe ich mir vorgenommen, ab sofort jedes Jahr min. ein Buch aus der Longlist des deutschen Buchpreises zu lesen. Das Buch, auf das meine Wahl fiel, hat es sogar in die Shortlist geschafft. Zurecht, wenn ihr mich fragt.

Drei Männer, eine Insel und ein Tempel
Das Buch versetzt uns ins Jahr 1764. Auf der kleinen Insel Elephanta (von den Portugiesen so, nach einer Elefantenstatue auf der Insel benannt), treffen zwei Männer aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zum einen Carsten Niebuhr, ein deutscher Forschungsreisender, dessen Expedition den Auftrag hat einen ganzen Fragekatalog an biblischen Fragen in Arabien zu klären. Doch Niebuhrs Mitreisende sterben alle an Fieber und ihn selbst verschlägt es ebenso fiebergeplagt nach Bombay und dann auf die kleine Insel Elephanta. Dort trifft er auf den persischen Astronomen Musa al-Lahuri und dessen Diener Malik. Die beiden warnena uf den Weg nach Mekka als eien Windstille sie auf der Insel stranden lies. Als dann das Schiff ohne sie abfährt, müssen die drei sich wohl oder übel für einige Zeit arrangieren.

Bei 168 Seiten, hält sich die Autorin nicht lange mit Vorgeplänkel auf und konfrontiert sowohl den Leser, als auch ihre Figuren zügig mit dieser Situation. Was folgt, sind Tage auf der Insel voller Gespräche und Annäherungen. Das klingt im ersten Moment vielleicht langweilig, ist es aber überhaupt nicht, denn Christine Wunnicke beschreibt dieses Zusammentreffen der Kulturen sehr pointiert und amüsant. Als Erstes wäre da natürlich die Sprachbarriere. Meister Musa spricht Sanskrit, Persisch, Arabisch, Griechisch und Latein, während Niebuhrs Arabisch eher bruchstückhaft ist. Trotzdem schafft man es irgendwie sich zu verständigen, jedoch nicht ohne Missverständnisse, was wieder zu fast schon ulkigen Gesprächen führt, z.B. wenn Niebuhr versucht ein deutsches Sprichwort ins Arabische zu übersetzten oder Meister Musa einfache befehle im umständlichen Sanskrit ausdrücken muss. Man reden häufig aneinander vorbei und finden doch immer wieder auch Gemeinsamkeiten.

Doch es sind natürlich nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Missverständnisse, die Thema dieses Buches sind und unter den beiden Männern für Verwirrung sorgen. Nicht zuletzt das titelgebende Sternbild, welches in Europa als Kassiopeia gesehen wird, in Indien hingegen Teil einer viel größeren Konstellation ist und das "Himmels-W" nur die bemalte Hand darstellt. Sehr treffend stellt Niebuhr fest:

"Wir glotzen alle in denselben Himmel und sehen verschiedene Bilder! [...] Wir glotzen nach oben und erfinden große Gestalten und hängen sie in den Himmel. Ich eine Frau und du eine Hand und was weiß ich, was andere sehen. Und dann gibt es Streit. Es ist zum Erbarmen!"
(Die Dame mit der bemalten Hand, Christine Wunnicke, Berenberg Verlag, S. 96 (Ebook Ausgabe))

Eine Feststellung, die man in ihrer Aussage noch heute bedenkenlos unterschreiben kann. Abgesehen von diesem gelungenen Aufeinandertreffen der Kulturen, ist Wunnickes Roman aber auch sprachlich einfach schön. Das merkt man besonders, wenn Meister Musa eine seiner Geschichten erzählt, in die man regelrecht versinken kann. Der ganze Roman fühlt sich dabei an, wie eine flüchtige Momentaufnahme. Eine kurze Begegnung, die eine Zeit widerspiegelt, in der Wissen und Glaube sich erst noch arrangieren müssen und das Weltbild der Menschen sich noch im Umschwung befindet. Genau zu dieser Zeit erleben wir ein Treffen, flüchtig, wie ein Traum und vielleicht war es das auch nur. Man weiß es nicht.


Fazit:


Die Dame mit der bemalten Hand ist eine sehr amüsante Momentaufnahme des Aufeinandertreffens zweier sehr unterschiedlicher Menschen und Kulturen, Missverständnisse inklusive. Eine kurze poetischer Erzählung, von der an am Ende nicht genau weiß, was wahr war oder nicht, die den Leser aber trotzdem mit einem guten Gefühl zurücklässt und die ich gern gelesen habe.

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