"Ein Geist ist nichts anderes als ein Traum, der nach dem Tod weiterlebt. Diese Stadt ist voller Geister." Er breitete die Arme aus. "London, eine riesige Stadt voller Träume. Die Menschen erkennen die Geister nicht, selbst wenn sie mit ihnen U-Bahn fahren. Was, meine beiden Gäste, aber könnte wertvoller sein als der Traum eines Totens, der vom Leben handelt?"
Inhalt:
Jude Finney, der mausgraue Junge, ist kein gewöhnlicher Teenager, denn er hat eine ganz besondere Gabe: Er kann die Geister der Toten sehen. Manchen würde diese Fähigkeit wie ein Fluch erscheinen, doch für Jude ist sie ein Segen. Tage und Nächte, verbingt der einsame Junge auf dem "Highgate Cemetery", einem der ältesten Friedhöfe Londons. Hier lässt er sich die spannendstens und traurigsten Geschichten der Geister erzählen. Denn mit den Jahren sind sie unweigerlich zu seiner Familie geworden. Aufgewachsen ohne Mutter, mit einem Vater, der ständig auf Reisen ist, fühlt sich Jude hinter den großen, dicken Mauern des Friedhofes wie zu hause.
Als er eines Tages, um die Geisterstunde herum, ein namenloses Geistermädchen, auf den verschlungenen Wegen des Friedhofes findet, gerät Jude in ein aufregendes Abenteuer, voller Geheimnisse und einzigartiger Geschichten. Denn das namenlose Mädchen, welches von den Geistern ab sofort "Story" genannt wird, ist weder tot noch lebendig. Schnell wird klar, dass der Körper von Story, wo immer er sich auch befindet, in großer Gefahr schwebt.
Es beginnt eine rasante Geschichte, gegen die Zeit und alte, magische Kräfte. Jene Kräfte, welche sich beinahe hinter den Buchstaben der Vergangenheit verfangen hätten... Und damit für immer in Vergessenheit geraten wären..
Schreibstil:
Schon als ich die ersten Buchstaben der Geschichte um Jude und Story las wusste ich, dass mich dieses Buch sofort gefangen hatte, denn der Schreibstil von Christoph Marzi ist einfach magisch. Seine Buchstaben kommen daher, nehmen einen mit, holen einen ab. Jedes Wort malt verspielt, verträumt und unglaublich poetisch die Geschichte um die Geisterwelt Londons. Schon in "Heaven: Stadt der Feen" hatte der Autor diese Magie in jedem einzelnen Wort, dass einen wie ein schwarzes Loch, direkt in seine Geschichte zieht und selbst noch nach der letzten Seite nicht loslässt. Der besondere Schreibstil des Autors lässt sein Buch wie eine Mischung aus Märchen, Traum und Realität wirken. Da ich mich schon immer für Märchen, Geschichten und einen sehr bildhaften Schreibstil begeistern konnte, hat mich Christoph Marzi mit diesem Buch, mitten ins Herz getroffen und hellauf begeistert.
Idee/Umsetzung:
Die Idee hinter den Seiten passt sehr gut zum Schreibstil. Denn der Autor erschafft hier ein kleines, süßes und herzergreifendes Märchen. Anders als in anderen Büchern, wirkt dieses Buch nicht düster und grau, sondern seine Geschichte ist bunt ummalt und schafft so eine kleine, ganz eigene Welt für den Leser, in welche man sich nur zu gerne verirrt. Dabei ist die Grundidee: "Geister zu sehen.." sicherlich nicht neu. Aber die komplette Welt, die der Autor erschafft, ist es. Denn neben den Geistern gibt es noch viele andere geheime und interessante Wesen, die "Memory: Stadt der Träume", seinen ganz eigenen Charakter verleihen und somit auszeichnen. Ich fand dieses Jugendbuch war eine nette Abwechslung zu anderen Fantasygeschichten. So stand hier auch nicht die Liebesgeschichte im Zentrum der Handlung. Sie war eher ein liebliches Pochen im Hintergrund der Geschichte um Jude und Story. Im Zentrum stand dafür ein atemberaubendes und auch spannendes Abenteuer, welches sich rund um "Geschichten" und "Träume" dreht. Denn diese zwei Aspekte sind sehr wichtige Bestandteile dieses Buches. So wird jeder Charakter erst dadurch zu etwas Besonderem, dass seine Geschichte umrissen wird. Christoph Marzi, hat hier mal wieder eine tolle Buchwelt geschaffen, die sich besonders durch das Zusammenspiel der vielen kleinen Elemente, auszeichnet und langsam vor den Augen des Lesers zur Wirklichkeit wird. Nach und nach, langsam, flüsternd, baut sich vor den Augen des Lesers, ein spannendes Abenteuer auf. Jedoch, kam das Ende viel zu schnell und plötzlich. Dies ist in meinen Augen auch leider die größte Schwäche dieses Werkes von C. Marzi gewesen. Während sich der ganze erste Teil, seicht und langsam, aber doch spannend, dem Höhepunkt nähert, wird dieser besagte Höhepunkt, dann viel zu schnell abgehandelt. Viele Zeitsprünge und plötzliche, knappe Handlungen, bilden auf knapp 10 Seiten dann das gesamte Ende der Geschichte. Irgendwie hätte ich mir einen längeren Handlungsbogen gewünscht, der noch ein wenig mit der Spannung des Lesers spielt. Denn so wirkte das Ende leider etwas flach.
Charaktere:
Wie schon erwähnt, spiegelt sich auch bei den einzelnen Buchfiguren die Liebe zum Detail wieder. Zwar steht Jude im Zentrum des Geschehens, doch auch andere Charaktere bekommen ihren Anteil an der Geschichte. So lernt man zum Beispiel den charismatischen Geist Gaskell kennen - ein früherer Rockstar, der duch einen plötzlichen Unfall, nun sein Leben als Geist fristen muss. Gaskell ist ein liebevoller und spannender Charakter, auf dessen Erzählungen man sich als Leser nur allzu gerne einlässt. Im Groben und Ganzen machen gerade die vielen bildhaft dargestellten Figuren, das ganze Abenteuer so aufregend. Immer wieder gibt es neue Geschichten zu entdecken und hören. Es ist demnach nicht verwunderlich, dass das namenlose Geistermädchen ausgerechnet den vorübergehenden Spitznamen: "Story" erhält. Denn wie bereits angesprochen, spielen Lebensgeschichten und Träume eine enorme und bedeutende Rolle. Denn wie vom Autor beschrieben, sind Geister, die lebenden Träume ihres ehemaligen Lebens, aus welchem sie viel zu plötzlich herausgerissen wurden. Einzig schade fand ich es, dass man als Leser viel zu wenig über Judes Vater erfahren hat. Ich hätte gerne noch mehr über in gelesen, denn schließlich ist er entscheidender Faktor dafür, dass der Junge seine Zeit lieber auf dem Friedhof verbringt, als zu hause. Sein Vater wird als sehr verbittert und des Lebens müde dargestellt. Leider erfährt der Leser nie ganz, was sein Herz so schwer belastet. Am Ende werden zwar wenige Faktoren genannt, aber teilweise bekommt man den Eindruck, dass ein Stückchen seiner Geschichte zurückgehalten wurde.
Cover:
Anscheinend scheint Herr Marzi eine gewisse Schwäche für die Stadt London zu haben, denn sie spielt in "Heaven: Stadt der Feen", wie auch in diesem Werk, eine große Rolle. Deshalb finde ich es auch sehr schön, dass die beiden Cover ähnlich aufgebaut sind, denn so wird dem Leser bewusst, wie viele magische Facetten und Welten diese Stadt offen hält. Während das Cover von "Heaven" klar umrissen war, zeigt uns "Memory" eine ganz andere Facette von London: nämlich eine verträumte und düstere Seite. Durch die Farbgebung wird hier zusätzlich eine mystische Stimmung erzeugt, die genau die Atmosphäre im Buch hinterlegt. Alles in allem ein Cover, dass mein Herz höher schlagen lässt und hält, womit es einen in die Geschichte lockt.
Fazit:
Stell dir vor du könntest Geister sehen und stell dir weiter vor, du wärst der Einzige, der verhindern könnte, dass all diese Träume, der lebendigen Toten, auf immer verloren gehen... Was würdest du machen? Diese Frage muss sich der junge, mausgraue Jude in "Memory: Stadt der Träume", von Christoph Mazi, gegenüber sehen. Aber nicht nur er wird in ein atemberaubendes und spannendes Abenteuer gerissen, sondern auch der Leser wird vom Sog der Geschichte erfasst. Denn der Autor schafft es durch einen unglaublich bildhaften, verträumten und märchenhaften Schreibstil, eine neue Welt zu erschaffen, in welcher sich der Leser nur zu gerne auf Abenteuerreise begibt. Jedes Detail in der Geschichte, ist dabei so herzlich und mit Liebe zum Detail umrissen, dass man gar nicht anders kann, als Schritt für Schritt, mit Jude und Story, dem großen Geheimnis auf die schliche kommen zu wollen. Mit jeder Seite wird man Teil der Geschichte und fiebert dem Ausgang entgegen. Zwar kam das Ende dann leider doch etwas schnell und ich hätte mir ein wenig mehr Seiten gewünscht (was schließlich auch dazu geführt hat, dass ich leider nicht fünf Bewertungsherzen vergeben konnte, es demnach nur 4,5 sind) doch letzten Endes, hat mir jeder Buchstabe, jedes Wort, jeder Satz und jede Seite soviel Spaß bereitet, dass ich diese märchenhafte Geistergeschichte jedem ans Herz legen möchte, der einmal der gewöhnlichen, grauen und düsteren Fantasywelt, für ein paar Lesestunden den Rücken kehren und sich in ein farbenfrohes, mystisches Abenteuer begeben will, voller Geheimnisse. Ich hoffe sehr, dass Christoph Marzi nicht aufhört zu schreiben, denn er hat ein unglaubliches Talent dafür, seine Welt, auch für die Leser, greifbar zu machen. Dieses Talent hat nicht jeder und deshalb freue ich mich auf weitere, tolle Geschichten, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lassen...