Sehr gutes Buch
Das Buch zeigt uns viel ausführlicher die Welt der Satmarer, deren Glauben und tägliches Leben.
Die Ich-Erzählerin hat mich sofort in ihren Bann gezogen mit ihrer unfassbar interessanten Geschichte und ...
Das Buch zeigt uns viel ausführlicher die Welt der Satmarer, deren Glauben und tägliches Leben.
Die Ich-Erzählerin hat mich sofort in ihren Bann gezogen mit ihrer unfassbar interessanten Geschichte und der wunderbaren Sprache.
Mich interessiert alles, was mit jüdischem Leben und jüdischer Kultur zu tun hat seit Kindheit, und auch mit dem ultraorthodoxen Judentum hatte ich mich schon häufiger befasst. Einen solch dezidierten Einblick hatte ich allerdings noch nie zuvor erhalten.
Faszination, Erschrecken, Mitleid, Bewunderung, Verständnis, Kopfschütteln, Wut, Unglaube und vieles mehr kommt in mir hoch, wenn ich über die vielen, für uns teilweise bizarr wirkenden Regeln lese, denen sich - wie so oft - vor allem Mädchen und Frauen beugen müssen. Es öffnet sich eine extrem beschränkte, limitierte Welt, die ihre Bewohner in Unwissenheit hält, die Religion und Frömmigkeit mit tiefstem Aberglauben mixt und sich vom Rest der Welt völlig isoliert. Alte Männer bestimmen alles, Frauen sind von jeglicher Bildung abgeschnitten. Männer im Prinzip auch, aber die dürfen immerhin den Talmud studieren.
Die völlig anachronistischen und lebensfeindlichen Regeln, die uns in der heutigen Welt abstrus erscheinen, resultieren aus einer angstvollen und extremen Frömmigkeit, die wiederum darauf fußt, dass die Satmarer nichts so sehr fürchten wie Assimilation. Denn die Angleichung der Juden an Nichtjuden hat G-tt erzürnt und so die Shoa über die Juden gebracht.
Lebt man nun nach all den (teilweise selbst erdachten und jetzt eher sinnlosen) Regeln, bewahrt man sich vor einem neuen Holokaust.
Nachvollziehen kann ich das schon irgendwie, denn die Satmarer sind sämtlich Nachfahren der Shoa-Überlebenden.
Es ist auch eine Stärke der Autorin, dass man die frommen Leute nicht hassen oder gar verachten kann. Man sieht nicht auf sie herab und denkt: sind die blöd.
Man denkt eher: wie ist es, so zu leben?
Geben solche starren Regeln und so ein vorgezeichnetes Leben nicht auch viel Sicherheit und Geborgenheit?
Ganz sicher, aber nicht einer starken und von klein auf „andersartigen“ Frau wie der Autorin, die die Welt ihrer Vorfahren verlassen hat.
Was für ein mutiger Schritt.
Ich gönne ihr den Erfolg von Herzen.
Das Buch kann ich nur empfehlen.