Der Debütroman der 70jährigen Delia Owens ist momentan in aller Munde. Selbst Reese Witherspoon hat bereits die Filmrechte für sich beansprucht, nachdem sie den Roman selbst gelesen hat. Und ich muss sagen, eine Verfilmung würde zu diesem atmosphärischen Buch wirklich hervorragend passen.
Im Prolog, der im Jahre 1969 spielt, wird Chase Andrews, beliebter Quarterback und Frauenheld, der die Autowerkstätte seinen Vaters übernommen hat, tot aufgefunden. Die Einwohner von Barkley Cove sind entsetzt. Aufgrund fehlender Spuren geht der Sheriff von Mord aus. Der Verdacht fällt sehr schnell auf das eigenartige Marschmädchen, zu dem Chase einige Zeit in die Salzwiesen und Sandbänke vor Ort rausgefahren ist. Die Vorverurteilung greift rasch um sich....
Danach sind wir im Jahre 1952 und lernen die erst fünfjährige Catherine Danielle Clark, genannt "Kya", kennen. Ihre Mutter hat eben erst die Familie verlassen. Bald folgen ihr Kyas wesentlich älteren Geschwister. Das kleine Mädchen bleibt mit ihrem Vater in ihrem kargen Zuhause ohne Strom und fließend Wasser im Marschland von South Carolina zurück. Der Trinker und gewalttätige Mann kümmert sich weder um seine Tochter, noch um Vorräte, damit Kya etwas zu Essen hat. Als sie schulpflichtig wird, holt sie die Schuldirektorin ab, doch der erste Schultag wird zum Desaster und das Marschmädchen, wie die Einwohner der kleinen Stadt Kya nennen, wird noch mehr zur Außenseiterin. Nur umgeben von Marschland, ohne Geld, versucht sie zu überleben. Trost sind ihr die Vögel und die Natur, die sie umgibt. Sie sammelt Federn und Muscheln, lebt mit der Natur im Einklang und legt eine kleine Sammlung ihrer Errungenschaten in der Hütte an.
Das Motorboot ihres Vaters dient ihr schlussendlich zur Fortbewegegung. Bis sie es lernt zu steuern dauert es etwas, doch dabei stößt sie auf Tate, der in den Sümpfen angelt. Früher, als ihre Mutter noch zuhause wohnte, war Tate öfters zu Besuch und spielte mit Kya. Im Laufe der Zeit versucht er ihr zu helfen und lernt Kya lesen und schreiben. Um Nahrung zu bekommen verkauft sie Muscheln an den afroamerikanischen Ladenbesitzer Jumpin'. Er wird gemeinsam mit seiner Frau Mabel zu ihrer einzigen Bezugsperson neben Tate werden, vorallem nachdem dieser zum Studium in die nächste größerer Stadt aufbricht. Kya wird wiederum verlassen, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünscht als Freundschaft und Liebe. Sie möchte keine Außenseiterin mehr sein.
In zwei Zeitebenen, die sich nach und nach annähern, lesen wir zuerst von Kya als Kind und später als erwachsene Frau, wobei es immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit gibt. Kya wächst isoliert, nur umgeben von der Natur auf. Sie zieht sich immer mehr von den Menschen zurück, die nur selten ins Marschland kommen und diese verabscheuen. Die Ausgrenzung, der Kya ausgesetzt ist, tat mir beim Lesen richtig weh. Doch Kya ist nicht die Einzige, denn in den 1960iger Jahren in den USA ist die Zweiklassengesellschaft zwischen Weißen und Schwarzen noch sehr ausgeprägt.
Die Entwicklung von Kya zur Frau wird sehr gefühlvoll und einfühlsam beschrieben. Delia Owens versteht es das Marschland bildhaft und eindringlich darzustellen. Man hat das Gefühl gemeinsam mit Kya anwesend zu sein. Die einzigartigen Naturschilderungen, Flora und Fauna, spielen im gesamten Roman eine große Rolle. Später kommen noch kriminalistische Elemente und eine Gerichtsverhandlung hinzu. Der Roman hat einen Sog, den man sich kaum entziehen kann und der sich von der Masse abhebt. Man könnte noch so viel zu dieser Geschichte sagen, aber dann würde diese Rezension noch länger werden.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber trotzdem. Obwohl ich offene Enden nicht mag, wäre für mich der Roman kurz nach der Gerichtsverhandlung zu Ende gewesen. Doch die Autorin erzählt im Schnellverlauf das weitere Geschehen bis hin zum Tod der Protaginistin. Das wäre für mich nicht notwendig gewesen und zerstörte etwas die Atmosphäre.
Schreibstil:
Die Charakter- und Naturstudien wurden von der Autorin in ihrem Debütroman einfach einzigartig dargestellt. Der wunderbare poetische Schreibstil lässt einem in der Handlung versinken. Die Geschichte fesselt ungemein. Aber auch die Entwicklung von Kaya vom Kind zur Frau, ihre Gefühle und Beobachtungen, sowie der Wunsch dazuzugehören, sind immer gegenwärtig und spürbar.
Dazwischen gibt es auch Zitate und Gedichte, die in die Handlung miteingebracht wurden.
Am Anfang findet man eine Karte der Region zur besseren Übersicht.
Fazit:
Ein Roman, der sich aus der Masse abhebt, dessen Inhalt nachdenklich stimmt und in Erinnerung bleibt.
Wunderschöne Naturstudien und ein malerisch poetischer Schreibstil machen diesen Debütroman (!) zu etwas ganz Besonderem. Auch wenn ich das Ende nicht ganz gelungen fand, vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung!