"Dolce Vita für Fortgeschrittene" ist vor ein paar Monaten bei mir eingetrudelt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Der Klappentext klang wunderbar und interessant, das italienische Feeling mag ich ja auch sehr gerne und gerade die Plotidee, nämlich die Gründung einer Agentur, die sich vorwiegend mit italienischen Klischees beschäftigt, hat mich sehr fasziniert. Wer kennt das nicht: Anderes Land, andere Sitten und zusätzlich auch andere Klischees. Die Deutschen mit ihren Socken in den Sandalen, die immer diszipliniert abends ihre Arbeit mit nach Hause nehmen und dabei am besten noch ein Maß Bier trinken. So kämpft jedes Land mit Vorurteilen und Klischees, die Dori Mellina in ihrem Buch – bezogen auf Italien – in einer humorvollen Art und Weise widerlegt bzw. widerlegen möchte.
Im Großen und Ganzen hat mir "Dolce Vita für Fortgeschrittene" gut gefallen. Die Idee, dass die italienische Laura, die in Deutschland lebt, die Klischees der Deutschen über die Italiener erläutert und klarstellt, fand ich wirklich toll. Vor allem, weil sie damit nicht nur betont, dass man nicht alles, was man über ein anderes Land zu wissen scheint, auch wahr ist. Sondern, weil sie auch die wirklichen Unterschiede in der deutschen und italienischen Kultur aufzeigt. Dass die Deutschen lieber über Versicherungen und Pünktlichkeit reden, während die Italiener lieber das Leben genießen; dass es in Italien vollkommen normal ist, als Frau von Männern angehupt zu werden, während man sich in Deutschland direkt die Frage stellt, was hat man wohl falsch gemacht; dass man in Italien beispielsweise auch kein Trinkgeld bezahlt, während das in Deutschland üblich ist; dass es in Italien überhaupt nicht normal ist, einen Kaffee oder Cappuccino nach dem Essen zu trinken, obwohl die Deutschen das wohl denken und und und. Diese Liste lässt sich um Längen weiterführen, denn die deutsche und italienische Art und Kultur könnten kaum unterschiedlicher sein.
Das alles konnte die Autorin wunderbar vermitteln. Sogar so gut, dass ich des Öfteren laut lachen musste und sofort meinen italienischen Freund um Rat fragen musste, weil ich mir wirklich nicht vorstellen konnte, dass die Italiener dieses und jenes nicht tun, obwohl es bei uns doch längst so in den Köpfen drin ist. Was mich an dem Buch allerdings enttäuscht hat, war der teilweise sehr chaotische Plot. Dori Mellina erschafft einen Handlungsstrang nach dem anderen: Lauras "Mann" Martin, Lauras Freund Alex, drei verschiedene Aufträge für die Agentur, Lauras normaler Job, ihre Familie in Italien, das Aufräumen mit den Klischees, das Liebesleben ihrer Freundinnen (egal ob die italienischen oder deutschen) und so weiter. Man merkt dem Buch an, dass die Autorin versucht hat, eine interessante Geschichte mit einer Art "Lehrauftrag" zu verbinden, aber meiner Meinung nach ist ihr das nur mittelmäßig gelungen. Mich hätte sie mehr damit abholen können, wenn sie sich auf den Plot aus dem Klappentext konzentriert hätte oder eben eine Art Lektionenbuch daraus gemacht hätte (zum Beispiel vergleichbar mit "Wie man Italiener wird in 30 Lektionen" von Markus Ebert). Meiner Meinung nach hat sich die Autorin damit zu sehr verstrickt und stellenweise den Fokus verloren.
Sichtbar wurde das für mich vor allem bei den Charakteren. Laura erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht, in der Ich-Perspektive, so dass man es als Leser mühelos schafft, sich mit ihr zu identifizieren. Laura an sich fand ich auch gut ausgearbeitet. Sie erschien mir als eine überzeugende Italienerin, die nach Deutschland ausgewandert ist, dort ein neues Leben aufbaut, sich mit der deutschen Kultur arrangiert, aber ihre italienischen Wurzeln liebend gerne erhalten möchte. Auch ihr Mann Martin, der zwar auch ein wenig stereotypisch geschildert wurde, konnte mich noch überzeugen. Allerdings konnte ich mit Lauras Freundinnen nicht wirklich etwas anfangen. Da ist Ilaria, die sich nie wirklich auf einen Mann festlegen will, Kathrin, die seit Ewigkeiten single ist, weil sie nie den Richtigen findet, Simona mit der typischen großen Familie und über Michaela erfährt man eigentlich überhaupt nichts. Obwohl sie alle nur Nebencharaktere sind, hätte ich mir da mehr Ausarbeitung und mehr Tiefgründigkeit gewünscht. Sie wirkte alle sehr blass, wie Figuren aus dem Baukasten, denen einiges an Leben gefehlt hat. Mir ist schon klar, dass das nicht der Fokus der Geschichte ist und dass sie alle nur Nebenfiguren sind, doch meiner Meinung nach hätte man dann auch ein, zwei Charaktere weglassen und sich dafür mehr um die anderen "kümmern" können.
Der Schreibstil von Dori Mellina hat mir dagegen sehr gut gefallen. Mit einer sehr humor- und temperamentvollen Art und Weise beschreibt sie die Unterschiede und Klischees der beiden Länder und schmückt diese mit kleinen Fußnoten, um den Leser umfänglich zu informieren. Gerade, was die italienischen Sprichwörter, Sitten und Gesten angeht, habe ich einiges dazu lernen können, was mich sehr gefreut hat.
Fazit
"Dolce Vita für Fortgeschrittene" ist ein lehrreiches und humorvolles Buch, das einige interessante Facetten der deutsch-italienischen Beziehung und deren extreme Unterschiede aufzeigt. Ich habe viel lernen können, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass die Autorin sich auf eine Hauptplotidee festlegt und nicht so viele Handlungsstränge erschafft, unter denen meiner Meinung nach die Charaktere enorm gelitten haben. Trotzdem kann ich das Buch empfehlen, denn mir hat es schöne Lesestunden bereitet.