Literatur zum Träumen
Mit Elke Heidenreichs Reisegeschichten klingt für mich gerade das Jahr aus und das fühlt sich sehr passend an. Es ist tatsächlich meine erste literarische Begegnung mit Frau Heidenreich und die Frau ist ...
Mit Elke Heidenreichs Reisegeschichten klingt für mich gerade das Jahr aus und das fühlt sich sehr passend an. Es ist tatsächlich meine erste literarische Begegnung mit Frau Heidenreich und die Frau ist mir auf Anhieb sympathisch, ihre saloppe Art gefällt mir, tut mir gut, einfach auch mal Fünfe gerade sein lassen. Gemeinsamkeiten zwischen uns beiden, unseren Lebensstilen und Reisen entdecke ich erstmal keine. Ich lebe ein sehr häusliches Leben, bin wenig gereist und noch seltener alleine, einfach durch Orte gestreift, ziellos und neugierig. Die Vorstellung gefällt mir und doch schreckt mich der Massentourismus enorm ab, die Vorstellung, mich durch Menschenmassen zu schieben, für die Einheimischen nicht von diesem unattraktiven Pulk an Schaulustigen zu unterscheiden zu sein. Heidenreichs ohne Frage sehr privilegierte Reiseerfahrungen lesen sich kurzweilig und unterhaltsam, manch eine Geschichte überblättere ich, weil ich mit Opern wirklich so gar nichts am Hut habe, andere sauge ich komplett auf und notiere mir direkt einen neuen Sehnsuchtsort. Ob ich diesen jemals wirklich sehen werde? Ich weiß es nicht, aber das macht mir gar nichts aus, solange es Literatur gibt, die mich zum Träumen bringen, weit fort und direkt in mein Innerstes reisen lassen kann.
„Was ist es, das mich Stadtkind auf solchen Reisen so glücklich macht? Ich erlebe ja im Grunde nichts - ich wandere, schaue, sitze im Pub, trinke, rede, ich bin Teil von irgendetwas, das so viel größer ist als ich. Geschichte, Leben, Tod, Jahrhunderte - alles ist eins, alles ist wichtig und zugleich völlig unbedeutend. Man spürt, was für eine grandiose Einheit Leben und Tod sind und dass der Tod nicht irgendwann kommt, sondern immer schon da ist, unserm Leben einen Sinn gibt und kein schauerliches Gerippe ist, sondern, wie in Hugo von Hofmannsthals Gedicht, » ein großer Gott der Seele«. Ich spüre auf solchen Reisen: meine Seele. Und wie schön es ist, dankbar alt zu werden.!“ S. 112