Spectrum war für mich eine Überraschung, denn obwohl ich nicht in der Stimmung war, einen Thriller zu lesen, so hat es nicht lange gedauert, bis mich dieses Buch abgeholt und begeistert hat.
In „Spectrum“ wird man ähnlich wie in „The Mentalist“ mit einem ungewöhnlichen Charakter konfrontiert, der entscheidend zu der Lösung des Falls beiträgt. Denn Dr. August Burke hat das Asperger-Syndrom, tut sich dementsprechend schwer im Kontakt mit anderen Menschen, ist aber hochintelligent und mit einer hervorragenden Kombinationsgabe ausgestattet. Aufgrund dessen wird er von Special Agent Samuel Carter, der durch eine Beförderung erst kürzlich hinter den Schreibtisch verbannt wurde, sich aber dennoch lieber in den Außendienst stürzt, bei einer Geiselnahme als Berater des FBIs hinzugezogen. Schnell wird klar, dass seine Hilfe hier auch dringend notwendig ist, denn die Geiselnehmer verhalten sich ungewöhnlich und schinden Zeit und Burke scheint der einzige zu sein, dem wichtige Details auffallen. Bestärkt wird das Team unter anderem durch Dominic „Nic“ Juliano, der sich aus den Zwielichtigkeiten seiner Familie zurückgezogen hat und nun dem SWAT-Team angehört. Es entwickelt sich ein ungleiches Dreiergespann, das der Lösung des Falls durch Burkes geniale Eingebungen immer wieder ein Stück näherkommt. Parallel dazu können weitere Handlungsstränge verfolgt werden, wie der der Geiselnehmer und der von Constable Isabel Price, einer südafrikanischen Polizistin, die einen persönlichen Rachefeldzug gegen einen der Geiselnehmer plant.
Da die Handlung aus der Sicht vieler verschiedener Personen erzählt wird, kann es schnell passieren, dass man sich – vor allem zu Anfang – überfordert fühlt und Namen durcheinanderbringt. Mit der Zeit konnte ich sie jedoch auseinanderhalten und es gefiel mir zunehmend gut, dass die Perspektive immer wieder gewechselt wurde. Dazu tragen auch die wirklich sehr kurzen Kapitel bei, die ein schnelles Lesen garantieren und eine gewisse Dynamik reinbringen. Auf diese Weise muss man sich auch nicht ewig mit einem Handlungsstrang abmühen, den man vielleicht eher uninteressant findet.
Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und stellenweise mit gutem Humor gespickt, der mich immer wieder breit grinsen oder sogar laut auflachen ließ. Vor allem die Schlagabtäusche innerhalb des engeren Kreises (Nic, Carter, Burke, Taz, …) waren sehr amüsant, aber auch Burkes etwas ungewöhnliche Art, weil er beispielsweise Ironie oder Hyperbeln nicht verstand, war unglaublich charmant. Im Gegensatz dazu finden sich hin und wieder Passagen, die auch mal etwas mehr Konzentration erfordern, so zum Beispiel, wenn Burke etwas wissenschaftlich erklärt oder einen seiner brillanten Einfälle sehr detailliert äußert. Da kommen manchmal auch die jeweiligen Gesprächspartner nicht mit. Dies war aber nicht störend, sondern unterstrich noch einmal die Einmaligkeit von Burkes Charakter.
Gerade Burke ist auch die Figur, die in diesem Buch am meisten Aufmerksamkeit erhält, denn nicht nur seine geistigen Ergüsse werden immer wieder thematisiert, sondern auch seine Ängste und Zweifel, die durch das Asperger-Syndrom für ihn einhergehen. Da es ihm schwerfällt, Gefühle und Verhalten anderer Personen, mit denen er interagiert, vorherzusagen und zu deuten, verhält er sich nicht selten für die Situation unangemessen und mitunter auch verletzend und vermeintlich arrogant. Mehr als einmal äußert er aber, dass er anderen nur helfen und niemandem auf den Schlips treten möchte. Der Autor hat Burke wirklich sympathisch und authentisch entworfen. Auch Menschen, die von dem Asperger-Syndrom noch nie etwas gehört haben, bekommen hier einen guten Eindruck davon, was darunter zu verstehen ist und welche negativen wie auch positiven Aspekte damit einhergehen. Burke war der aufregendste und interessanteste Charakter, bei dem man nie abschätzen konnte, wie er sich verhalten würde, und der immer wieder für Überraschungen gut war. Die erste Überraschung ergab sich auch schon gleich bei seinem ersten Auftritt, denn entgegen meiner Erwartung, die sich vor allem durch seinen etwas unmodernen Namen gebildet hat, handelt es sich bei Burke um einen jungen Mann um die 20, der schon auf der Highschool drei Collegeabschlüsse und einen Doktortitel online - und unter falschem Namen - erworben hat.
Seine Beziehung zu Nic und Carter war eine ganz besondere Komponente des Buches. War anfangs noch eine gewisse Abneigung gegenüber Burke auf Seiten Nicks zu spüren, so entwickelte sich mit der Zeit eine Freundschaft, die mich dann und wann zum Schmunzeln brachte. Carter fügt sich in das Dreiergespann ebenfalls wunderbar ein, indem er sowohl für Burke als auch für Nic eine Art Vaterrolle einnimmt. Die drei bei ihrer Arbeit mitzuverfolgen, war eigentlich das Interessanteste an dem Buch und hebt es auch gegenüber anderen Büchern aus dem Genre hervor.
In die Handlung sind sowohl spannungsreiche als auch ruhigere Passagen eingeflochten, in denen man mehr über die Personen erfährt oder Nic, Burke und Carter bestimmten Indizien nachgehen. Hier ist eine gute Balance gefunden, sodass das Buch zu keinem Zeitpunkt für mich langweilig oder uninteressant wurde. Plätscherte die Handlung schon längere Zeit vor sich hin, so wurde sie durch Burkes ungewöhnliches Vorgehen und seine Theorien oder auch durch überraschende Wendungen belebt, die wieder Spannung garantierten.
Je weiter es sich dem Ziel näherte, desto eher hatte ich jedoch den Eindruck, dass die Zusammenhänge immer komplizierter wurden und manche von Burkes Geistesblitzen vielleicht etwas zu weit hergeholt und nicht ganz nachvollziehbar waren. Dennoch war das große Finale in meinen Augen ein angemessener und spannender Abschluss für Spectrum, der Interesse an den Folgebänden weckt. Ich möchte definitiv mehr von Burke, Carter, Nic und auch Isabel lesen, die in diesem Buch leider etwas kurz gekommen ist.
Fazit
Mir hat „Spectrum“ überraschend gut gefallen. Der Thriller überzeugt durch eine sehr durchdachte Handlung, genau dem richtigen Maß an Spannung und Witz sowie außergewöhnliche und spannende Charaktere, deren Beziehung zueinander interessant mitzuverfolgen ist. Ich hatte mit diesem Auftakt sehr viel Freude und kann ihn definitiv weiterempfehlen. Wer Serien wie „The Mentalist“ und „Death Note“ mag, kommt bei „Spectrum“ definitiv auf seine Kosten. 4,5 Sterne!