Das Buch „Die Stille des Todes“ ist der erste Teil der „Trilogie der Weißen Stadt“ der Spanierin Eva García Sáenz. Haupthandlungsort im Thriller ist Vitoria, die Hauptstadt des Baskenlands. Die Ermittlungen übernimmt Inspector Unai López de Ayala gemeinsam mit seiner Kollegin Inspectora Estíbaliz Ruiz de Gauna. Seit seiner Jugend hat Ayala den Spitznamen „Kraken“, vielleicht weil es bei ihm schwierig ist, wie bei den gleichnamigen Tieren,, etwas über ihn zu erfahren. Als Leser blieb ich an seiner Seite, denn er erzählt die Ereignisse in der Ich-Form im Rückblick. Allerdings unterbricht ein weiterer Handlungsstrang, der zu Beginn der 1970er Jahre spielt, das in zeitlicher Reihenfolge ablaufende Geschehen. Eine Ausnahme dazu bildet der Prolog, in dem Ayala kurz ein Statement zu den vorigen erfolgten Ermittlungen abgibt. Das Erschreckende daran war für mich, dass er von einem Schuss des Mörders auf ihn erzählt. Spannender konnte der Einstig kaum sein, denn nun wollte ich natürlich wissen, ob der Mörder gestellt werden konnte und Ayala überlebt hat. Ich mag Bücher mit Ich-Erzähler, die rückblickend aus dem Jenseits erzählen, nicht. Wird der Thriller wieder in diese Kategorie fallen? fragte ich mich daher nach der Einleitung.
Vitoria wurde vor zwanzig Jahren von einer Serie von Morden erschüttert. Erst waren es ein neugeborenes Mädchen und ein neugeborener Junge, dann zwei Fünfjährige, des Weiteren ein zehn Jahre altes Pärchen und schließlich ein Fünfzehnjähriger und eine Fünfzehnjährige, die ermordet, entkleidet und auf besondere Weise arrangiert an jeweils einem historischen Ort in der Stadt aufgefunden wurden. Der Täter wurde damals gefasst, doch das Prekäre war, dass es sich dabei um einen aus dem Fernsehen bekannten Archäologen handelte der von seinem eineiigen Zwilling, einem Polizeiinspektor, verhaftet wurde. Jetzt werden Ayala und Gauna an einen Tatort gerufen, bei dem alles an die damalige Mordserie erinnert. Die beiden Opfer sind zwanzig Jahre alt, was an den Altersabstand der früheren Tötungen anknüpft. Aber der Mörder sitzt noch im Gefängnis, soll allerdings in zwei Wochen entlassen werden. Wurde er unschuldig verurteilt oder ist es möglich, dass er aus der Haft heraus die Taten veranlasst? Die Ermittler stehen vor einem Rätsel und die Zeit drängt, denn die 25-jährigen der Stadt geraten in Panik, diesmal auf der Liste des Täters zu stehen …
Die Autorin legt von Beginn an die Spannungslatte sehr hoch. Ich habe mitgerätselt und darauf gehofft, dass sich die Morde schnell klären lassen, obwohl mir das schon aufgrund der über 500 Seiten schlichtweg nicht möglich erschien. Im Einschub von Kapiteln mit der Einflechtung von Geschehnissen in den 1970ern erfuhr ich mehr über die Mutter der eineiigen Zwillinge und hoffte darauf, dadurch einen Erkenntnisvorsprung gegenüber den Ermittlern zu erhalten. Eva Garciá Sáenz lässt ein um die andere Wendung in ihre Geschichte einfließen. Mit den beiden Inspektoren schafft sie ganz unterschiedliche Charaktere über deren Privatleben ich zunehmend mehr erfuhr. Oftmals denken die beiden in unterschiedlichen Richtungen, was zu konstruktiven Auseinandersetzungen untereinander führt. Zwar ist die Suche nach Indizien kleinteilig, aber nie langweilig. Die Inspektoren gehen gelegentlich ihren eigenen Vermutungen nach. Durch ihre längere Zusammenarbeit lässt sich dabei das Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen spüren.
Die Autorin beschreibt die Leichenfunde so, dass ich mir die Szene gut vorstellen konnte. Bei den Ermittlungen fließt wenig Blut, der Fokus liegt eindeutig auf der Suche nach Indizien. Nicht nur die Fundorte, sondern die gesamte Erzählung ist eingebunden in die Historie der Stadt Vitoria und ihrer Umgebung zu der Eva Garcia Saenz einiges zu erzählen hat. Außerdem lässt sie die Morde im Juli und August geschehen, in einer Zeit in der wichtige Festivität in der Stadt stattfinden. Trotz des Grausens aufgrund der Verbrechen bekam ich Lust dazu, die Region im Baskenland bei Gelegenheit zu besuchen. Einen kleinen Eindruck gewinnt man vom Cover des Buchs, das den Weg vom Markt zur Kirche San Vicente Martir zeigt. Dabei blitzt im Hintergrund der Glockenturm der Kirche San Miguel Arcangel heraus, einem Ort der im Buch eine Rolle spielt.
Der Thriller „Die Stille des Todes“ von Eva Garcia Sáenz konnte mich von Beginn an begeistern. Aufgrund zahlreicher unerwarteter Wendungen, gut ausformulierter Charaktere und einer fein abgestimmten Konstruktion ist der Thriller fesselnd bis zum Schluss. Ich freue mich darüber, dass es noch zwei weitere Fälle für das Ermittlerpaar Inspector Unai López de Ayala und Inspectora Estíbaliz Ruiz de Gauna sowie ihren Kollegen vom Kommissariat im baskischen Vitoria gibt, die bald in deutscher Sprach erscheinen werden. Klare Leseempfehung an Thrillerfans!