Alles für die Familie
" Diener für niedere Arbeiten konnte sich nur eine Minderheit der vorindustriellen Gesellschaft leisten, im Zuge der Demokratisierung steht heute fast dem gesamten männlichen Bevölkerungsteil eine Ehefrau ...
" Diener für niedere Arbeiten konnte sich nur eine Minderheit der vorindustriellen Gesellschaft leisten, im Zuge der Demokratisierung steht heute fast dem gesamten männlichen Bevölkerungsteil eine Ehefrau als Dienerin zur Verfügung."
Dieser Satz findet sich fast am Ende des Buches von Evke Rulffes und er wirkt unwirklich. Nach der Lektüre bildet er allerdings eine logische Konsequenz aus der bisherigen Entwicklung, schließlich ist es nichts anderes, was eine Ehefrau verrichtet, Dienste, die früher von Dienstboten verrichtet wurden und aus Kostengründen irgendwann immer mehr in die Verantwortung der Ehefrau übergingen.
Die Autorin setzt in ihren Ausführungen recht früh an, geht Jahrhunderte zurück, zeigt eine Zeit in der es vollkommen normal war, das Frauen Betriebe führten, ein Handwerk ausübten, Handel trieben. Gerade in Kriegszeiten war es unabdingbar, dass Frauen all diese Tätigkeit autark und selbständig ausführen konnten, um so in Abwesenheit der Männer das Auskommen der Familie zu sichern. Später werden Mann und Frau als Partner dargestellt, allerdings kommt es immer mehr zu einer gewissen Aufgabenverteilung. Während der Mann die Rolle des Hausvorstandes ausübt, obliegt es der Frau über das Gesinde und die täglichen Aufgaben in Haus und Hof zu wachen. Es gibt für ihr Aufgabenfeld schriftliche Ratgeber, Die Hausmutter, erscheint in mehreren Bänden und gibt umfassende Tipps für alle Lebensbereiche, von Rezepten, über das Verhalten gegenüber dem Gesinde, bis hin zu ehelichen Pflichten wird alles behandelt. Diesem Abschnitt widmet sich die Autorin über weite Strecken des Buches, sehr interessant, aber manchmal etwas langatmig.
Das Buch zeigt sehr eindrücklich die Anforderungen, die an eine Ehefrau in verschiedenen Zeiten gestellt wurden und wie sie immer wieder an ihrem Verhalten gemessen wird. Nach der Lektüre verstehe ich um einiges besser, warum Frauen auch heute noch anders gesehen werden, in Rollen feststecken, unsicher sind und von Selbstzweifeln geplagt werden und sich aufreiben im Spagat zwischen Familie, Haushalt und Beruf.
Die Hausfrau ist tatsächlich eine Erfindung, wie der Titel ganz richtig beschreibt. Eine Erfindung der Gesellschaft, aber vor allem eben von Männern. Die Ehefrau, die schon immer zum Einkommen der Familie beigetragen hat, darf dieses nicht mehr offen, denn es würde dem Ansehen des Mannes schaden. Sie soll repräsentieren, den Wohlstand mehren, in dem sie Arbeiten nicht mehr auslagert, sondern selbst ausführt. Sie soll die Erziehung der Kinder übernehmen, dem Mann nach einem schweren Tag eine Stütze sein, nie klagen, oder sich beschweren und möglichst trotz einem vollgepackten Tag noch ihren ehelichen Pflichten nachkommen.
So sehr wir bei diesem Bild auch schmunzeln, zeigt die Autorin doch, wie weit in die jüngere Vergangenheit hinein dies Alltag war. Die Erkenntnis regt zum Nachdenken an und zum reflektieren über eigene Rollenbilder.