Auf gewohnt sachlich distanzierte Weise präsentiert Ferdinand von Schirach uns mit seinem neuen Buch 12 neue Erzählungen aus dem Bereich der deutschen Rechtsprechung. Sehr gut gewählt ist wieder der Titel des Buches, denn dieses Mal geht es um nicht erteilte Strafe, die eigentlich auf ein Verbrechen folgen sollte. Jedenfalls, wenn es gerecht zuginge vor den Gerichten - der allgemeinen Einschätzung nach zumindest.
Doch was passiert, wenn man diese Erzählungen liest? Man ertappt sich bei der ein oder anderen Story, dass man aufatmet, weil die Tat nicht gesühnt wurde. Wie kann das angehen, wenn man selbst doch durchaus ein meistenteils gesetzestreues Mitglied unserer Gemeinschaft ist? Das wird wohl das Geheimnis des Ferdinand von Schirach bleiben, wie er solche Misstöne in das gesunde Gerechtigkeitsgefühl des Lesers zu setzen vermag.
Wie immer geht er ganz leise ans Werk, schleicht sich mit der durchaus detaillierten jedoch nie überladenen Schilderung der Lebensumstände von Opfer und Täter an und dann schlägt er zu. Manches Mal hält man die Luft an, wenn das Ende einer Story naht. Ein anderes Mal muss man wirklich schmunzeln, wie beim kleinen Mann. Am meisten beeindruckt und mitgenommen hat mich gleich die erste Geschichte Die Schöffin und auch Subotnik. Wie unsagbar bürokratisch kann unser Rechtssystem sein, dass sowohl die Gerechtigkeit als auch die Leben der am Prozess beteiligten Personen dem untergeordnet werden. Man kann es kaum nachvollziehen.
Bei jedem seiner Bücher erstaunt mich immer wieder, wie von Schirach es fertig bringt, den Leser trotz seiner knappen distanzierten und tatsächlich nahezu emotionslosen Schilderung so einzunehmen. Ich gestehe, dass es nur wenig Bücher gibt, die mich so ergreifen wie seine. Vielleicht weil er wirklich alles schreibt und nichts umschreibt. Weil man solch umfassende Geschichten in kurzen, prägnanten Sätzen serviert bekommt, sodass kaum Zeit bleibt, sich zu wappnen. In einem Absatz kann so viel passieren, wie sonst bei anderen Schriftstellern auf etlichen Seiten.
Wie auch immer: Ich liebe seine Bücher!
Und deshalb kann ich auch dieses Buch nur wärmstens empfehlen.