Eigene Erfahrungen
In dem Buch "Strong Female Character" nimmt uns die schottische Comedian Fern Brady mit auf ihre eigene ungeschönte Lebensreise. Dabei beleuchtet sie in verschiedenen Phasen ihre Schwierigkeiten ...
In dem Buch "Strong Female Character" nimmt uns die schottische Comedian Fern Brady mit auf ihre eigene ungeschönte Lebensreise. Dabei beleuchtet sie in verschiedenen Phasen ihre Schwierigkeiten als zunächst undiagnostizierte Autistin.
Das Buch ging mir sehr nah. Auch wenn ich mich in gewissen Dingen nicht ganz mit Fern Identifizieren kann, haben wir eine Sache gemeinsam: Einen langen Weg bis zur entsprechenden Diagnose. Daher kann ich den Unmut in ihr sehr gut nachvollziehen. Ihre Diagnose kam mit 30, vorher hatte sie Vermutungen, die ihr stetig von Fachpersonal ausgeredet worden waren. Ähnlich erging es mir.
Es macht traurig und wütend wie schwer es gerade autistischen Frauen gemacht wird einen Platz in dieser Welt zu finden. Wahrscheinlich ist dies aufgrund zu vieler neurotypischer, sozialer Regeln auch einfach nie ganz gegeben. Gerade von Frauen wird sozial und emotional einiges mehr erwartet und ganz sicher weniger irgendwelche trockenen Sprüche. Manches Verhalten autistischer Frauen wird höchstens eher Männern zugeschrieben. Deshalb verwirren wir andere Menschen, zumindest wenn Masking auf ein Mindestmaß reduziert wird. Doch selbst mit Masking werden die sozialen Codes vor allem unter Frauen schnell eine Herausforderungen. Selbst wenn man denkt es geknackt zu haben und endlich Freundinnen gefunden zu haben. Man bemerkt immer wieder anders zu sein als die anderen. Anders muss allerdings keineswegs schlecht sein.
Mir persönlich gefiel das Buch, würde aber Menschen, die sich nicht oder wenig mit Autismus bei Frauen auskennen raten dies nicht als einen Leitfaden zu sehen. Das Autismus-Spektrum kann sich sehr verschieden zeigen. Fern ist ein Beispiel von vielen. Jede ist anders! Ich gehe allerdings auch nicht davon aus, dass es Ferns' Anliegen war als großes Sprachrohr für alle zu dienen. Trotz allem zeigt ihre Biografie wie hart der Weg für eine spätdiagnostizierte Autistin ist und wie schwer es auch danach ist geeignete Hilfen zu kriegen. Das Thema bedarf so viel mehr Beachtung. Ich selbst weiß nicht wie mein Leben verlaufen wäre, wenn man als Jugendliche meine Vermutung Autistin zu sein direkt Ernst genommen hätte. Vermutlich um einiges angenehmer. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Aufklärung und nicht nur autistische Frauen als unbedeutende Randnotiz im System. Wir sind mehr als Frauen mit mehr Ecken und Kanten, die in keine Schublade passen.
Der Schreibstil war für mich angenehm und nie langweilig. Ich hatte das Buch sehr schnell durch. Auch das Nachwort gefiel mir und gibt mir Hoffnung, dass es nachkommende Generationen vielleicht einfacher haben zu verstehen inwiefern sie anders sind als andere. Zumindest, wenn sich einiges im System ändert. Den harten Weg zur Diagnose wünsche ich keinem.